bvse-Jahrestagung: Warten auf das Ergebnis der kartellrechtlichen Untersuchung

An der diesjährigen Jahrestagung des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. im September nahmen rund 300 mittelständische Unternehmer in Potsdam teil, um die neuesten Entwicklungen in den Haupt- und Mitgliederversammlungen der Fachverbände sowie den Ausschuss- und Gremiensitzungen zu diskutieren.

Dabei standen vor allem zwei Themen im Mittelpunkt: der ungebrochene Konzentrationsprozess in der Branche sowie die nach wie vor fortschreitende Kommunalisierung. Laut Verbandspräsident Bernhard Reiling gerät der Mittelstand in Deutschland immer stärker unter Druck. Das sei keine gute Entwicklung, „weil dadurch die Stabilität und ein wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor unseres Wirtschaftserfolges in Frage gestellt wird“, zitierte der Verband aus seiner Rede vor der – nicht öffentlichen – Mitgliederversammlung.

Begrüßt die vom Bundeskartellamt durchgeführte Sektoruntersuchung: Bernhard Reiling (Foto: bvse)

Die Konzentrationsspirale drehe sich in der Recycling- und Entsorgungsbranche immer schneller, unterstrich Reiling auch im Rahmen der öffentlichen Tagung des bvse. Fast jeden Monat werde ein kleines oder mittleres Unternehmen von einem Konzern übernommen. Der Verband begrüße daher die Sektoruntersuchung, die derzeit vom Kartellamt durchgeführt wird. „Wir sehen aber in der Praxis, dass fast jeder angemeldete Zusammenschluss letztlich genehmigt wird“, sagte der Verbandspräsident. Offensichtlich reiche das Instrumentarium nicht aus. Hier müsse etwas geschehen, damit der Mittelstand – und damit Deutschland – stark bleibe.

Wettbewerb in der Kreislaufwirtschaft

Diese Bedenken teilt auch die Monopolkommission in Bonn, wie Chef-Analyst Dr. Marc Bataille in seinem Vortrag zum Ausdruck brachte. Dabei betonte er, dass Wettbewerb Effizienz schafft, zumal gewinnorientierte Unternehmen sich anstrengten, höhere Qualität beziehungsweise niedrigere Preise als die Konkurrenten anzubieten. Wenn dieser Wettbewerb wirksam funktioniere, bedürfe es eigentlich keine Unternehmen der öffentlichen Hand. Allerdings sehe die Rechtsordnung in Deutschland (unter anderem das Kreislaufwirtschaftsgesetz [KrWG] und die Verpackungsverordnung [VerpackV]) eine geteilte Abfallverantwortung vor:

■ Verursacherprinzip bei gewerblichen Abfällen (§ 7 Abs. 2 KrWG),
■ kommunale Verantwortung bei Haushaltsabfällen (Überlassungspflicht nach §§ 17 Abs. 1 und 20 Abs. 1 KrWG),
■ Ausnahme bei Verpackungen, bei denen der Inverkehrbringer als Verursacher herangezogen wird (§ 6 Abs. 1 VerpackV) sowie
■ weitere Ausnahmen von der kommunalen Überlassungspflicht bei Wertstoffen, beispielsweise die gewerbliche Sammlung (§ 17 Abs. Nr. 3 und 4 KrWG).

Die „Art“ des Abfalls ist für die Zuordnung nicht entscheidend. Für Abfälle aus Privathaushalten sind die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zuständig, während für die Verpackungsentsorgung die Privatwirtschaft Verantwortung trägt und die gewerbliche Sammlung zum Zweck der Erzielung von Einnahmen durch private Entsorger durchgeführt wird.

Dr. Marc Bataille: Die Monopolkommission sieht zwei Probleme – die Ausweitung des kommunalen Engagements und die Marktkonzentration (Foto: bvse)

Wie Dr. Bataille betonte, verzerrt die kommunale Doppelfunktion Anreize: So trete die Kommune als Nachfrager und Anbieter von Leistungen auf, denn zum einen entscheide sie über Ausschreibungen und zum anderen erfolgten ihre erbrachten Leistungen ohne Wettbewerb (Inhouse-Vergaben sind zulässig). Dies sei ein Problem, denn Anreize zum Effizienzwettbewerb sind nach Ansicht des Referenten in solchen Betrieben weniger stark ausgeprägt. Als Vorteile kommunaler Eigenerbringung nannte er sowohl den direkten Einfluss auf die Leistungsspezifikation als auch eher moderate Gewinne.

Dies wirkt sich auch auf die Marktstruktur im Abfallbereich aus. In großen Städten dominierten kommunale Betriebe, während in kleineren Städten private Unternehmen tätig seien, referierte der Redner die Ergebnisse einer Studie. Erfolgreiche Ausschreibungen zeigten jedoch, dass die Leistungsspezifikation und Überwachung keine unüberwindbaren Hürden darstellten.

Im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsbeschränkungen durch Marktkonzentrationen stellte der Chef-Analyst der Monopolkommission fest, dass die Fusionskontrolle gemäß § 35 ff. GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) Konzentrationstendenzen unvollständig erfasst. Häufig seien sogenannte Bagatellmärkte betroffen, bei denen ein Zusammenschluss ohne wettbewerbliche Würdigung freigegeben wird, vor allem dann, wenn in dem jeweiligen Markt im vorangegangenen Kalenderjahr ein Umsatz von weniger als 15 Millionen Euro erreicht wurde. Um die in der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft bestehende Marktkonzentration zu bewerten, führe das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung durch. Weil eine Konzentration auch eine sogenannte „Verhaltensabstimmung“ erleichtern könne, würden voraussichtlich im Herbst entsprechende Fragebögen verschickt und Ausschreibungen auf solche Tendenzen untersucht.

In diesem Zusammenhang verwies Dr. Marc Bataille auch auf den Umstand, dass es – in Abhängigkeit von der Wettbewerbssituation – eine Verbindung von Rekommunalisierung und Marktkonzentration bei privaten Unternehmen zu geben scheint. Seinen Worten zufolge gäbe es bei Wettbewerbsverzerrungen verschiedene strukturelle Maßnahmen, um solche Entwicklungen zu korrigieren. Dazu gehörten das Erschweren der Inhouse-Vergabe, beispielsweise durch verpflichtende regulierte Ausschreibungen, an denen sich Kommunen beteiligen, sowie die Schaffung von Erlöstransparenz, wie die Monopolkommission 2014 vorgeschlagen habe.

In seinem Vortrag äußerte er sich auch zur Organisation der gewerblichen Sammlung, die seiner Auffassung nach in der Vergangenheit funktionierte. Nach der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sei die Tätigkeit gewerblicher Sammler erschwert worden, zumal kommunale Wertstoffsammlungen Vorrang hätten. Eine öffentliche Tätigkeit sei in diesem Bereich jedoch in der Regel nicht erforderlich, unterstrich Dr. Bataille den Standpunkt der Monopolkommission, denn sie diene oft allein der Erzielung von Einnahmen und nicht der Effizienzverbesserung. Zur Regulierung der gewerblichen Sammlungen habe die Monopolkommission 2014 vorgeschlagen, in jedem Bundesland eine zentrale unabhängige Stelle einzurichten und den Ordnungsrahmen für diesen Bereich langfristig so zu gestalten, dass Kommunen nur in klar abzugrenzenden Fällen wirtschaftlich tätig werden.

Kreislaufwirtschaft – Stand und Perspektiven

Dr. Thomas Rummler sieht enormes Potenzial für mehr Recycling von Abfällen, die in Industrie, Gewerbe und Privathaushalten anfallen (Foto: bvse)

Dr. Thomas Rummler, Ministerialdirigent im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, zeigte sich mit der Entwicklung der Kreislaufwirtschaft im Laufe der zurückliegenden vier Jahre (18. Legislaturperiode) zufrieden. Die Bilanz: Die Entwicklung der Recyclingquote ist von 13 Prozent im Jahr 1990 auf 67 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Etwa 15 Prozent des inländischen Rohstoffbedarfs würden durch Sekundärrohstoffe gedeckt, wodurch sich jährlich mehr als zehn Milliarden Euro für Rohstoffimporte einsparen ließen. Außerdem leiste die Kreislaufwirtschaft in Deutschland einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz.

Darüber hinaus sieht der Vertreter des Ministeriums aber noch ein enormes Potenzial für mehr Recycling von Abfällen, die im Gewerbe, der Industrie und den Privathaushalten anfallen. In diesem Zusammenhang nannte er unter anderem die Umsetzung und den Vollzug der neuen Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) und des Verpackungsgesetzes (VerpackG). Die Liste der Vorhaben für die 19. Legislaturperiode umfasst aber auch die Umsetzung der Abfallhierarchie (unter anderem Fortentwicklung des Abfallvermeidungsprogramms, Reduzierung von Lebensmittelabfällen, Recycling/Verwertung chemischer Abfälle aus der Industrie). Ferner geht Rummler davon aus, dass das EU-Kreislaufwirtschaftspaket, das in Brüssel beraten wird, in den kommenden Jahren auch in deutsches Recht umgesetzt wird. Last but not least sollen einzelne Stoffströme auf den Prüfstand gestellt werden, um zu ermitteln, ob eventuell Nachjustierungsbedarf besteht.

Eric Rehbock: Der Mittelstand wird von kommunalen und großen Unternehmen in die Zange genommen (Foto: bvse)

Internationaler Handel

Die Entwicklung der Auslandsmärkte war ebenfalls ein Thema während der bvse-Jahrestagung. Wie bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock am Rande der Tagung hervorhob, sind die Unternehmen der Sekundärrohstoffwirtschaft auf den internationalen Handel angewiesen. Nach Verbandsangaben beschäftigen die Branche vor allem die restriktiven Importbestimmungen für die Volksrepublik China und die Ankündigung des Landes, ab dem nächsten Jahr auf den Import von Sekundärrohstoffen verzichten zu wollen. „Es wäre falsch, wenn China die Tür endgültig zuschlägt. Ich kann aber verstehen, dass sie unseren Müll nicht haben wollen. Allerdings müssen Sekundärrohstoffe in vereinbarten Qualitäten auch in Zukunft exportiert werden können. Alle Industrienationen sind letztlich auf gute Handelsbeziehungen angewiesen“, so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Brigitte Weber

Foto: bvse

(EU-Recycling 11/2017, Seite 43)

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