Ziel: Die nachhaltige Nutzung von Alttextilien als Rohstoffquelle

Die Gemeinschaft für textile Zukunft, ein Zusammenschluss von deutschen Sammel-, Sortier- und Verwertungsbetrieben, veranstaltete im November in Berlin die Fachtagung „Alttextilien – Rohstoffe von morgen!“.

In Deutschland werden jährlich rund eine Million Tonnen Altkleider beziehungsweise Alttextilien aussortiert und in eine entsprechende Sammlung gegeben. Etwa die Hälfte dieser Menge besteht aus tragfähiger Kleidung, die beispielsweise in Osteuropa, Afrika und anderen Regionen vermarktet wird. Von den nicht wieder verwendbaren Textilien werden ungefähr 20 Prozent zu Putzlappen verarbeitet. Die Recyclingquote beträgt den Angaben zufolge 15 Prozent.

Laut Axel Buchholz, Geschäftsführer der SOEX Textil-Vermarktungsgesellschaft, steigt seit einiger Zeit die Anzahl an Artikeln, die nicht ohne weiteres als Produkt wieder genutzt werden können. Der Grund liegt unter anderem in der niedrigen Qualität der Gebrauchttextilien, nach denen eine geringe Nachfrage besteht. Ihr Anteil wird mit 60 Prozent angegeben – Tendenz steigend. Gleichzeitig nimmt auch die Menge an nicht verwertbaren Alttextilien zu; sie hat nach den Angaben 35 Prozent des Aufkommens erreicht. Da die Textilien oft aus einem Materialmix bestehen, lassen sie sich nur begrenzt verwerten.

„Recycling neu denken“

Wenn es nach Prof. Dr. jur. Helmut Maurer von der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission ginge, würden mehr Alttextilien als bisher der Wiederverwendung zugeführt, wie es die Abfallhierarchie vorsieht. Wie er in diesem Zusammenhang feststellte, tauchen Alttextilien in der europäischen Abfallrahmenrichtlinie nicht auf.

Foto: SOEX

Die Kreislaufwirtschaft soll sich sowohl auf Produkte als auch auf Abfall konzentrieren, betonte der Redner. Heutige Produkte dienten der Abfallerzeugung und kultivierten merkantilistische Methoden billiger Produktion bei hohem Absatz. Abfall sei ein Indiz für das Versagen auf der Design-Ebene. Die Prioritäten einer Kreislaufwirtschaft seien die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen durch Mindestqualitätsstandards für Produkte, ein Design zur Erreichung von Haltbarkeit, Modularität und Schadstofffreiheit, einheitliche und flächendeckend durchgesetzte Standards der getrennten Sammlung für mehr Recycling, die Internalisierung externer Kosten wie auch die Besteuerung von Material anstelle von Arbeit.

In seinem leidenschaftlichen Vortrag unterstrich Helmut Maurer, dass Recycling neu definiert werden sollte. Es rechtfertige keine Verschwendung. Die Metapher „Kreislaufwirtschaft“ habe sich auf Abfallvermeidung zu konzentrieren. Als recycelt sollte nur gelten, was primäre Rohmaterialien ersetze. In diesem Zusammenhang bewertete er es als eine „gute Nachricht“, dass nach dem Wunsch des Europäischen Parlaments die Pflicht zur Getrenntsammlung von Alttextilien – wo praktikabel und angemessen – statuiert werden soll.

Angesichts der Prognose, dass der Kleiderkonsum bis zum Jahr 2030 um 63 Prozent steigen soll, nannte der Referent Beispiele für Initiativen, die schon heute die Nutzungsdauer von Textilien verlängern. So verdreifache die deutsche Firma Brainshirt die Lebenszeit von Baumwollhemden, die auch repariert werden. Die britische Firma Worn Again und das amerikanische Unternehmen Evrnu betätigen sich im werkstofflichen Recycling.

Produktverantwortung in Frankreich

In Frankreich wurde 2009 die französische Non-Profit-Gesellschaft ECO-TLC als Antwort auf die Produktverantwortung für Kleidung, Leinen (wie Bettwäsche) und Schuhe gegründet, informierte Alain Claudot, Generaldirektor der Organisation. In Frankreich werden jährlich 600.000 Tonnen Textilien, Leinen und Schuhe (9,2 Kilogramm pro Kopf) vermarktet. 35 Prozent (210.000 Tonnen oder 3,2 Kilogramm pro Kopf) werden als ausrangierte Kleidung, Bettwäsche und Schuhe über 42.000 Sammelstellen erfasst. ECO-TLC ist von den Behörden anerkannt und wird von einem Konsortium von Herstellern sowie Einzelhändlern geleitet und getragen. Die Gesellschaft hat unter anderem die Aufgabe, Innovationen im Hinblick auf Sortierungs- und Recyclinglösungen zu unterstützen. Wie die Konferenzteilnehmer erfuhren, hat ECO-TLC in den zurückliegenden zehn Jahren 28 Projekte in vier Bereichen mit drei Millionen Euro unterstützt. Dabei geht es um das Öko-Design neuer Produkte, das Schließen des Kreislaufs für Kleidung und Schuhe, die Nutzung von Fasern für die Vliesproduktion (open-loop Recycling) sowie die Verbesserung von technischen Prozessen im Hinblick auf die Materialseparierung, Behandlung und Transformation. Laut Alain Claudot ist die französische Organisation daran interessiert, weitere neue Projekte finanziell zu unterstützen. Es könnten auch Firmen aus anderen Ländern teilnehmen, sofern sich mehrere Partner aus der Wertschöpfungskette an einem Projekt beteiligen.

Recyclingmethoden

Einen Überblick über die gängigen Recyclingverfahren für Alttextilien erhielten die Anwesenden von Pailak Mzikian von der Firma SOEX. Nach den Schritten „Sortieren nach Materialien“ sowie „Säubern und für das Recycling präparieren“ werden im Recyclingwerk des Unternehmens jährlich 11.000 Tonnen in der Reisserei verarbeitet. In dem Wolfener Werk werden aus den Fasern Dämmmaterialien für die Automobilindustrie, Malervliese und Isolationsstoffe für die Hausdämmung erzeugt. Der Betrieb verarbeitet den dabei anfallenden textilen Staub zu Briketts (825 Tonnen im Jahr), der ebenfalls Abnehmer findet. Diese bewährte Technik ist allerdings nicht für alle Textilien geeignet; außerdem gibt es Grenzen bei der Faserlänge.

Foto: SOEX

Eine weitere Methode ist das Closed Loop Recycling, bei dem unter anderem alte Jeans zu Denim-Baumwolle verarbeitet werden, um daraus wieder neue „Reborn Denim“-Produkte herzustellen. Das Unternehmen setzte im Jahr 2016 rund 2.000 Tonnen dieser Fasern ab. Darüber hinaus wird recycelte Baumwolle zu einem Anteil von 50 Prozent auch in Papier-Tragetaschen verwendet, die eine große Modekette an ihre Kunden abgibt.

SOEX ist darüber hinaus auch an dem europäischen Forschungsprojekt „Resyntex“ beteiligt, an dem 20 Partner (Industrieverbände, Unternehmen und Forschungsinstitute) aus zehn europäischen Ländern teilnehmen und das von der EU mit neun Millionen Euro gefördert wird. Den Angaben zufolge hat dieses Projekt das Ziel, eine „neue Kreislaufwirtschaft“ durch „Symbiose“ von Textil- und Chemischer Industrie zu realisieren, indem textile Abfälle durch chemisches Recycling in ihre Grundbausteine zurückgeführt werden. 2018 soll eine Pilotanlage mit einer Kapazität von 500 Jahrestonnen entstehen. Die Entwicklung von Endprodukten ist ebenfalls ein Ziel des „Resyntex“-Projekts.

Für das Jahr 2018 ist im SOEX-Werk in Wolfen auch der Bau einer Material-Sortierungsanlage geplant. Unter Einsatz von NIR-Technologien soll die Anlage zwischen reinen Materialien (zum Beispiel Schurwolle) und Mischmaterialien (wie Wolle mit Polyacryl) unterscheiden, die prozentuale Zusammensetzung von Mischmaterialien angeben und Farben erkennen können.

Dr. Christian Weilach von der österreichischen Lenzing-Gruppe informierte über die Recyclingaktivitäten des Herstellers von Cellulosefasern. Rohstoffe für die „Refibra“-Fasern aus dem Hause Lenzing sind Baumwollstoffreste, die beim Zuschnitt entstehen, und Holz. Die Fasern werden im gleichen Produktionsprozess hergestellt wie die Fasern der Marke „Tencel“, der mit dem Europäischen Umweltpreis aufgrund der besonders niedrigen Emissionen ausgezeichnet wurde. Wie der Redner hervorhob, verfügen die „Refibra“-Fasern über die gleichen Eigenschaften wie die „Tencel“-Fasern, sind nach dem „Recycled Claim Standard (RCS)“ zertifiziert und können bis zum Kleidungsstück nachverfolgt werden.

Probleme müssen gelöst werden

Nachdem Anne-Kathrin Göbel, Referentin CSR (Corporate Social Responsibility) im Handelsverband Deutschland e. V., über das Engagement von Handel und Textilherstellern im Hinblick auf das Textilrecycling berichtet hatte, fand die abschließende Podiumsdiskussion, moderiert von Stephan Krafzik, statt. Die Teilnehmer diskutierten Ansätze, durch die sich Potenziale zur Stärkung des Alttextilrecyclings bieten. Es wird ein großer Investitionsbedarf gesehen, um Recyclingstrukturen nachhaltig zu etablieren und Absatzwege zu erschließen. Auch eine freiwillige Quote über den Einsatz von Recyclingmaterial in textilen Erzeugnissen war ein Thema.

Thomas Buch vom Umweltministerium Nordrhein-Westfalen kündigte an, dass sein Ministerium sich an der Entwicklung eines Leitfadens zum ordnungsgemäßen Umgang mit Alttextilien beteiligen wolle. Dadurch solle eine hochwertigere Verwertung gefördert werden.

Nach Ansicht der Gemeinschaft für textile Zukunft zeigten die Gespräche, dass Alttextilien als Wertstoffstrom eine besondere Bedeutung haben und gleichzeitig die Entwicklung von hochwertigen Recyclingverfahren intensiviert werden müssten. Hierbei solle der Rohstoff Alttextil Primärmaterial bei der Herstellung neuer Textilerzeugnisse ersetzen. Wichtig sei, dass die Hauptprobleme gelöst werden, die heute ein Hemmnis für eine hochwertige stoffliche Verwertung darstellten. Diese lägen in der Materialvielfalt der einzelnen Textilien sowie in der fehlenden Wirtschaftlichkeit hochwertiger Recyclingprozesse begründet.

„Die Nutzung von Alttextilien als neuer Rohstoff ist vor allem eine Herausforderung und eine besondere Verantwortung für die Textilindustrie“, so die Organisation. „Vor diesem Hintergrund wird die Gemeinschaft für textile Zukunft ihre inhaltliche Arbeit weiter in besonderem Maß an die Textilhersteller richten und sich für verbesserte politische Rahmenbedingungen einsetzen.“

Brigitte Weber

Foto: TEXAID Schweiz

(EU-Recycling 01/2018, Seite 6)

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