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Altauto-Rücknahme: Viele Systeme, einige mögliche Lösungen

Abwrackbescheinigung, Rückvergütung, erweiterte Produzentenverantwortung: Was unsere südlichen und nördlichen Nachbarn in Europa vielleicht besser machen. 

Sie sind seit Jahren das größte Problem der Branche und besteht unverändert fort: die ineffektiven Rücknahmesysteme für Altautos und deren lückenhafte administrative Erfassung, die dem illegalen Export von Fahrzeugen Vorschub leisten. Doch es gibt Lösungsansätze. Beim Internationalen Automobilrecycling-Kongress IARC 2017 in Berlin stellten Branchenvertreter die Konzepte ihrer Länder vor. Der Iran hingegen hat noch Nachholbedarf.

Schweiz: Vollzug durch Punktesystem verbessern

Offiziellen Statistiken zufolge exportierte im Jahr 2016 die Schweiz 131.319 Altfahrzeuge. Knapp 28.000 gingen nach Polen, rund 14.000 nach Bulgarien, 12.451 in die Bundesrepublik Deutschland, aber auch über 12.000 nach Libyen und 8.515 nach Togo. Etwas mehr als 76.000 Karossen wurden geshreddert. Über den Verbleib einer etwa ähnlichen Anzahl von 73.956 Fahrzeugen liegen allerdings keine Erkenntnisse vor, gestand Daniel Christen von der Stiftung Auto Recycling (Schweiz). Das mag unter anderem daran liegen, dass in der Schweiz keine angemessene, trennscharfe und bundesweit akzeptierte Definition für Altfahrzeuge existiert. Dieser Umstand wird noch dadurch verstärkt, als in der Schweiz 26 einzelne Kantone für die ordnungsgemäße Entsorgung von Elektro(nik)schrott, Altfahrzeugen und Altreifen verantwortlich sind, die von Zoll zurückgewiesen werden. Das erschwert eine einheitliche Festlegung beziehungsweise Trennung von Gebrauchtwagen und Schrottfahrzeugen und erleichtert Exporte.

Doch noch mehr Regularien seien nicht notwendig: Der Vollzug sollte verbessert werden, meinte  Daniela Brunner vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft im Kanton Zürich (Schweiz). Schrottautos seien unter anderem daran erkennbar, dass sie ausgebrannt sind, der Rahmen verformt ist, Betriebsflüssigkeiten sowie Autoteile fehlen und gewisse Wasserschäden vorkommen. Dafür habe der Kanton Zürich ein Schaden-Erkennungssystem eingeführt, das für einzelne Beanstandungen Punkte vergibt und an der Punktsumme die Gesamthöhe der Schäden insgesamt feststellt. Das System sei leicht und von Zollbeamten, Exporteuren sowie Vollzugsbehörden in der Schweiz und in Liechtenstein akzeptiert. Seit es 2010 in Anwendung kam, sei es hunderte Male angewandt worden.

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Spanien: Daten aus Jahresberichten und Prüfungen

Das Alter des spanischen Personenwagen-Fuhrparks hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Während das Durchschnittsalter europäischer Pkw 2015 bei 9,73 Jahren lag, hat sich die Lebensdauer spanischer Fahrzeuge auf durchschnittlich zwölf Jahre gesteigert. Die Abmelderate ist vergleichsweise gering: Die Spanier behalten ihre Fahrzeuge länger, während der Second-Hand-Markt zugenommen hat, berichtete Manuel Kindelan vom spanischen Autoverwerter Sigrauto. Im Bereich der Autoverwertung hat sich in Spanien ein Netzwerk entwickelt, das aus 29 Shredderbetrieben, zehn Nach-Shredder-Unternehmen und 536 zertifizierten Behandlungsanlagen besteht. Die Anlagen erfassen über 85 Prozent aller behandelten Altfahrzeuge, die Shredder 100 Prozent aller behandelten Altfahrzeuge und die Post-Shredder-Betriebe 100 Prozent aller behandelten Abfälle.

Nach Darstellung von Manuel Kindelan sind die Zahlen zum spanischen Verwertungsniveau für Altfahrzeuge hochgradig verlässlich, da sie auf den jährlichen Berichten der genannten Verwertungsunternehmen beruhen und ergänzt werden durch Ergebnisse aus Shredder-Prüfungen, die gemäß der Richtlinien der EU-Kommission durchgeführt wurden. Danach erreicht Spanien mit 84,3 Prozent bei Wiederverwendung und Recycling beinahe die 85-Prozent-Hürde, während es mit 93,5 Prozent bei Wiederverwertung bereits weit über dieser Marke rangiert und Platz 11 in Europa belegt.

Endgütige Abmeldung nur per Abwrackbescheinigung

Spanien hat für die Abmeldung von Altfahrzeugen ein eigenes System entwickelt. Zunächst zahlt der Fahrzeughalter für die Registrierung seines Fahrzeugs eine Steuer/Versicherung über eine direkte Einzugsermächtigung von seinem Bankkonto. Erfolgt diese Zahlung nicht, droht eine hohe Strafe. Wird das Fahrzeug vorübergehend – bis zu einem Jahr – abgemeldet, bleibt die Registrierung automatisch bestehen. Wird das Fahrzeug verkauft, muss das per Kaufvertrag nachgewiesen werden. Und die endgültige Abmeldung wird durch eine „Abwrackbescheinigung“ bestätigt, die nur von einer zertifizierten Aufbereitungsanlage ausgestellt wird. Andere Dokumente wie eine Abnahmebescheinigung oder eine Zerstörungsmeldung sind nicht gültig. Ein Königlicher Erlass vom Januar 2017 brachte einige Neuerungen im Altauto-Markt mit sich. Er definiert das Fahrzeug als Ganzes, was doppelte Regelungen verhindert. Nur zertifizierte Behandlungsanlagen dürfen gebrauchte Autoteile – aus de-registrierten und entsorgten Fahrzeugen – entnehmen und verkaufen. Die  Behandlungsanlagen müssen zunehmend mehr wiederverwenden: von fünf Prozent bis 2021 bis zu 15 Prozent ab 2026. Sie sind verpflichtet, alle Autowracks an die Shredderanlagen zu liefern. Außerdem müssen die Fahrzeughersteller ein System zur Erweiterten Produzentenverantwortung errichten.

Dänemark: Rückvergütungssystem seit 1999

Im Jahr 2016 wies die dänische Statistik 1700.000 Altfahrzeuge aus, wovon geschätzte 22.000 exportiert wurden. Dem Potenzial von 148.000 Fahrzeugen zur Verschrottung standen aktuell 93.000 tatsächlich aus dem Verkehr gezogene Wagen gegenüber. Bei leicht gestiegener nationaler Fahrzeugflotte schwankten die De-Registrierungszahlen (nach Abzug der legalen Stilllegungen) zwischen 0,4 Millionen (2009) und 1,5 Millionen (2008 und 2011), um 2016 mit 2,7 Millionen fast die Gesamtzahl aller in Dänemark zugelassenen Fahrzeuge zu erreichen, verdeutlichte Stig Thorlak vom DPA-System (Dänemark).

Für Altfahrzeuge führte Dänemark bereits 1999 ein Rückvergütungssystem ein, das bis heute mit wenigen Anpassungen Gültigkeit hat. Danach bezahlt ein Fahrzeughalter zunächst eine pflichtgemäße Versicherung. Darüber hinaus entrichtet er jährlich eine Gebühr von 15 Euro; sie wird gesammelt und an die Umweltschutzbehörde und schließlich an die Dänische Produzenten-Verantwortung (DPA) weitergeleitet. Wird das Altfahrzeug schließlich von seinem Halter zum Demontagebetrieb gebracht, erhält er eine Rückvergütung von 300 Euro. Falls für die Demontage noch Kosten anfallen sollten, werden diese von den Auto-Herstellern oder -Importeuren beglichen.

Mit Digitalisierung gegen Missbrauch

Für die Demontageunternehmen sind allerdings die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht mehr aktuell, die Kontrolle der Umweltschutzbehörde und der lokalen Ämter erscheint unzureichend, und der Geldfluss in das Rückvergütungssystem ist mit 33,5 Millionen Euro pro Jahr sehr attraktiv. Die Schwäche des Systems haben nun illegale Demontagestätten bemerkt und damit begonnen, es zu missbrauchen, was die legalen Unternehmen finanziell unter Druck setzte und etliche zur Aufgabe zwang. Eine Studie ergab, dass 20 bis 25 Prozent aller Fahrzeuge illegal aus dem Verkehr gezogen werden. Und dass in Shredderanlagen nur 30 Prozent aller Altfahrzeuge gesetzmäßig vorbereitet werden, folgerichtig 70 Prozent noch umweltschädliche Substanzen enthalten.

Daher trat im Jahr 2015 ein neues Gesetz in Kraft, das die Digitalisierung des Rückvergütungssystems und dessen Kommunikation vorsieht, um eine bessere Kontrolle des Systems zu gewährleisten. Nun muss sich der Fahrzeughalter als künftiger Altfahrzeugbesitzer auf eine Liste eintragen, wird online an ein zertifiziertes Demontageunternehmen verwiesen, das die bevorstehende Verschrottung bestätigt. Ist das Altfahrzeug dann entsorgt, wird die Rückvergütungssumme auf das Konto des Fahrzeugbesitzers überwiesen und die Abwrackbescheinigung elektronisch zugesandt.

Iran: Nur die Metalle verwertet

Vor 2006 wurden im Iran insgesamt 45,000 abgefahrene und überalterte Fahrzeuge mit „sehr traditionellen Methoden“ vom Markt genommen, erklärte Amir Seifizadeh vom Recycling-Vertriebspartner Taha Sanat Danesh Pooya (Iran). Erst danach habe eine Regelung im Haushaltsgesetz bewirkt, dass von 2006 bis 2014 rund 1,7 Millionen Altfahrzeuge demontiert oder hergerichtet wurden. Den weiteren Angaben zufolge gibt es zurzeit 18 Millionen Fahrzeuge auf Irans Straßen. Fahrzeuge, die älter sind als 21 Jahre, müssen von Amts wegen verschrottet werden. 1,5 Millionen Altautos sollten ausrangiert werden; die durchschnittliche jährliche Stilllegungsmenge beträgt 200.000 Fahrzeuge. Allerdings schwanken die Zahlen während der letzten zehn Jahre zwischen 67.335 im Jahr 2013 und 311.950 im darauffolgenden Jahr und schrumpften im Jahr 2016 auf 123.000 Altfahrzeuge.

Unternehmen, die Altautos ausschlachten oder verschrotten, sind verpflichtet, bestimmte Teile der Fahrzeuge zu demontieren, darunter Metalle und Nicht-Metalle. Den größten Gewichtsanteil erreicht Eisen mit über 700 Kilogramm, während Gusseisen von rund 90 Kilogramm anfällt und Kupfer sowie Aluminium, die unter 50 Kilogramm liegen. An nicht-metallischen Bestandteilen können knapp 14 Kilogramm Kunststoffe, 18 Kilogramm Glas, 20 Kilogramm Reifen und sieben Kilogramm Gewebe rückgewonnen werden. Während die Metalle über Stahlwerke wieder in den Stoffkreislauf zurücklaufen, werden Windschutzscheiben ebensowenig wie die Textilien des Innenraums recycelt und Reifen nur in begrenztem Umfang; Kunststoff wird eingeschmolzen und in Pulpe verwandelt.

Rücknahme finanziell beschleunigen

Insgesamt könnte der iranische Markt – nach Ansicht von Amir Seifizadeh – die Rücknahme von Altfahrzeugen auf zwei Arten beschleunigen: erstens mittels finanzieller Unterstützung von Ersatzfahrzeugen durch kostengünstige Bankbedingungen und zweitens eine verbesserte Ausrüstung der Altauto-Verwerter durch eine Vielzahl von Shreddern, Scheren und anderen Werkzeugen, um Qualität und Geschwindigkeit zu steigern.

Mittlerweile wurden in Irans Automobilrecycling mehrere Unternehmen gegründet. Unter Ägide der Bonyan International Investment Group hat sich Taha Sanat Danesh Pooya mit sieben Mitarbeitern auf ausländischen Handel spezialisiert, Talash Sanat (neun) auf das Recycling von Kabeln und Drähten und Kian Sanat (neun) auf Kabelumhüllungen, während Gostaresh Hesab (fünf) Finanzen und Gebührensysteme und Insurance mit zwei Mitarbeitern Versicherungsdienste anbietet.

Foto: O. Kürth

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