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Neue Gewerbeabfallverordnung: Die Branche ist verunsichert

Auch wenn der Leistungs- und Pflichtenkatalog an Vorbehandlungsanlagen mit den geforderten Verwertungs- und Recyclingquoten erst zum Januar 2019 greift, sollten Verwerter/Entsorger schon jetzt ihren Status quo prüfen.

Das riet Dr. Jean Doumet vom Bundesumweltministerium (BMU) auf einer Tagung des bvse zum Thema. Am 1. August 2017 ist die neue Gewerbeabfallverordnung in Kraft getreten, und mit ihr viele neue Anforderungen an Erzeuger, Besitzer und Behandler von gewerblichen Siedlungsabfällen und bestimmten Bau- und Abbruchabfällen. Im Rahmen des Erfüllungsaufwandes zur Umsetzung der neuen Richtlinien schätzt das BMU einen jährlichen Kosten-Mehraufwand von circa 16 Millionen Euro. „Dieser wird hauptsächlich der Getrenntsammlung beziehungsweise der Zuführung zu einer Vorbehandlung, anstelle einer energetischen Verwertung zuzuschreiben sein“, erklärte Doumet. „Hinzu rechnet der Gesetzgeber noch einmal rund 192 Millionen Euro für den einmaligen Umstellungsaufwand, den er fast ausschließlich für die Umsetzung der neuen Anforderungen an die Vorbehandlung einkalkuliert.“

Fragen, die sich stellen

Auf die Branche kommt vermutlich ein gutes Stück Arbeit zu. Abfallbesitzer und Anlagenbetreiber müssten jetzt entscheiden, wie sie mit den Abfallgemischen in Zukunft weiter verfahren: diese annehmen und gemäß den Bestimmungen und Anforderungen des neuen Regelwerks selber vorbehandeln oder in spezielle Anlagen weitergeben? Die Frage, die sich vorrangig stelle, sei, wo die Vorbehandlung beginne, so der BMU-Referatsleiter: „Wenn Wertstoffe entnommen werden, ist das ein Teil der Vorbehandlung. Dies wird momentan beispielsweise auch auf BImSch-genehmigten Zwischenlagern, den sogenannten Grabbelplätzen, durchaus gemacht und wird in Zusammenarbeit mit geeigneten Partnern auch in Zukunft weiter möglich sein – sofern sichergestellt wird, dass Abfälle, die ihren Weg dorthin finden, auch komplett so behandelt werden, wie es nach der Gewerbeabfallverordnung vorgesehen ist.“ Wichtig sei, dass die Anlagenbetreiber jetzt die Verträge mit ihren Partnern im Hinblick auf Zielerreichung prüfen und anpassen.

„Über diese mittelstandsfreundliche Regelung dürften viele Betreiber erleichtert sein“, kommentierte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock die Aussage Doumets. Und merkte im Hinblick auf die ab 1. Januar 2019 geltende Recyclingquote von 30 Prozent an, dass noch dringend geklärt werden müsse, was genau in die Quotenberechnung einfließen darf. Doumet entgegnete, dass die Quoten nicht nur aus Sicht des BMU machbar seien. Es werde Aufgabe der Recyclingwirtschaft sein, Lösungen zu finden, diese zu erreichen. Dies könnte bedeuten, sich eventuell auf neue Stoffströme umzustellen oder für bestimmte Stoffe auch neue Märkte zu finden. Nach den Erkenntnissen von Prof. Dr. Uwe Görisch sind viele Unternehmen über die nächsten Schritte verunsichert. „Als erste Maßnahme“, machte der Experte deutlich, „ist eine zeitnahe Analyse des Ist-Zustandes unumgänglich, und zwar nicht nur in technischer Hinsicht, sondern vor allem im Hinblick auf die Zielsetzungen, die durch die neue Gewerbeabfallverordnung gesetzt sind.“ Anlagenbetreiber und zuständige Vollzugsbehörden sollten sich dazu zusammensetzen und gemeinsam beraten, ob hinsichtlich vorhandener Technik, eingehender Stoffströme und erreichbarer Quoten Anpassungen notwendig sind. Görisch: „Hier sind, im Benehmen mit den zuständigen Behörden, Einzelfallbetrachtungen notwendig.“

Besorgt blickt die mittelständische Branche auch auf den Vollzug der Länder. Nach dem Föderalismusprinzip wird hier jedem Bundesland – entsprechend seiner Verwaltungsstruktur – eine eigenständige Abwicklung zugestanden, was in der Vergangenheit schon zu vielen unerfreulichen Belastungen geführt hat. Einen in den Ländern einheitlichen Vollzug wird es wohl auch durch den Leitfaden, den die LAGA-Länderarbeitsgemeinschaft bis Ende 2018 fertigstellen will, nicht geben, bestätigte der Vorsitzende des Abfallrechtsausschusses und Referatsleiter für Wertstoffrückgewinnung im Bayerischen Umweltministerium, MR Christian Schmidt: „Jedes Land ist für den Regelungsvollzug alleine verantwortlich; die Vollzugshilfe ist lediglich eine Empfehlung für die Länder und hat keinen Rechts- oder Normcharakter.“

Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de

(EU-Recycling 08/2017, Seite 5)

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