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Von der Zähmung widerspenstiger Reste

Mühlenbauer Getecha realisiert bei Infinex im baden-württembergischen Haiterbach ein komplettes Kreislaufsystem für Abfälle aus der Plattenextrusion.

Es ist nicht zu vermeiden, dass bei der Produktion von Hohl- und Strukturkammer-Platten durch Infinex stattliche Mengen von Reststücken und Beschnitt anfallen. Denn die mehrschichtigen Thermoplast-Elemente werden aus einer Endlosbahn präzise für die Plattenextrusion abgelängt. Übrig bleibt sortenreines PP, das als Wertstoff wieder zurück in die Extruder geht. Die geplante Prozessoptimierung hatte es allerdings in sich: Der gesamte Prozess von der Anlieferung der Plattenreste über ihre Zerkleinerung bis zur Wiederbereitstellung des Mahlguts für die Extrusion sollte völlig ohne Personaleinsatz erfolgen.

Vor zwei Jahren begann Thomas Hirmer, der Technische Leiter im Infinex-Werk Haiterbach, Sondierungsgespräche mit dem Aschaffenburger Anlagenbauer Getecha: „Bis dato sahen wir Getecha primär als Hersteller von Zerkleinerungsmühlen; inzwischen hat sich das Unternehmen aber zum Automatisierer mit Spezialgebiet Wertstoff-Kreisläufe gewandelt.“ Und Getecha-Geschäftsführer Burkhard Vogel erinnert sich: „Dabei erkannten wir schon beim ersten Vor-Ort-Rundgang, dass wir eine Reihe von Variablen im Auge behalten mussten.“

Materialzuführung als echte Herausforderung

Rasch geklärt war zunächst die Frage, wie die zäh-festen PP-Reste mit einem Stundendurchsatz von bis zu 1.000 Kilogramm in extrudierfähige Partikel mit Längen von ≤ 6,0 Millimeter zu zerkleinern waren. Denn mit dem RotoSchneider RS 6015 hält Getecha die für diese Zwecke optimale Zentralmühle bereit. Sie hat einen starken 110-kW-Motor, eine lastabhängige Steuerung und einen Fünf-Messer-Segmentrotor, der mit 400 U/min dreht. Ihre beiden Einzugswalzen – mit griffiger Oberflächenstruktur – werden beidseitig angetrieben, wobei die Geschwindigkeit regelbar ist. „Anstelle eines Trichters für den Materialeinwurf von oben haben wir die RS 6015 für den Einsatz bei Infinex mit einem modifizierten Gehäuse für die einfache horizontale Zuführung der Platten und Planken ausgestattet“, erläutert Burkhard Vogel.

Weitaus komplexer gestalteten sich hingegen die Projektierung und Umsetzung der materialflusstechnischen Automatisierung. Insbesondere die Prozessstufe der Materialzuführung erwies sich als echte Herausforderung. Denn die bis zu 5 x 1,4 Meter großen und bis zu 11 Millimeter dicken PP-Plattenreste mit Flächengewichten von 300 bis 4.000 g/m2 kommen keineswegs sortiert und kantengenau gestapelt aus der Produktion. Der Regelfall sind vielmehr bis zu 1,6 Meter hohe Stapel mit enormem „Wellengang“, verursacht durch das weitgehend chaotische Aufeinanderlegen der in ihren Abmessungen stark variierenden Reststücke. Routinemäßig werden diese Stapel auf offenen Transportwagen bereitgestellt. „Dabei können hier auch mal mehrere ungleiche Stapel nebeneinander stehen“, berichtet Getecha-Chef Vogel.

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Parallelogramm-Greifschieber (hier in Ruhe­position) mit integrierter Mess-Sensorik zum Zuführen gestapelter Polypropylenplatten / Wilde Stapel: Weitgehend chaotisch aufeinandergelegt sind die bis zu 5,0 x 1,4 Meter großen und bis zu 11 Millimeter dicken PP-Plattenreste / Der Manipulator in Aktion: Nach Ermittlung des Höhenprofils des Plattenstapels vereinzeln Greifschieber und Hubgerät die PP-Platten und führen sie der Mühle zu

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Greifersektion des Manipulators: Sechs pneumatisch betätigte Nadeln haken sich in die Platten ein, um sie vom Stapel weg zur Mühle zu ziehen / Mühle in der Schallschutzkabine: Das Zerkleinern der PP-Reste in extrudierfähige Partikel erledigt eine RotoSchneider RS 6015 / Gut zu sehen ist die breite Frontplatte der Schiebersektion des Manipulators, der in seiner Parkposition bis direkt vor die Einzugswalzen der Mühle fährt (Fotos: Stöcker)

Zuführsystem mit Wechselspiel

Im Frühjahr 2016 konnte Getecha eine Anlage präsentieren, die alle Prozessanforderungen abdeckt und als Ergebnis sauber in BigBags verstautes Mahlgut für die Re-Granulierung bereitstellt. Dazu gehörte ein frequenzgeregelter Elektroschlitten mit multifunktionalem Manipulator und integrierter Mess-Sensorik. Er fährt über die angelieferten Plattenstapel, um die Platten dann im synchronisierten Zusammenspiel mit einem Hubgerät zu vereinzeln und in Richtung Zerkleinerungsmühle zu ziehen und schieben: Der beladene Transportwagen wird im Hubgerät eingespannt, woraufhin der Schlitten mit dem Manipulator heranfährt und sein Lasersensor das ungleiche Höhenprofil des Stapels scannt.

Getecha-Geschäftsführer Burkard Vogel erläutert: „Wir haben den Manipulator als flexible Greifer-Schieber-Kombination konstruiert, wobei die Hauptarbeit die Greifersektion übernimmt. Ihre sechs pneumatisch betätigten Nadeln haken sich in die Platten ein, um sie vom Stapel weg zum RotoSchneider zu ziehen. Für diese Lösung haben wir uns entschieden, weil sich durch die Ziehbewegung das Problem eines Aufbäumens der Reststücke gar nicht erst stellt. Vor allem beim Abtragen sehr dünner Platten erhöht das die Prozesssicherheit.“ Ist ein Stapel vollständig abgetragen und auch die letzte Platte im Eingang der Mühle verschwunden, fährt der Manipulator in seine Parkposition – und das Hubgerät gibt den leeren Transportwagen wieder frei.

Komplettlösung mit dreistufigem Prozess

Die zweite Stufe der Aufbereitungsanlage bei Infinex besteht in der Zerkleinerung der Plattenreste in der RotoSchneider RS 6015, die rundum zugänglich in einer begehbaren Schallschutzkabine aufgestellt ist. Das Mahlgut wird direkt aus der Mühle abgesaugt und via Rohrleitung in eine Doppel-BigBag-Station geführt. Diese Verpackungsanlage mit ihrer Abluftentstaubung, einer automatischen Füllstandsmessung und einer automatischen Umschaltung zwischen den zwei BigBags verkörpert die dritte, abschließende Prozessstufe der Komplettlösung von Getecha. Der jeweils volle BigBag wird bedarfsgerecht von Gabelstablern abgeholt und zu den Extrudern gefahren.

www.getecha.de [3]

(EU-Recycling 07/2017, Seite 40)