- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Alles andere als zufrieden: Verbände gegenüber EU-Kreislaufwirtschaftspaket reserviert

Am 24. Januar beriet der Umweltausschuss des EU-Parlaments über die EU-Abfallgesetzgebung. Die 15. Münsteraner Abfallwirtschaftstage boten am 14. Februar den Entsorgungs- und Recyclingverbänden die Gelegenheit, Stellung zum EU-Kreislaufwirtschaftspaket zu beziehen. Das Forum überraschte durch seltene Übereinstimmungen, aber auch durch Themen- und Europa-Müdigkeit.

„Was haben wir nach 30 Jahren aus der Abfallgesetzgebung gelernt?“ lautete die Eingangsfrage von Thomas Grundmann (Arbeitsgemeinschaft Stoffspezifische Abfallbehandlung). Er erinnerte an die vielen Jahre, in denen in Deutschland über Gesetze zur Abfallwirtschaft diskutiert wurde. Und wies darauf hin, dass dennoch hinsichtlich Richtlinien zur Kreislaufwirtschaft Theorie und Wirklichkeit immer noch weit auseinander klaffen würden. Auch sei „das Verpackungsgesetz ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen“, über das noch lange gestritten werden dürfte. Allerdings seien die Ziele des Kreislaufwirtschaftspaketes durchaus zu befürworten, auch wenn es einer „Riesenanstrengung“ bedürfe, bis diese erreicht seien.

Als eine grundsätzliche Schwierigkeit einer internationalen Harmonisierung sah Grundmann, wie der Erfolg von Maßnahmen zur Abfallvermeidung gemessen werden könne. Massenstromstatistiken könnten zwar als Indizien, aber nicht als seriöse Erfolgskontrolle dienen, da ein Abfallmengen-Rückgang auch durch andere Faktoren ausgelöst worden sein könnte. Hinzu kämen Unsicherheiten hinsichtlich einer einheitlichen Datenbasis, der Definition von Hochwertigkeit von Verwertungsmethoden und der Definition von Recyclingquoten. Was Basisdaten anlangt, so seien diese bereits auf nationaler Ebene unzureichend, da sie auf teilweise veralteten oder unterschiedlich gebrauchten Begrifflichkeiten beruhen oder in Abfallaufkommen und -zusammensetzung variieren.

Für eine Politik der kleineren Schritte

Auch die Frage der Hochwertigkeit müsse noch beantwortet werden, da weder für hochwertiges Recycling noch für hochwertige energetische Verwertung verbindliche qualitative Vorgaben vorliegen. Hierzu müssten neben Kriterien zur Energieeffizienz und Klimarelevanz auch Kaskadennutzungseffekte berücksichtigt werden – „vernünftig kombiniert und dosiert“. Ebenso warte die Festlegung von Recyclingquoten auf eine Vereinheitlichung, zumal laut Beschluss der EU-Kommission (2011/753/EU) zurzeit vier unterschiedliche Berechnungsmethoden ihre Berechtigung haben. Grundmann rät daher: Erst die Methode, dann die Quoten festlegen. Denn „wer soll die Quoten für welche Abfallströme auf welcher Datengrundlage gegenüber wem nachweisen?“

Einen europaweiten Wirtschaftsplan hält der Experte für ideal, möchte aber gar nicht ermessen, wie lange das auf EU-Ebene dauern könnte. Daher plädiert Grundmann für eine EU-Abfallwirtschaftspolitik der kleineren Schritte, die mit Erfolgskontrollen und Sanktionsmaßnahmen gekoppelt sind. Es sei kein „großer Korrridor“ vonnöten, an dessen Ende die Brotkörbe hoch hängen, um die Mitgliedstaaten zu motivieren. Vielleicht, so Grundmanns Vorschlag, wären die Fortschritte besser im Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum des jeweiligen Landes zu beurteilen.


Lesen Sie weiter nach der Anzeige

[1]

Anzeige


Nur zehn Prozent für stoffliche Verwertung

Bei ehrlicher Betrachtung gibt es bisher keine einheitliche europäische Zielsetzung über Abfälle, gab Peter Kurth (BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V.) zu bedenken. Die Abfallrahmenrichtlinie jähre sich zum zehnten Mal, doch der Umsetzungsstand sei „erschütternd“. Aber auch in Deutschland würden Gesetze „in beeindruckender Souveränität“ weder beachtet noch umgesetzt. Die Quote bei Biotonnen sei schlicht „beschämend“. Schlechte Umsetzung sei also nicht nur ein europäisches Phänomen. Dabei berge die Kreislaufwirtschaft enormes Potenzial: Sie sei ein ganz großer Hebel, um bei  Klimawandel, Energiewende und Ressourceneffizienz voranzukommen. So habe beispielsweise der Verzicht auf die Deponierung unbehandelter Abfälle zu 35 bis 40 Prozent aller deutschen CO2-Einsparungen geführt. Sie benötige eine vernünftige, aber auch politisch gewollte Implementierung. Doch wie werden die dafür vorgesehenen EU-Mittel und Instrumente verwendet? Wenn die Abfallrahmenrichtlinie bis 2020 verbindlich umgesetzt sein soll, dürfe Brüssel nicht nur Neubauten und Modernisierungen von Deponien finanzieren. Bislang hätten aber nicht einmal zehn Prozent der eingesetzten Mittel etwas zu tun mit einer Kreislaufwirtschaft, die auf stoffliche Verwertung und Recyclingstrukturen hinarbeitet und zusteuert. Demgegenüber müssten die vorhandenen Instrumente zur Förderung und Finanzierung wesentlich konsequenter auf die Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie abzielen.

Zeit für ein mutiges Verbot

Damit verbunden blieb für Kurth die Frage, ob es nicht Zeit für ein mutiges Deponieverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle mit ambitionierter Zielvorgabe für 2030 oder 2035 ist. Wobei unter ambitioniert eine wesentlich höhere Quote als fünf oder zehn Prozent verstanden werden muss, damit sich etwas ändert. Auch seien bislang die zugelassenen Behandlungsoptionen weitgehend offen, wie auch die Ermittlung von Investitionen und die Klärung von Konsequenzen bei Verstößen nicht eindeutig geregelt sind. Dabei wäre es gut, wenn die Europäische Union die Kraft hätte zu sagen: „Ab 2030 wird in Europa nicht mehr deponiert.“ Aus Sicht von Kurth gilt es, Kreislaufwirtschaft als europäischen Markt zu begreifen und die weltweite Funktion von Sekundärrohstoffmärkten zur Kenntnis zu nehmen. Daher ging sein Rat an die Europäische Union: „Vielleicht ist es besser, man beschränkt sich auf ein paar Punkte und verliert sich nicht sehr in Detailregelungen, bei denen man nach wenigen Jahren feststellt, dass in der konkreten Umsetzung und im Vollzug nicht allzu viel passiert ist.“

Für Deponiesteuer und Deponieverbot

Patrick Hasenkamp (Verband kommunaler Unternehmen) definierte die Kreislaufwirtschaft ebenfalls als eine große Chance, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu verringern. Da man sich – auch in Deutschland – zu sehr mit der Beseitigung von Abfällen und weniger mit deren Vermeidung und Wiederverwertung befasst habe, begrüßt er den Closing-the-loop-Ansatz, den die EU-Kommission vertreten will. Essenziell aus kommunaler Sicht seien daher Vorschläge zur Abkehr von der Siedlungsabfall-Deponierung und das final zu beendende Deponierungsverbot für getrennt gesammelte Abfälle. Weder die Deponiesteuer in England und den Niederlanden noch das Deponieverbot in Deutschland habe den Ländern wirtschaftlich geschadet; vielmehr hätten die Systeme in den Benelux-Staaten sowie in Mittel- und Nordeuropa durch reduzierte Deponierung zu einer Steigerung der Recyclingwirtschaft geführt.

Den gesamten Lebenszyklus mit einbeziehen

Das Waste-to-energy-Papier der EU-Kommission vom 26. Januar kommentierte Hasenkamp als einen Ansatz, um die Materialströme zwischen den bestehenden Verwertungsanlagen auszutarieren. Es biete einen Ansatz, der eng mit der Frage nach der Wirksamkeit der Abfallhierarchie beziehungsweise der Massenrelevanz von Behandlungsmethoden zusammenhängt. Denn tiefergreifende Änderungen in der Behandlung von Massenströmen konnten bislang weder durch noch so gute Abfallvermeidungskonzepte, intelligente und technisch ausgefeilte Recyclingprojekte oder entsprechende Wiederverwendungskonzepte erreicht werden. Die großen Effekte, so Hasenkamp, hätten die energetische Nutzung und leider auch die Deponierung gebracht. Große Herausforderungen würden auch an die EU-Strategie für Kunststoffabfälle gestellt, wie das ebenfalls am 26. Januar veröffentlichte Papier zeigt. Noch heute würden in der Produktion von Kunststoffen 90 Prozent Primärrohstoffe eingesetzt, und die 25 Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen in der EU gelangten nach wie vor nur zu 30 Prozent ins Recycling, zu 39 Prozent in die Verbrennung und zu 30 Prozent auf Deponien. Die europäische Kunststoffstrategie sei daher zwingend darauf angewiesen, den gesamten Lebenszyklus dieses Materials mit einzubeziehen.

Impulse fehlen

„Es gibt noch erhebliches Potenzial für Recycling und Kreislaufwirtschaft in Europa“, lautete die Zwischenbilanz von Eric Rehbock (bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.). Leider enthalte das entsprechende Paket der EU kein ambitioniertes Programm, sondern nur eine „Light Version“. Als „grundlegenden Webfehler“ bezeichnete er das fehlende Deponieverbot, anstelle dessen eine zehnprozentige Deponierungsquote ab 2030 festgelegt wurde. Die Müllverbrennung werde mit den jetzt vorgeschlagenen Regelungen ungebremst weitergehen. Hier wären zusätzliche Definitionen einer hochwertigen energetischen Verwertung ebenso wünschenswert wie die Festlegung, dass als letzte Verwertungsoption sonstige Maßnahmen der thermischen Behandlung vorgenommen werden dürfen.

Laut Rehbock fehlen Impulse, um neben den getrennten Sammelstrukturen für Wertstoffe auch regionale Recyclingnetzwerke und gewerbliche Sammelstrukturen in den europäischen Mitgliedstaaten zu entwickeln und zu fördern. Und als prinzipielles Manko bezeichnete er, dass die negativen Umwelteinwirkungen bei der Gewinnung von Primärrohstoffen nicht in den Preis einfließen, während die bessere CO2-Bilanz bei Sekundärrohstoffen nicht berücksichtigt wird: Die daraus resultierenden, unterschiedlichen Voraussetzungen würden die Konkurrenz der Sekundär- mit den Primärrohstoffen erschweren.

Auf wenige Themen konzentrieren

Rehbock legte einen Forderungskatalog vor, der unter anderem klare ordnungs- und finanzpolitische Rahmensetzung, klare Abgrenzung von privaten und kommunalen Zuständigkeiten, saubere Begriffsdefinitionen und eindeutige Vorgaben für Statistiken sowie Quotenberechnungen enthielt. Und sich gegen Handelsbeschränkungen, staatlichen Protektionismus wie in Ungarn, der Abfallhierarchie zuwiderlaufende Subventionen, Förderungen der Reparierbarkeit und Maßnahmenprogramme, die die Wiederverwendung vorbereiten, aussprach. Auch Rehbock sieht in Kreislaufwirtschaft und Energiewende die einzigen relevanten Branchen, die trotz Wirtschaftswachstum für Ressourcenschonung und Klimaschutz sorgen. Und er teilt mit Kurth die Einstellung, sich auf wenige Themen zu konzentrieren: „Es gibt Punkte, da sollte man eher nichts tun und lieber das andere richtig tun und den Kleinkram einfach mal außen vor lassen.“

Manchmal unerträgliche Diskussionen

VKU, bvse, BDE und ASA: Auf Kongressen vergangener Jahre stand diese Besetzung eines Podiums normalerweise für zum Teil heftige Diskussionen. Nicht so diesmal. Das lag zwar sicherlich daran, dass diese vier Verbände in einer Initiative zusammengeschlossen sind, die gemeinsam Erwartungen und Forderungen in Richtung Europa formuliert hat. Es war aber auch darin begründet, dass sich unter den Akteuren bei bestimmten Fragenkomplexen Diskussionsmüdigkeit und Verhandlungsfrust eingeschlichen haben. Peter Kurth formulierte ersteres so: „Die Begeisterung aller Beteiligten, zum 19. Mal über die Chancen eines Wertstoffgesetzes zu reden, sind gering ausgeprägt – übrigens nicht nur für die Zuhörer solcher Diskussionen, sondern auch für die Teilnehmer.“ Darüber hinaus waren aber auch deutliche Worte zur Brüssel-Verdrossenheit zu hören. Eric Rehbock beispielsweise erklärte, er sei häufig in Brüssel gewesen, habe sein Engagement in den letzten ein bis zwei Jahren jedoch zurückgefahren wegen des dortigen – Entschuldigung! – „Geschwafels“. Die Diskussionen seien manchmal „unerträglich“. Außerdem habe man viel Geld für Veranstaltungen ausgegeben, beispielsweise auch beim Grünbuch für Kunststoffabfälle. Diese Veranstaltungen würden nach dem gleichen Muster ablaufen: Es kommen 100 bis 150 Besucher, darunter 90 Deutsche, die sich sowieso kennen, dann fünf bis sechs „Exoten“,  die keine Fragen stellen, und ein Dolmetscher. Kurz: Diejenigen, die das betreffen würde und die das Wissen ausschöpfen könnten, kommen nicht, und wenn sie kommen, „gehe das schnell wieder unter“.

Es gibt nichts Frustrierenderes

Als einen weiteren Punkt führte Rehbock an, dass die Deutschen in Brüssel nicht gerade das beste Ansehen genießen – weil sie so vielschichtig seien, viele Verbände hätten, auch innerhalb einer Branche viele Verbände hätten und weil vielleicht die Botschaft des einen Verbandes der des anderen widerspricht. Eric Rehbock:  „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man über die europäischen Verbände – Herr Kurth mit FEAD, bvse mit EuRic, andere mit BIR – mehr erreicht, weil viele europäische Verbände drinsitzen.“ Auch Axel Knörr (Pfleiderer Holzwerkstoffe) ist von seinen Besuchen in Brüssel desillusioniert. So schilderte er eine dortige Sitzung, bei der es um die Festlegung von Schadstoff-Obergrenzen ging. Und auf der für Frankreich zwei Milligramm, für Deutschland zehn Milligramm, für das flandrische Belgien 15 Milligramm sowie für das wallonische Belgien null Milligramm beschlossen wurden und für Italien (ohne Lombardei) „alles okay“ war. Angesichts solcher Erlebnisse fehlt Knörr nach eigener Aussage „der Glaube, dass die EU regulierend aktiv wird“. Und er sich fragt, weshalb er überhaupt zu Besprechungen nach Brüssel fahren soll, denn „es wird doch eh nichts erfüllt, ob man verhandelt oder nicht verhandelt“. Das Fazit des erfahrenen Ingenieurs: „Es gibt nichts Frustrierenderes als das Umweltrecht in der EU.“

Schwierig für ambitionierteres Vorhaben

Kritik an der EU-Kommission klang auch bei Arno Oexle (Köhler & Klett Rechtsanwälte) an: „Quoten stehen ja nur auf dem Papier, und die Frage ist, ob sich die Kommission nicht darum kümmern sollte, dass das jetzt schon bestehende Abfallrecht nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch umgesetzt wird, bevor man den Blick wieder auf neue Quoten und Ziele richtet.“ Die Kongressteilnehmer honorierten diese Äußerung mit spontanem Beifall.

Und auch Peter Kurth brachte auf den Punkt, weshalb Verhandlungen in Brüssel auf Dauer ins Leere laufen und desillusionieren können: „Wenn sich das festsetzen sollte – nach dem Motto: Es ist egal, was wir beschließen. Wenn dagegen verstoßen wird, muss niemand Konsequenzen  befürchten. Und zur Umsetzung des Ganzen wird auch zu wenig getan – dann wird es mit dem ambitionierteren Vorhaben schwierig.“

Foto: ALBA Group

(EUR0417S11)

[2]

Anzeige