Volatile Märkte – überbordende Bürokratie

Auch in der österreichischen Abfallwirtschaft ist die Globalisierung längst angekommen. Marktverflechtungen, instabile Rohstoffpreise, Internationalisierung und Zunahme von gefährlichen Abfallströmen lauten hier die Schlagworte. Und eine überbordende Bürokratie stellt die Branche vor weitere Herausforderungen.

Wie der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VÖEB) berichtet, drängen seit gut zwei Jahren immer mehr Abfallmengen aus Deutschland, Slowenien und Italien, aber auch aus der Schweiz oder Ungarn nach Österreich. Hauptgründe dafür seien die Abfallrahmenrichtlinie der EU, nationale Gesetzgebungen und hohe Steuern (zum Beispiel ALSAG für die Deponierung). Die Abfallimporte und das große heimische Mengenaufkommen resultierten in einer sehr guten Anlagenauslastung, vor allem im (Mit-)Verbrennungsbereich. Auch Lagerflächen würden immer knapper.

„Zwar führt die hohe Nachfrage tendenziell zu steigenden Preisen für die Entsorgung, doch die Entsorgungssicherheit ist in Österreich jedenfalls weiterhin gewährleistet“, erläutert VOEB-Präsident Hans Roth. Die Situation verschärfe sich jedoch zunehmend: „Oft geht es nicht um die Frage, um welchen Preis der Abfall abgeholt wird, sondern wo verfügbare Kapazitäten vorhanden sind.“ Dieser Trend werde noch mehrere Jahre andauern und hänge von den Entwicklungen beziehungsweise Investitionen im Ausland ab. „Dennoch ist es besser, ausländischen Abfall in österreichischen Hightech-Anlagen sicher und gemäß modernster Umweltstandards zu verwerten und zum Beispiel Energie zu erzeugen, als im Ausland in Deponien zu vergraben“, zeigt Roth die Vorteile der internationalen Müllströme auf. Denn Deponien tragen als großer Methangas-Erzeuger massiv zur Klimaerwärmung bei: „Luftschadstoffe machen vor keiner Landesgrenze halt. Derzeit werden noch immer rund 90 Millionen Tonnen Abfall in Europa deponiert. Für die Umsetzung des EU-Kreislaufwirtschaftspakets müssen die anderen Mitgliedstaaten Verbrennungsanlagen zur Energienutzung errichten. Auch die österreichischen Umwelttechnologieunternehmen können ihr Know-how im Ausland verkaufen.“

Welche neuen Schwierigkeiten drohen

Der Wertstoffmarkt hat sich aus Sicht des VOEB in den letzten Monaten in vielen Bereichen positiv entwickelt: „Vor allem im Bereich Papier und Karton, Schrott und Altmetalle können die Entsorgungsunternehmen wieder höhere Vergütungen an ihre Kunden auszahlen. Das Altholz hat sich auf niedrigem Niveau stabilisiert. Der Ausblick bleibt aufgrund der internationalen Marktverflechtungen, insbesondere im Hinblick auf China, und der hohen Abhängigkeit vom Preisniveau der Primärrohstoffe weiterhin volatil.“

Mit dem „National Sword“, einer möglichen Einfuhrbeschränkung von Abfall beziehungsweise als Wertstoff getarntem Abfall in das Land der aufgehenden Sonne und der neuen Verordnung für Altholz drohten die nächsten Schwierigkeiten: „Die Instabilität und Schnelligkeit der Preisveränderungen bereitet vielen Entsorgungsbetrieben große wirtschaftliche Schwierigkeiten. In manchen Bereichen erschweren bestehende Gesetze das Recycling und die dringend erforderliche Ausweitung der Kooperation zwischen Indus­trie und Entsorgungswirtschaft. Hier müssen neue Rahmenbedingungen geschaffen werden, denn gerade bei strategischen Rohstoffen liegen die Recyclingraten unter einem Prozent.“

Flexibles Handeln erforderlich

Die Zusammensetzung des Abfalls wird zunehmend kleinteiliger, komplexer und vor allem gefährlicher, zum Beispiel aufgrund von Lithium-Ionen-Batterien, ist VÖEB-Präsident Hans Roth überzeugt: „Fast wöchentlich kann man von Bränden bei Recyclingbetrieben und Unternehmen lesen. Aufgrund der hohen Energiedichte kann es bei Beschädigung, Überladung oder starker Erwärmung zu Kurzschlüssen und in Folge zum Brand kommen. Die richtige Abfalltrennung ist gerade im Fall von Batterien besonders wichtig. Batterien aller Art dürfen keinesfalls in der Restmülltonne landen, sondern müssen im Handel oder beim Abfallsammelzentrum abgegeben werden.“

Die höhere Komplexität und die steigende Gefährlichkeit der Abfallzusammensetzung erforderten hohe Investitionen in Brand- und Arbeitnehmerschutz und ließen nicht zuletzt auch Versicherungsbeiträge steigen. Zudem bedeuteten aufwändiger Bürokratismus, detaillierte Dokumentationspflichten und lange Genehmigungsverfahren steigenden Aufwand. Flexibles Handeln und schnelle Anpassungen, die aufgrund der volatilen Marktbedingungen erforderlich seien, könnten nur mühevoll umgesetzt werden. Um die verschiedenen Belastungen aufzufangen, müssten die Entsorger in allen Bereichen Spar- und Effizienzmaßnahmen treffen. Mehrkosten, die dadurch nicht kompensiert werden könnten, müssten an die Kunden weitergegeben werden.

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Hintergründe zur grenzüberschreitenden Abfallverbringung

Mit der Umsetzung der Deponieverordnung in Großbritannien (Abfälle dürfen nicht mehr deponiert werden beziehungsweise für die Deponierung sind hohe Deponiesteuern zu zahlen) bei gleichzeitigem Mangel an entsprechenden Aufbereitungs- und Verwertungsanlagen ist es für britische Entsorger nach wie vor günstiger, ihre Abfälle in Deutschland oder den Benelux-Ländern verbrennen zu lassen. Die britischen Mengen führen zu einer Vollauslastung der deutschen Anlagen, weshalb zahlreiche deutsche Entsorger ihre Abfallmengen nach Österreich exportieren. Ob und wie sich der Brexit auswirken wird, ist noch völlig unklar.

In Slowenien wurde die Deponieverordnung ebenfalls umgesetzt. Man hat zwar Abfallaufbereitungsanlagen errichtet; allerdings gibt es im Land selbst keine Verbrennungskapazitäten, in denen der produzierte Ersatzbrennstoff eingesetzt werden könnte. In Italien ist die Verwendung von Ersatzbrennstoffen verboten. Gleichzeitig exportiert Österreich Abfall, zum Beispiel nach Italien, in die Slowakei, nach Ungarn oder Deutschland. Jeder Import und Export von bestimmten Abfallarten muss vom Ministerium separat genehmigt werden.

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Foto: VOEB

(EU-Recycling 11/2017, Seite 22)