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„Mantelverordnung berücksichtigt wichtige Aspekte nicht“

Die Deutsche Bauindustrie und das Deutsche Baugewerbe stehen der Mantelverordnung in ihrer jetzigen Form skeptisch gegenüber. In einem Schreiben rufen die beiden Verbände die Ausschussmitglieder des Bundesrates dazu auf, den Entwurf der Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz in einigen Punkten zu korrigieren.

„Trotz zu begrüßender Fortschritte gegenüber dem Referentenentwurf sehen wir mit großer Sorge, dass der vorliegende Kabinettsbeschluss wichtige technische, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte für kosten- und umweltgerechtes Bauen nicht berücksichtigt“, erklärten Dipl.-Ing. Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, und Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe.

Allein die Tatsache, dass nach Ersatzbaustoffverordnung nur einem Teil der Ersatzbaustoffe der Produktstatus zuerkannt wird, könne zu einer Zunahme an Deponierungen führen. „Bereits die vom Bundesumweltministerium geschätzte Stoffstromverschiebung in Richtung Deponie von jährlich bis zu 13 Millionen Tonnen würde die derzeit vorhandenen Deponie-Restkapazitäten innerhalb der nächsten acht Jahre erschöpfen. Wir gehen jedoch von 50 Millionen Tonnen zusätzlich zu deponierender mineralischer Abfälle und einem Entsorgungsnotstand binnen vier bis fünf Jahren aus, da Ersatzbaustoffe ohne Produktstatus in der Praxis nicht zu vermarkten sein werden“, heißt es in dem Schreiben. Bei der sich bereits jetzt abzeichnenden Deponieverknappung bedeute dies einen akuten Entsorgungsnotstand binnen weniger Jahre, zunehmende Transportentfernungen bis ins benachbarte Ausland und entsprechend hohe Verkehrs- und Umweltbelastungen durch Schwertransporte. Kostenfaktoren wie Entsorgungswege, fehlende Entsorgungsmöglichkeiten und notwendige Mehrfachbeprobungen sowie nicht aufeinander abgestimmte Regelungen innerhalb der Mantelverordnung müssten ehrlich benannt werden.

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Skepsis gegenüber der Ersatzbaustoffverordnung wird auch beim anstehenden Baustoff-Recycling-Symposium herrschen, das die Bundesgütegemeinschaft Recycling-Baustoffe e.V. (BGRB) am 27. September in Potsdam veranstaltet. Im Vorwort des Programmflyers verweist Wolfgang Türlings, Vorsitzender der Bundesgütegemeinschaft, darauf, dass seit 33 Jahren Recyclingbaustoffe RAL-gütegesichert werden. Schätzungsweise 1,5 Milliarden Tonnen Recyclingbaustoffe seien in diesem Zeitraum überwiegend im Straßen- und Tiefbau eingesetzt worden. Doch: „Uns ist hierbei kein einziger Fall bekannt, wo der Einsatz von güteüberwachten Recyclingbaustoffen zu negativen Veränderungen von Böden oder Grundwasser geführt hat. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der derzeitige und zukünftige gesetzliche Rahmen für die Kreislaufwirtschaft Bau ausgewogen ist.“

Für gezielte Voruntersuchung plädiert

Denn im Gegensatz zu Primärbaustoffen würden Recyclingbaustoffe auf eine Fülle von Parametern mehr oder weniger umweltschädigender Inhaltsstoffe untersucht. Mit Ausnahme von Kontaminationen in bestimmten Bauwerken seien jedoch güteüberwachte Baumaterialien weitestgehend frei von Schwermetallen und anderen gefährlichen Substanzen. Die BGRB plädiert daher für eine gezielte Voruntersuchung der abzubrechenden Bauwerke, denn darauf basierend ließen sich die Abbruchmaßnahmen so lenken, dass die Erzeugung verwertungsoptimierter Stoffströme gesteigert werden kann. Türling: „Leider haben derlei Gedanken keinen Einzug in die derzeitigen und künftigen Regelwerke gehalten.“ Seit über zehn Jahren versuche sich der Gesetzgeber an einer bundeseinheitlichen Regelung für das Baustoffrecycling in Form einer Ersatzbaustoffverordnung (EBV). Ob deren Verabschiedung noch vor der Bundestagswahl gelingt, hänge von der Entscheidung des Bundesrats am 22. September 2017 ab.

Eine ganz andere Frage sei für Türling, ob die Ersatzbaustoffverordnung gelungen ist. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) habe unlängst mitgeteilt, dass die Grenzwerte nach Ersatzbaustoffverordnung nicht ihren eigenen Forschungsergebnissen in Einklang zu bringen seien, und postuliert, Recyclingbaustoffen den Status als Nebenprodukte zuzuerkennen. Entsprechend verlangt die BGRB den Produktstatus für sämtliche nach Ersatzbaustoffverordnung klassifizierte Ersatzbaustoffe, ein insgesamt transparentes Ableitungskonzept bezüglich der Schadstoffgrenzwerte sowie eine Verankerung von Bauherrenpflichten zur Schadstoffvoruntersuchung.

Ein wirklich tragfähiges Regelwerk verabschieden

In diesem Sinne fordern auch Hübner und Loewenstein mit Blick auf die Mantelverordnung: „Bei diesem wichtigen Thema darf es nicht um Schnelligkeit gehen. Wir sehen hier keinen zeitlichen Druck. Letztlich muss es darum gehen, ein wirklich tragfähiges Regelwerk zu verabschieden, das den Belangen von Boden- und Grundwasserschutz sowie der Abfallvermeidung und dem Ressourcenschutz ausgewogen und verhältnismäßig gerecht wird und dabei vermeidbaren Kostensteigerungen und Bürokratieaufwand entgegenwirkt.“

Der Bundesrat wird am 22. September 2017 die „Verordnung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung“ (BR-Drucksache 556/17) beraten oder beschließen.

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 09/2017, Seite 20)