„Noch ist die Sharing Economy allemal blassgrün“

Forscher berechnen Ökobilanz: Wenn Privatleute Autos, Gebrauchsgegenstände oder Wohnungen miteinander teilen, entlastet das die Umwelt nur minimal. Damit die Ökonomie des Teilens relevant zu einer grünen Ökonomie beiträgt, müssen die Angebote einen nachhaltigeren „substitutiven“ Konsumstil fördern.

Bereits 110 Onlineplattformen ermöglichen es Privatpersonen, über das Internet Dinge miteinander zu teilen – von Autos über Wohnungen und Gebrauchsgegenständen bis hin zu Kleidung. „Teilen statt besitzen“ ist nicht nur praktisch, sondern beruhigt auch das Öko-Gewissen. Aber wie nachhaltig ist dieses sogenannte Peer-to-Peer-Sharing wirklich?

Nicht automatisch ökologisch – aber großes Potenzial

Erstmals gibt hierzu eine Ökobilanz Aufschluss. Die Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Kooperation mit dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) sowie dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) zeigt, dass solche Konsumpraktiken zwar einen positiven Umwelteffekt haben, dieser allerdings gering ist. Die Forscher empfehlen, die Sharing-Angebote auf einen nachhaltige „substitutiven“ Konsumstil auszurichten, um zu einer grünen Ökonomie beizutragen. Die Studie wurde am 30. November 2017 auf der Tagung „Mit Sharing nachhaltiger wirtschaften?“ des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts PeerSharing in Berlin vorgestellt und mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutiert. Die Forscher haben untersucht, welche Umwelteffekte die Nutzung von Peer-to-Peer-Sharing-Angeboten im Vergleich zu einer Situation ohne solche Angebote haben kann. Sie berechneten die Ökobilanzen in den Bereichen Bekleidung, Alltagsmobilität und Reiseunterkunft. „Zwar geben sich manche Anbieter einen grünen Anstrich, doch zeigen unsere Berechnungsergebnisse, dass Sharing keinesfalls automatisch ökologisch sinnvoll ist“, konstatiert Studienautorin Sabrina Ludmann vom IFEU. „Wenn Sharing den Konsum insgesamt erhöht oder ihn hin zu nachteiligem Konsum wie etwa Flugreisen verschiebt, bleiben die Nachhaltigkeitspotenziale auf der Strecke.“

Dennoch gibt es ein großes Potenzial, durch das Sharing die Umwelt schonen kann. Und zwar in allen untersuchten Bereichen. Es kommt dann zum Tragen, wenn Sharing dazu führt, dass sich die Konsumkultur wandelt – etwa, wenn insgesamt weniger Kleidung neu gekauft oder durch die neuen Möglichkeiten, mobil zu sein, eigene Autos abgeschafft oder weniger neue angeschafft werden. Beim Apartment-Sharing gibt es einen Umweltnutzen nur, wenn alltäglich genutzter Wohnraum vermietet und so intensiver genutzt wird, und nicht, wenn dafür eigens Ferienwohnungen eingerichtet werden. Zukunftsforscher Siegfried Behrendt vom IZT stellte vor, wie sich die Sharing Economy in der Zukunft entwickeln könnte und unter welchen Bedingungen die Potenziale für nachhaltiges Wirtschaften erschlossen werden können. Während ein Trend­szenario im Sinne eines Weiter-wie-bisher kaum zu einem nachhaltigen Wirtschaften beitragen würde, wäre in einem „Transformationsszenario“ eine nachhaltige Ökonomie des Teilens vorstellbar. Hierfür bräuchte es einen angemessenen Regulationsrahmen, der fördert, dass Plattformanbieter Nachhaltigkeitsanforderungen in ihre Geschäftsmodelle integrieren. Wenn dies passiert, könnte die Sharing Economy dazu beitragen, die Konsumkultur insgesamt stärker in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten.

Dass Sharing in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird, sei sehr wahrscheinlich, prophezeit Behrendt. Doch er weist auch darauf hin, dass alles ganz anders kommen könnte: „Vielleicht sorgen etwa die Blockchain-Technologie oder die Möglichkeit des autonomen Fahrens dafür, dass die großen Sharing-Anbieter, die heute en vogue sind, so schnell wieder verschwinden werden, wie sie einst aufgestiegen sind.“

Das Umdenken wird sich fortsetzen

Auf der Fachveranstaltung „Sekundärrohstoffe: Vom Reststoff zum Rohstoff“ am 27. Oktober 2017 in der IHK Akademie München gab es auch einen Vortrag zum Thema „Verwertung von Sekundärrohrstoffen – Ansätze der Share Economy im B2B-Bereich“. Referent war Prof. Dr. David Rygl vom Steinbeis-SIBE Institut Nürnberg. Das Institut untersuchte in einer Studie die Entwicklung der Ökonomie des Teilens.

Registriert wird ein Umdenken in der Gesellschaft, das sich voraussichtlich fortsetzen wird. So wird es wichtiger, bestimmte Dinge nicht mehr zu besitzen, sondern die Nutzungsrechte von bestimmten Objekten zu haben. Dabei stellen sich Fragen unter anderem zur Ressourceneigenschaft: Geht es um eine intensivere Nutzung bestimmter Dinge durch eine bessere Auslastung oder um eine verlängerte Nutzung durch Weitergabe des Objekts? Erfolgt bei dieser Nutzung auch ein Eigentumsübergang vom Anbieter zum Nutzer? Ist das Teilen auf eine Gegenleistung ausgerichtet? Ist dieser Nutzungsmodus simultan, das heißt, teilt man sich etwas und nutzt es gleichzeitig, oder gibt es einen sequentiellen Prozess, im dem bestimmte Aktionen nacheinander zum Zuge kommen?

Die Studie stellt folgende Nutzungsformen fest:

■ Verlängerte Nutzung von Ressourcen: Verschenken, Tauschen, Weiterverkaufen mit keiner nicht-monetären und monetären Gegenleistung und sequentiellem Nutzungsmodus. Das Eigentum wird in jedem Fall übertragen.
■ Intensivere Nutzung von Ressourcen: Co-Using – monetär, nicht-monetär, Verleihen (monetär), Vermieten (monetär). Das Eigentum wird nicht übertragen. Der Nutzungsmodus ist bei Co-Using sequentiell/simultan und beim Verleihen und Vermieten sequentiell.
■ Konsumtive Nutzung von Ressourcen: Verbrauch (ohne Gegenleistung) und Verwertung (monetäre Gegenleistung). Das Eigentum wird übertragen. Der Nutzungsmodus ist sequentiell.

David Rygl: „Es kann darum gehen, dass jemand etwas besitzt, das er nicht die ganze Zeit nutzt, und dann jemanden sucht, der den Nutzen des Objektes übernimmt – für eine bessere und verlängerte Auslastung. Man kann dabei sowohl Anbieter als auch Nutzer sein. Es geht um eine schnelle Koordination von Angebot und Nachfrage. Zum Beispiel: Ich habe in der Stadt eine Garage, die ich jemanden überlassen kann in der Zeit, wo ich mit meinem Auto in der Arbeit bin.“ Mobilitätslösungen sind ein starker Teilbereich der Share Economy: „Wie komme ich von A nach B, ohne dass ich ein eigenes Fahrzeug besitzen muss oder auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen bin? Solche grundsätzlichen Formen der Share Economy setzen sich dann in gewerblichen Formen fort.“

Ansätze einer B2B-Share Economy

Laut der Studie gibt es vor allem in den Bereichen Logistik, Warendienstleistung und allgemeiner Mobilität Ansätze einer Business-to-Business-Share Economy. „Aber es finden sich nur selten Formen des Tauschens oder Verschenkens“, erklärte Rygl auf der Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern. Warum? „Weil Unternehmen immer noch gewinnorientiert und gewinnstrebend agieren.“ Kostenreduktion sei ebenso maßgeblich: „So ist zum Beispiel die Entsorgung von Abfällen mit Kosten verbunden.“ Merkmale der B2B-Share Economy: Die Nutzung von Ressourcen erfolgt gemeinsam ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Unternehmen, was an sich nichts Neues ist. So nutzen zum Beispiel Unternehmen in Technologie- und Gründerzentren eine gemeinsame Infrastruktur. Neu ist vielmehr, dass aufgrund neuer Technologien (Internet) eine schnelle und bessere Koordination von Angebot und Nachfrage erfolgt. Durch die Variabilisierung der Kosten und die damit verbundenen möglichen Einsparpotenziale ist der Studie zufolge eine Zunahme dieser Sharing-Konzepte zu erwarten.

B2B-Share Economy unterscheidet sich zum Customer-to-Customer- und Business-to-Customer-Bereich durch zwei wesentliche Merkmale: Im B2B-Bereich werden neben klassischen Gebrauchsgütern auch Austauschbeziehungen von Gebrauchsgütern betrachtet (konsumtive Nutzung). Unternehmen agieren mit ihren Wirtschaftsaktivitäten stets gewinnorientiert. „Während die Gewinnorientierung im B2C-Bereich bereits auf Seiten der auftretenden Anbieter als inhärent zu betrachten ist, kann diese im B2B-Bereich auch als Möglichkeit der Kostenreduktion, beispielsweise durch die Einsparung von Energie- oder Entsorgungskosten, unter anderem definiert werden“, fasste David Rygl zusammen.

Foto: Marc Szombathy

(EU-Recycling 01/2018, Seite 28)

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