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Die Deponien stehen auf der Kippe

„Alle Bundesländer haben mit Ausnahme der Sonderfälle Bremen und Mecklenburg-Vorpommern einen mehr oder weniger ausgeprägten Deponiebedarf, der zum Teil hart an den Entsorgungsnotstand grenzt.“

So schätzte Hartmut Haeming vor einem Jahr die Situation der deutschen Deponien ein. Ein Jahr später – auf dem 29. Kasseler Abfall- und Bioenergieforum – fiel das Urteil des Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Deutsche Deponiebetreiber keineswegs besser aus.

Die Situation hat sich, so Haeming, gegenüber dem Vorjahr faktisch nicht spürbar verändert. In Niedersachsen herrscht nach wie vor Entsorgungsnotstand, für Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Bayern und Hamburg wird Entsorgungssicherheit definiert, und die übrigen Bundesländer haben zumindest regionalen Deponiebedarf. Allerdings geht Karl Biedermann vom Bundesumweltministerium – Stand Oktober 2016 – bundesweit insgesamt von einem Restvolumen auf DK 0- bis DK II-Deponien von 466 Millionen Kubikmetern aus, mit Laufzeiten zwischen zwölf (DK 0) und 22 beziehungsweise 23 Jahren (DK I / DK II); DK III- und DK IV-Deponien sowie Lagerstätten für die Kraftwerksreststoffe sind nicht einbezogen.

Mehrbelastung durch Mantelverordnung

2014 wurden dem Statistischen Bundesamt zufolge 45,01 Millionen Tonnen deponiert, 13,17 Millionen Tonnen im Deponiebau eingesetzt und 91,77 Millionen Tonnen in übertägigen Abbaustätten verfüllt. Laut dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf führt die Umsetzung der Mantelverordnung zu einer Mehrbelastung der Deponien durch rund 13 Millionen Tonnen. Im Planspiel zur Mantelverordnung gingen der BDE-Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. von 50 Millionen Tonnen und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) sogar von 70 Millionen Tonnen Zusatzmengen zur Deponierung aus.

Summiert ergibt sich aus deponierten und verbauten Mengen sowie Mehrmengen durch Mantelverordnung ein bundesweites Volumen von rund 71 Millionen Tonnen, das bei einem Schüttgewicht von 1,6 Tonnen pro Kubikmeter ein Deponievolumen von 44,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr benötigt. Dividiert man das vorhandene Deponievolumen der Deponien der Klassen 0 bis II (466,42 Millionen Kubikmeter) durch dieses jährlich verbrauchte Abfallvolumen, so erhält man eine Restlaufzeit der deutschen Deponien von 10,5 Jahren. Wird das Abfallaufkommen noch um die von BDE und ZDB angenommenen Zusatzmengen erweitert, so verkürzen sich die Restlaufzeiten auf 6,9 beziehungsweise 5,7 Jahre.

Von vielen Faktoren abhängig

Und selbst diese Prognosen sind riskant. Denn sie hängen davon ab, dass Ersatzbaustoffe akzeptiert und verwendet werden. Dass keine Verbote für den Einsatz von Ersatzbaustoffen, wie im Landesbetrieb Straßen NRW geschehen, ausgesprochen werden. Dass solche Materialien bei öffentlichen Ausschreibungen Berücksichtigung finden. Dass ein Markt für Ersatzbaustoffe oder Ersatzbaustoffprodukte besteht, der beispielsweise für MVA-Schlacken zurzeit nicht vorhanden ist. Dass die Mengen der zu vermarktenden Materialien realistisch eingeschätzt werden. Und dass die zukünftige Gesetzgebung nicht weitere Ersatzbaustoffe, wie beispielsweise durch CLP-Vorgaben, von der Vermarktung ausschließt.

Hinzu kommen Kostenaspekte. Je knapper Deponieraum wird, umso teurer wird er. Zumal, wenn gleichzeitig die Aufwändungen steigen, um nicht rechtskonformen Ablagerungen einen Riegel vorzuschieben. Je länger die Bundesländer mit der Schaffung neuen Deponieraums warten, umso teurer werden die Neuerstellung und die vermehrten Kontrollen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass sich die Entsorgungskosten je nach Deponieklasse auf 40 oder 50 Euro pro Tonne erhöhen: Das könnte allein für die angenommenen 13 Millionen Tonnen zu Mehrkosten in Höhe von bis zu 650 Millionen Euro führen und bei den vom BDE vermuteten 50 Millionen Tonnen eine Mehrbelastung von 2,5 Milliarden Euro bedeuten.

Bis nichts mehr geht?

Hartmut Haemings Fazit: In den meisten Bundesländern besteht Deponiebedarf, der sich bei veränderter Gesetzgebung rasch zum Entsorgungsnotstand entwickeln könnte. Bundesweit müssten schätzungsweise 50 Millionen Kubikmeter an neuen Deponiekapazitäten geschaffen werden, mit Blick auf die Situation im jeweiligen Bundesland. Der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Deutsche Deponiebetreiber mahnt verbesserte Datenlage, Unterstützung von Vorhabenträgern und eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren an – „vorausgesetzt, der politische Wille ist da“. Oder wollen die Verantwortlichen warten, „bis wirklich nichts mehr geht?“

Der Beitrag von Hartmut Haeming ist nachzulesen unter Bio- und Sekundärrohstoffverwertung XII, hrsg. Klaus Wiemer, Michael Kern, Thomas Rausssen, Witzenhausen 2017, ISBN 3-928673-74-2.

Foto: Reinhard Weikert / abfallbild.de

(EU-Recycling 07/2017, Seite 30)