Rohstoffland Schweiz – Beispiel Altfahrzeuge

Was nutzt das Recycling, wenn die Fahrzeuge nicht in die Verwertungsschiene gelangen? Da hat die Schweiz das gleiche Problem wie die EU.

Die Schweiz ist vordergründig ein rohstoffarmes Land. Aus diesem Grund besitzt das Recycling von Konsumgütern, Gebäuden, Infrastrukuranlagen, Produktionsabfällen etc. einen wichtigen Stellenwert. Der Begriff „Urban Mining“ bezeichnet die Rückgewinnung von Ressourcen bestens.

Fahrzeuge sind rollende Rohstofflager. Nach wie vor bestehen Automobile im Durchschnitt aus 70 bis 75 Prozent Metallen. Das ist erstaunlich, denn eigentlich würde man vermuten, dass der Kunststoffanteil überproportional zugenommen hat. Dem ist aber nicht so; nur das absolute Gewicht ist gestiegen. Das Leergewicht der verwerteten, rund 16 Jahre alten Fahrzeuge liegt bei 1.150 Kilogramm, vor zehn Jahren war es unter 1.000 Kilogramm.

Bei der Schlackenaufbereitung spielen
Trenntische eine große Rolle

Im letzten Jahr wurden 76.112 Fahrzeuge geschreddert. Die Schrottverwertung führte zur Einsparung von 92.000 Tonnen Eisenerz und 20.000 Tonnen Bauxit sowie einer Einsparung von 268.000 Megawattstunden Energie oder umgerechnet fast 60.000 Tonnen CO2. Die schweizerischen Shredderwerke beliefern unter anderem die beiden einheimischen Stahlwerke Stahl Gerlafingen AG und Swiss Steel AG, die zusammen jährlich 1,2 Millionen Tonnen Stahl herstellen. Der Kreislauf ist geschlossen.

An dieser Stelle ist noch nicht Schluss

Auch im Rest, also hauptsächlich der Shredderleichtfraktion, stecken Wertstoffe, die allerdings nicht mehr so leicht zu separieren sind. Hier unterscheiden sich die Verwertungsansätze zwischen der Schweiz und dem übrigen Europa deutlich. Die Schweiz hat keine gesetzlich vorgeschriebene Verwertungsquote zu erfüllen. Allerdings kennen wir seit zwei Jahrzehnten ein striktes Deponieverbot für alle brennbaren Abfälle. Die Shredderleichtfraktion wird infolgedessen in Müllverbrennungsanlagen (MVA) thermisch verwertet. Diese Behandlung hat sich bewährt, denn die Abwärme wird zur Stromproduktion und zur Einspeisung ins Fernwärmenetz genutzt. Allein mit der Energie aus der Auto-Shredderleichtfraktion können rund 6.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. An dieser Stelle ist noch nicht Schluss. Im Fokus der Recyclinganstrengungen liegen besonders die MVA-Rückstände. Eisen und Aluminium werden schon lange aus den Schlacken zurückgewonnen.

Trenntisch

In den letzten Jahren hat sich jedoch ein Wettbewerb entwickelt. Denn die Effizienz kann gesteigert werden, und im Feinanteil schlummern die besonders wertvollen Edelmetalle. Das Bundesamt für Umwelt schätzt das Wertstoffpotenzial der gesamten MVA-Schlacken in der Schweiz auf 75.000 Tonnen Eisen, 17.000 Tonnen Aluminium, 6.000 Tonnen Kupfer  und 300 Kilogramm Gold. Hinzu kommen Fraktionen wie Glas und mineralische Stoffe, die ebenfalls verwertet werden können. Die Wertstoffe stammen natürlich nur zu einem geringen Teil aus der Shredderleichtfraktion, sondern vorwiegend aus dem Hausmüll und dem Industrie- und Gewerbeabfall.

Allerdings nützt das ganze Recycling nichts, wenn die Fahrzeuge nicht in die Verwertungsschiene gelangen. Da hat die Schweiz das gleiche Problem wie die EU. Rund die Hälfte der annullierten und nicht exportierten Fahrzeuge verschwindet unkontrolliert. Die Mehrheit davon dürfte im Export landen, einige stehen auf Gebrauchtwagen- und Schrottplätzen herum. Die offiziellen Exporte haben 2016 auf 130.000 Fahrzeuge zugenommen. Jahrelang standen afrikanische Destinationen an erster Stelle; nun sind Polen und Bulgarien die Hauptabnehmer. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass der Export keine billige Entsorgung ist, sondern dass es sich meistens um Gebrauchtwagen mit hoher Kilometerzahl oder leichten Schäden handelt, die im Ausland kostengünstig repariert werden können.

NE-Fraktion

So fahren diese Fahrzeuge noch tausende Kilometer und tragen zur Mobilität bei. Ohne Mobilität gibt es keine Prosperität. Herausforderungen an die künftige Autoverwertung stellen die elektronischen Bauteile dar, deren Masse mit der Elektromobilität zunimmt, sowie Leichtbaumaterialien, die das Fahrzeuggewicht zwecks CO2-Reduktion senken, für das Recycling aber erschwerte Bedingungen darstellen. Das Beispiel Auto verdeutlicht, dass Rohstoffe nicht unbedingt im Boden zu suchen sind.

Daniel Christen, Stiftung Auto Recycling Schweiz
www.stiftung-autorecycling.ch

 

Fotos/Grafik: Stiftung Auto Recycling Schweiz

(EUR0617S32)

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