- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Wie lassen sich Klärschlammpyrolyse und Phosphorrecycling verbinden?

Seit einigen Jahren läuft eine rege Diskussion über thermische Klärschlammnutzung und Phosphorrecycling. Doch sei es auffällig, meinte das Steinbeis-Transferzentrum Ressourcen-Technologie und Management, dass die Pyrolyse von Klärschlamm insbesondere in kleineren und mittleren Klärwerken sinnvoll ist, aber in der Debatte kaum eine Rolle spielt.

Das Transferzentrum lud darum am 4. und 5. Oktober 2016 nach Halle (Saale) zu einer Forumsveranstaltung mit dem Titel „Thermolyphos“ ein, die die Kombinationsmöglichkeiten von Klärschlammpyrolyse durch Phosphorrecycling beleuchtete. Wie Referent Martin Seitz von der Hochschule Merseburg eingangs erklärte, seien thermolytische Verfahren bislang zu wenig beachtet worden bei der Rückgewinnung von Phosphor aus wässrigen Phasen oder Verbrennungs- oder Vergasungsrückständen von Klärschlamm.

Sein Vortrag stellte zunächst die Vorteile der hydrothermalen Carbonisierung bei der Trennung von Feststoffen und Flüssigkeit gegenüber der Zentrifugen-Entwässerung heraus. Schilderte anschließend, wie bei der Thermolyse beziehungsweise Pyrolyse die flüchtigen Bestandteile der Einsatzstoffe entgasen und der bloße Klär- oder Faulschlamm für die thermische Verwertung getrocknet wird. Und machte deutlich, wie bei der Vergasung oder Reformierung Synthesegas entsteht, das stofflich beispielweise zur Methanol-Synthese oder als Brenngas in Blockheizkraftwerken Verwendung findet.

Phosphat- und Energie-Rückgewinnung?

[1]

Anzeige

Bei den Verfahren zur Phosphatrückgewinnung werden verschiedene Behandlungszustände des Materials unterschieden. Bei der Abtrennung aus der wässrigen Phase erfolgt zunächst eine biologische Phosphat-Eliminierung, um später Fällung, Adsorption oder Kristallisation von Magnesium-, Calcium- oder Eisenphosphat zu erreichen. Auch bei der Abtrennung aus der Schlammphase kommen biologisch-chemische Rücklöse-, aber auch thermolytische Verfahren zum Einsatz. Bei der Abtrennung von Phosphat aus Asche werden direkte Verwendung, nasschemische Ansätze und thermochemische beziehungsweise thermoelektrische Vorgehensweisen unterschieden. Nachdrücklich wies Martin Seitz auf die Bedeutung von Verfahren zur Phosphat-Rückgewinnung aus Carbonisierungs- oder Pyrolyse-Koksen hin: In diesem Zusammenhang nannte er die hydrothermale Carbonisierung (HTC), die Entfrachtung von Koks nach der Pyrolyse und die SWOT-Analyse.

Die thermische Monoverbrennung, führte Dr. Stephan Mey (Kopf SynGas GmbH & Co. KG, Tübingen) aus, durchläuft stets den gleichen Ablauf: Trocknung, Pyrolyse, Vergasung und Verbrennung. Dabei sei eine Vergasung wie das Kopf SynGas-Verfahren die effizienteste Methode zur Energiegewinnung: Eine jährliche Menge von 16.000 Tonnen Pressschlamm lässt sich damit um über 90 Prozent reduzieren; gleichzeitig könnten je nach Heizwert zwischen 3.300 und 4.000 Megawattstunden Energie erzeugt werden. Zur Verarbeitung dieser jährlichen Klärschlammmenge sind Anlageninvestitionen von 9,5 Millionen Euro notwendig; die Rendite für 20 Prozent Eigenanteil soll bei 22,5 Prozent liegen. Das erwähnte Verfahren ist laut Stephan Mey ab jährlich 3.000 Tonnen Trockenschlamm wirtschaftlich einsetzbar; für Klärwerke mit geringerem Durchsatz empfiehlt er ein Wärmemodul im Container-Design, das Mengen ab 700 Tonnen Trockenschlamm pro Jahr wirtschaftlich rentabel verarbeitet.

ExtraPhos-, AirPrex- und P-RoC-Verfahren

Der Vorstellung des Ereka Bio-Reaktors zur Klärschlammpyrolyse durch Philipp Hagemann und Dr. Lutz Kebelmann (M.E.E. GmbH, Schwerin) schloss sich der Vortrag von Peter Leinweber (Universität Rostock) über die Verarbeitung von Schlachtknochen an: Durch Pyrolyse hergestellte Knochenkohle eignet sich aufgrund ihrer Phosphat-Konzentrationen für die bedarfsgerechte Versorgung von Pflanzen und beeinflusst aufgrund seiner Porosität die Wasserretention von Böden. Anschließend erläuterte Eva Opitz (Chemische Frabrik Budenheim KG, Budenheim) Wirkungsweise, Entwicklungsstand sowie Wirtschaftlichkeit des Budenheim ExtraPhos-Verfahrens und klärte über die Eigenschaften des damit gewonnenen Recyclingdüngers auf: Durch die Kontrolle des pH-Wertes ist die Fällung von Dicalciumphosphat sichergestellt; organische Schadstoffe verbleiben in der festen Klärschlammmasse.

Ein anderes Produkt mit Wertstoffpotenzial lässt sich durch das AirPrex-Verfahren gewinnen: Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP: Struvit). Bernhard Ortwein (CNP-Technology Water and Biosolids GmbH, Hamburg) stellte die Vorteile von AirPrex gegenüber bisherigen Verfahren dar und erläuterte anhand mehrerer Praxisbeispiele, wie durch gezielte Phosphatsenke in Kläranlagen das Entwässerungsverhalten des Faulschlammes verbessert und ein als Düngemittel einsetzbares Produkt erzielt werden kann. Thematisch treffend schloss sich der Bericht von Rainer Schuhmann und Anke Ehbrecht (Karlsruher Institut für Technologie/Kompetenzzentrum für Materialfeuchte) über das P-RoC-Verfahren an: Der Vorteil dieses Verfahrens zur „Phosphorus Recovery by Crystallization“ liegt in der Reduzierung der Rückbelastung von Kläranlagen, da das rückgelöste Phosphat aus der Faulung über das Schlammwasser wieder dem Zulauf der Kläranlage zugeführt wird und somit nur eine interne Phosphor-Belastung besteht. Allerdings liegen die Rückgewinnungsquoten unter 25 Prozent.

Über 2.000 Jahre alt: Schwarzerde Terra Preta

Einen völlig anderen Blickwinkel auf das Thema Bioabfälle eröffnete der Beitrag von Prof. Dr. Bruno Glaser (Universität Halle-Wittenberg) über Terra Preta, eine von den Ureinwohnern Amazoniens geschaffene Siedlungsbodenart. Diese über 2.000 Jahre alte Schwarzerde entstand durch Mischung von konzentrierten Bioabfällen wie Küchenabfällen, Knochen und Fäkalien mit Pflanzenkohle: Der nährstoff- und humusreiche Boden ließ inmitten einer verwitterten und unfruchtbaren Landschaft landwirtschaftliche Nutzung zu. Allerdings – so Glaser – empfiehlt sich das Terra Preta-Konzept aus finanziellen Gründen nicht für großflächige agrarische Anwendungen. Dass die Herstellung von Terra Preta unter Nutzung von Klärschlämmen im Kleinen hygienisch unbedenklich, ökologisch vorteilhaft und wirtschaftlich machbar ist, bestätigte auch der Bericht einer Forschergruppe unter Leitung der Tilia GmbH (Leipzig) über anthropogene Schwarzerde. Ihr Urteil: „Das Endprodukt eignet sich für den Einsatz in der Landwirtschaft, in der Pflanzenproduktion und im Gartenbau. Es enthält scheinbar eine ausreichende Nährstoffkonzentration und hat keine phytotoxische Wirkung.“

Markus Klätte, der zusammen mit Uwe Sauermann den Dokumentationsband zur Forumsveranstaltung herausgibt, fasste die Ergebnisse der Thermolyphos-Veranstaltung folgendermaßen zusammen: „Der Hauptvorteil der Pyrolyse gegenüber der Verbrennung von Klärschlamm ist schnell genannt: Während die Verbrennung von Klärschlamm große zentrale Anlagen benötigt, ist mit der Klärschlammpyrolyse auch bei kleineren Kläranlagen eine Volumen- und Gewichtsreduzierung möglich, die Entsorgungskosten substanziell verringert. Die Frage ist, wie die neuen Rahmenbedingungen der Klärschlammentsorgung, insbesondere das von der Politik geforderte Recycling von Phosphor, die Möglichkeiten der Klärschlammpyrolyse beeinflussen.“

Der Band „Thermolyphos“ mit einer Auswahl von Tagungsvorträgen kann sowohl als E-Book (ISBN 978-3-95663-147-4) oder auch als Printausgabe (ISBN 978-3-95663-070-5) bestellt werden unter: http://bit.ly/2wpq3Vq [2]

Foto: pixabay

(EU-Recycling 01/2018, Seite 46)