Initiative gegen Lizenzmengenschwund – Sicherung der Produkt­verantwortung?

Die dualen Systeme Der Grüne Punkt, BellandVision und Interseroh kündigten die bestehenden Clearing-Verträge. Nach Auffassung der Unternehmen kommen einzelne Systeme ihren Verpflichtungen wiederholt nicht nach. Neue Clearing-Verträge sollen nun einen fairen Wettbewerb und Übergang zum Verpackungsgesetz sicherstellen. Die Europäische LizenzierungsSysteme GmbH sieht diese Verträge als unnötig an.

Hintergrund der Initiative ist, dass die von den dualen Systemen an ihre Clearingstelle gemeldeten Lizenzmengen für Glas, Papier, Pappe und Karton sowie für Leichtverpackungen für das Jahr 2016 zum wiederholten Male – und deutlicher als bislang angenommen – unter den Zahlen der DIHK-Hinterlegungsstelle liegen würden. Die Differenz belaufe sich auf rund 210.000 Tonnen, so die Vorwürfe. Dies entspreche einem Schaden von bis zu 60 Millionen Euro. Damit soll sich bestätigt haben, dass einige Marktteilnehmer ihren Pflichten weiterhin nicht nachkommen oder gezielt Schlupflöcher nutzen. Einzelne Systembetreiber rechneten anscheinend ihre Marktanteile klein, um einen möglichst geringen Teil der Kosten für die Sammlung und Verwertung der Verpackungen tragen zu müssen. Sie würden beispielsweise duale Verpackungsmengen nicht an die Clearingstelle melden oder sie umdeklarieren. Trotzdem kassierten sie aber Lizenzentgelte von Herstellern oder Handelsunternehmen. Durch dieses Verhalten würden sie sich einen unzulässigen Kostenvorteil zulasten ehrlicher Wettbewerber und deren Kunden verschaffen.

„Erneut dreiste Tricksereien“

Dazu erklärte Michael Wiener, CEO des Grünen Punkts: „Wie die jüngst bekannt gewordenen Zahlen zeigen, haben die dreisten Tricksereien einzelner dualer Systeme im Jahr 2016 erneut stattgefunden. Sowohl die Appelle aus Wirtschaft und Politik als auch die Regelungen der Länder werden hier in unverantwortlicher Weise ignoriert. Offensichtlich wird von Einzelnen der Versuch unternommen, die Übergangsphase bis zum Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes am 1. Januar 2019 nochmals kräftig auszunutzen. Auf dieser Basis ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Clearingstelle der dualen Systeme nicht mehr möglich.“

Der Grüne Punkt, die BellandVision GmbH und die Interseroh Dienstleistungs GmbH, die gemeinsam einen Marktanteil von knapp 65 Prozent erzielen, haben aus diesem genannten Grund die aktuellen Verträge mit den Mitgliedern der Clearingstelle gekündigt und nach eigenen Angaben, gemeinsam neue sichere und effizientere Clearing-Verträge erarbeitet und gezeichnet. Die ordentliche Kündigung wird zum 31. Dezember 2017 wirksam. Die neuen Clearing-Verträge sollen ab 2018 einen fairen Wettbewerb ermöglichen und die notwendigen Übergänge regeln, bis das Verpackungsgesetz in Kraft tritt und die Zentrale Stelle ihre Arbeit aufnimmt. Auch sollen die Verträge sicherstellen, dass Verpackungen vollständig gemeldet und abgerechnet werden. „Wir dürfen nicht zulassen, dass einige Wenige das etablierte und auch international vorbildliche duale System beschädigen und auf Kosten der vielen seriösen Unternehmen, aber auch zulasten der Umwelt und der Verbraucher profitieren“, zeigt sich Wiener mit den Geschäftsführern der beiden anderen dualen Systeme einig.

„Kündigung zerstört Vertrauensgrundlage“

Die Europäische LizenzierungsSysteme GmbH wertet die Kündigung der Clearing-Verträge als „unnötig“. Geschäftsführer Sascha Schuh: „Der gleichzeitige Ausstieg der drei Systeme, die zusammen einen beherrschenden Marktanteil von rund 65 Prozent auf sich vereinen, erfolgt zur Unzeit und ohne Not und ist für uns nicht nachvollziehbar. Zum einen waren die Verhandlungen, die unter anderem Stabilisierungsmaßnahmen, eine Einbeziehung von Nichtverpackungen in die Clearingstellen-Meldungen sowie zukünftige Regelungen des Kick-Back-Verbotes (§ 7.6 Verpackungsgesetz) beinhalteten, auf einem guten Weg. Für die kommenden Wochen waren bereits weitere Verhandlungstermine eingeplant. Die vorzeitige Kündigung der laufenden Verhandlungen zerstört damit mutwillig die Vertrauensgrundlage unter den dualen Systemen.“

In den letzten Jahren wurde nach Auffassung der Europäischen LizenzierungsSysteme GmbH durch permanente Anpassungen der Clearingverträge eine deutliche Stabilisierung der Lizenzmengen erreicht. Weitere Stabilisierungsmaßnahmen seien in der Beratung gewesen und eine konsensuale Lösung bereits weit vorangeschritten. Insoweit lasse dieses Vorgehen den Schluss zu, dass die drei Systembetreiber mit ihren Kündigungen das Einstimmigkeitsprinzip der Clearing-Verträge umgehen wollen. Schuh: „Festzuhalten ist, dass sich derzeit sieben duale Systeme auf von allen Systembetreibern unterzeichnete und somit gültige Clearingverträge berufen können. Sollte sich an der jetzigen Situation nichts ändern, können BellandVision, DSD und Interseroh zum 1. Januar 2018 keine gültigen Clearing-Verträge vorweisen und somit weder am Mengen- noch am Nebenentgeltclearing teilnehmen. Ob für die kündigenden Systeme insoweit der Verlust der Feststellungen droht, die Grundlage für den Systembetrieb sind, wird sicherlich Gegenstand vieler Diskussionen in den nächsten Wochen sein.“

„Diese Entwicklung macht Sorgen“

In einer Stellungnahme bedauert der bvse, dass die dualen Systeme nicht in der Lage seien, bis zum Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes eine verlässliche Basis für Hersteller, Inverkehrbringer, Entsorgungs- und Recyclingunternehmen sowie letztlich für die Verbraucher zu schaffen.

„Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Es wäre fatal, wenn sie dazu führen würde, dass die Entsorgung von Verpackungsabfällen bei den privaten Haushalten nicht mehr gewährleistet werden könnte“, warnt bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. Dass die dualen Systeme offensichtlich keine konstruktive Lösung für den Lizenzmengenschwund finden, führe nicht nur zu einer großen Verunsicherung in der Branche, sondern auch in der Öffentlichkeit und zu einem Vertrauensverlust bei den politisch Verantwortlichen. „Wir fordern die dualen Systeme auf, in jedem Fall dafür Sorge zu tragen, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen den dualen Systemen und ihren Vertragsnehmern durch diese Entwicklung in keiner Weise beeinträchtigt werden. Das betrifft insbesondere die Bezahlung der Entsorgungs- und Recyclingunternehmen, aber auch sämtliche andere Pflichten, die sich beispielsweise aus der Ausschreibungsführerschaft ergeben“, macht Eric Rehbock deutlich.

Foto: Alba Group

(EU-Recycling 09/2017, Seite 6)

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