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Chinesischer Importstopp – Risiken und Chancen für die Kreislaufwirtschaft

Jahrelang war China der weltweit größte Abfallimporteur. Doch damit ist seit Jahresbeginn 2018 weitgehend Schluss. Die chinesische Regierung verhängte einen Importstopp für 24 Abfallarten – inklusive Papier- und Kunststoffabfällen sowie Textilien und metallischen Schlacken –, der schon Wirkung zeigt. So sind nach Marktberichten Anfang Januar die Kunststoffimporte aus Deutschland (vor allem Polyethylen-Folien und PET) bereits um zwei Drittel zurückgegangen.

2016 kaufte China noch von den USA, Japan und aus Europa für insgesamt 3,7 Milliarden US-Dollar rund 7,3 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle, meldete der „Europaticker“. Gegenwärtig scheint es keine vernünftige Alternative zu geben, Stoffströme, die bisher von Europa nach China exportiert wurden, auf andere Exportmärkte umzulenken. Ab 2019 will die Volksrepublik gar keine Abfälle mehr aus dem Ausland annehmen. Industrie, Handel und Politik werden zum Umdenken aufgefordert. Was Branchenexperten meinen und wie alte und neu zu erwartende Probleme gelöst werden können:

Michael Wiener, CEO des Grünen Punkts, sieht den Importstopp als Chance für die Kreislaufwirtschaft in Deutschland und Europa, Rohstoffe im eigenen Land zu halten und dort stofflich zu verwerten. Gerade bei geringen Qualitäten werde das Angebot wachsen, ist Wiener überzeugt. Hinzu kämen die steigenden Verwertungsanforderungen durch das Verpackungsgesetz. Die Menge an recycelten Kunststoffverpackungsabfällen könnte sich in wenigen Jahren verdoppeln: „Das macht Investitionen in Sortier- und Verwertungstechnik, aber auch in die Entwicklung von Absatzmärkten für recycelte Kunststoffe nötig.“ Wiener appelliert in diesem Zusammenhang an die Wirtschaft und Politik, sich gemeinsam dafür einzusetzen, dass Rezyklate mehr Verwendung in der Industrie finden, als das bislang bekanntlich der Fall ist. Noch immer werden Kunststoffverpackungen überwiegend aus neuen Kunststoffen hergestellt.

Von einer schwarzen zu einer roten Null

Der bvse befürchtet weitreichende Konsequenzen und fordert eine Trendumkehr. Wie Vizepräsident Herbert Snell erklärt, driftet der Markt für Kunststoffabfälle von einer schwarzen zu einer roten Null ab. Der Verband registriert bereits Zuzahlungen an die Kunststoffrecycler. Snell: „Früher haben Kunststoffrecycler für eine Tonne Folie 70 bis 120 Euro bezahlt, aktuell sind es Minus 60 bis 20 Euro. Die Kunststoffrecyclingunternehmen profitieren also zunächst von dem Überangebot an Abfällen. Auch deshalb, weil sie aus einem großen Mengenangebot die besten Qualitäten auswählen können.“

Vermutet wird, dass China das Importverbot zum Anlass nimmt, die eigene Sammlung von Kunststoffabfällen zu verbessern. „Noch ist die Volksrepublik zwar auf einen gewissen Mengenimport angewiesen. Aber spätestens in ein, zwei Jahren wird die Situation in Deutschland extrem eng, wenn sich nichts ändert“, warnt bvse-Kunststoffexperte Dr. Thomas Probst.

„Design for Recycling“ einführen

Schon bei der Produktentwicklung sollte die Recyclingfähigkeit berücksichtigt werden, schlägt der Verband als Lösung vor. Möglichst ressourcenschonende Produkte zu entwickeln, komme dabei nicht nur der Umwelt zugute, sondern könne den Unternehmen auch helfen, Kosten zu sparen. Bislang werde dieses Feld von den Industrieunternehmen aber noch nicht mit dem nötigen Engagement beackert. Die Kunststoffrecycler im bvse fordern daher ein „Design for Recycling“ von den Herstellern.

Entsprechende Ansätze des Verpackungsgesetzes müssten in Abstimmung von Recyclern mit den Inverkehrbringern von Verpackungen umgesetzt werden. „Wir sagen auch ausdrücklich, dass wir bereit sind, hier unser Know-how beizusteuern. Es muss darum gehen, dass einerseits die Funktion der jeweiligen Verpackung gewährleistet ist, aber andererseits – und das ist in der Vergangenheit unserer Meinung nach nur unzureichend beachtet worden – die gebrauchten Verpackungen für ein qualitativ hochwertiges Recycling geeignet sind. Ein erster Schritt zu einem Design for Recycling könnten definierte Bewertungskriterien sein oder auch die Einführung einer Recycling-Ampel, um die Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu verdeutlichen“, veranschaulicht Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling.

Qualität beginnt beim Input

Der bvse sieht auch bei der haushaltsnahen Sammlung erhebliches Verbesserungspotenzial. So sei die Verbraucherkommunikation seit Jahren sträflich vernachlässigt. Herbert Snell: „Es kann doch nicht sein, dass Kommunen ihre Hausmüllentsorgung optimieren und dann die Sammlung für Verpackungsabfälle zur weiteren Restmüllsammlung verkommt. Es gibt Beispiele, dass als Folge einer Umstellung der öffentlich-rechtlichen Sammlung die Restmüllmenge kleiner wurde und sich stattdessen die Gelbe-Tonne-Sammlung deutlich erhöht hat und die Materialqualität dementsprechend in den Keller gerauscht ist. Da hilft dann auch die modernste Sortieranlage nicht mehr weiter“.

Der bvse sieht die Sortieranlagenbetreiber ebenfalls in der Verantwortung. Die von den Sortieranlagen gelieferten Sekundärrohstoffe würden zumeist nicht den vereinbarten Spezifikationen entsprechen. Snell: „Auch hier gilt: Qualität beginnt beim Input. Um diesem Ziel näher zu kommen, werden höhere Sortierkapazitäten benötigt. Dadurch entsteht Spielraum für eine Verbesserung der Sortierqualität, die einhergehen muss mit der Möglichkeit, dass Sortierer und Kunststoffrecycler bilaterale Vereinbarungen treffen können.“

Mehr Kunststoffrezyklate einsetzen

Eine weitere Stellschraube macht der Verband im öffentlichen Beschaffungswesen aus. Bisher seien alle Forderungen, das öffentliche Beschaffungswesen auch auf das Kunststoffrecycling auszuweiten, erfolglos geblieben. Gefordert werden hier eine Trendumkehr und künftig eine Vorreiterrolle der öffentlichen Hand. „Die Vergabepraxis der öffentlichen Hand hinkt der in Paragraf 45 Kreislaufwirtschaftsgesetz verankerten Verpflichtung, ihren Bedarf nach Möglichkeit auch verstärkt über Recyclingprodukte zu decken, immer noch stark hinterher“, kritisiert bvse-Vizepräsident Herbert Snell. Gerade die Bundesbehörden sowie bundeseigene Unternehmen sollten diese bundesgesetzliche Verpflichtung ernst nehmen. Doch das geschehe nur unzureichend. Vermisst werden wirksame Gegenmaßnahmen der für den Gesetzesvollzug zuständigen Länderbehörden.

Für den Berichterstatter für Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Thomas Gebhart (CDU), sind mit dem neuen Verpackungsgesetz die Weichen gestellt worden für ambitionierte Recyclingquoten. Doch es müssten mehr Anreize geschaffen werden, um die Einsatzmöglichkeiten von Recyclingmaterialien zu erleichtern. Die zu treffenden Maßnahmen sollten voraussetzen, dass die kunststoffverarbeitenden Industrien mit stets gleichbleibend hohen Materialqualitäten versorgt werden.

Auf niedrigen Recyclingquoten ausgeruht

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller äußert Verständnis für den Importstopp: „China will zurecht nicht länger die Halde für unseren Wohlstandsmüll sein. Das Importverbot von Plastikabfall legt einen Finger in unsere Umweltwunde. Viel zu lange haben wir uns in Deutschland auf niedrigen Recyclingquoten ausgeruht und es uns mit der Verbrennung leicht gemacht. Damit muss endlich Schluss sein. Im Vorgriff auf das 2019 in Kraft tretende Verpackungsgesetz müssen jetzt Sortieranlagen und Recyclingkapazitäten ausgebaut werden. Die Bürger sind es leid, sich immer wieder anzuhören, dass für deutsche Hersteller und Händler Kunststoffrecycling zu schwierig ist. Das ist innovationsfeindlich.“

Jetzt würde es sich rächen, „dass Politik und Wirtschaft Überkapazitäten bei der Müllverbrennung geduldet, den Ausbau von Recyclingkapazitäten aber nicht forciert haben.“ Sämtliche Pläne für einen Ausbau der Müllverbrennung und Ersatzbrennstoffverwertung sollten nach Auffassung des Naturschutzbundes Deutschland e.V. (NABU) vom Tisch. Wer keine recycelbaren Verpackungen und Produkte auf den Markt bringe, müsse dafür stärker zur Kasse gebeten werden.

Kernprobleme der Abfallpolitik offengelegt

Ins gleiche Horn stößt die Deutsche Umwelthilfe (DUH). So lege der Importstopp Kernprobleme der deutschen Abfallpolitik offen: zu viele Abfälle, eingeschränkte Recyclingfähigkeit von Verpackungen und Produkten sowie fehlende Anreize zum Einsatz von Recyclingmaterial. Der Markt werde mit immer größeren Mengen Kunststoffabfall geflutet, dessen Qualität und Recyclingfähigkeit größtenteils eingeschränkt sei. Auch würden ausreichend Abnehmer von Recyclingmaterialien fehlen, „weil viele Verpackungshersteller lieber viel zu günstiges Neumaterial einsetzen“.

Nach Einschätzung der Organisation ist der chinesische Importstopp eine Chance, um in Deutschland zu einer besseren Kreislaufwirtschaft zu kommen und Lösungsstrategien voranzutreiben. Es bedürfe einer konsequenten Abfallvermeidungspolitik, der Festlegung verbindlicher Standards zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen und Produkten sowie Anreizen zum Einsatz von Rezyklaten. Die DUH fordert die Umsetzung der gesetzlichen Mehrwegquote, höhere Entgelte für Verpackungen sowie Maßnahmen zur Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten.

In Dialog mit China treten

Das Bureau of International Recycling (BIR) rechnet mit Umsatzeinbußen in Milliardenhöhe und dass durch den Importstopp tausende Arbeitsplätze abgebaut werden. „Das würde sich weltweit schwerwiegend auf die Recyclingindustrie auswirken“, warnte BIR-Generaldirektor Arnaud Brunet bereits in einer Stellungnahme vor Inkrafttreten des chinesischen Regierungserlasses vor den Folgen. Und betonte hier, welchen Aufschwung die Wirtschaft der Volksrepublik durch internationale Sekundärrohstofflieferungen – vor allem aus Europa, den USA und Japan – in der Vergangenheit erfahren habe.

So importierte die Volksrepublik China 2016 zum Beispiel 27 Millionen Tonnen Altpapier. Zu 20 bis 30 Prozent handelte es sich dabei um Mischpapier. Der Verband befürchtet, dass nun große Mengen Mischpapier aus dem Verwertungskreislauf fallen und kündigte an, mit der chinesischen Regierung und Interessenträgern in Dialog treten zu wollen. Ein Festhalten an dem Verbot würde nach Auffassung des BIR auch die chinesische Wirtschaft massiv schwächen und wäre kon­traproduktiv für den Umweltschutz im Land.


Betroffen: Weit mehr als 24 Abfallarten

Insgesamt 7,3 Millionen Tonnen an Plastikabfällen gingen 2016 nach China. Davon stammten 1,6 Millionen Tonnen aus den Mitgliedstaaten der EU, die somit 87 Prozent ihrer Recyclingkunststoffe direkt oder indirekt nach Fernost schickt. Unter den Exporteuren von Altkunststoffen ist Deutschland mit etwas über 400.000 Tonnen der größte, gefolgt vom Vereinigten Königreich, Belgien und Spanien. Prozentual dürfte Irland an der Spitze liegen, das 95 Prozent seiner Kunststoffabfälle im Jahr 2016 nach China versandte.

Das sollte sich nach Ansicht der chinesischen Behörden ab 1. Januar 2018 ändern. Seitdem lässt das Reich der Mitte aus Umweltschutzgründen den Import von 24 Abfallarten nicht mehr zu, unterteilt in vier Gruppen. In die Kategorie „Plastikabfälle aus lebenden Quellen“ fallen Abfälle, Bruchstücke und Ausschuss aus Ethylen, Styrol, Vinylchlorid, verschiedenartigem PET oder PET in Form von verpressten Wasserflaschen, Kompaktdisketten und auch Membranen aus Aluminium-Kunststoff-Verbunden. Die nächste Kategorie besteht aus unsortiertem Altpapier und Pappe. Die Kategorie unerwünschter Textilien enthält verschiedene Sorten von Kämmmaterial, Haaren, Zwirn, Baumwollabfällen sowie Synthetik- und Kunstfasern. Vanadium-Schlacken oder Vanadium-haltige Metalle oder Verbunde aus der Stahlproduktion stehen als letzte Kategorie auf dem Index.

Im März 2018 soll diese Liste voraussichtlich um weitere Reststofffraktionen wie Holzabfälle und Schrotte erweitert werden; in die Verbotszone geraten dann aber auch sortierte Kunststoffabfälle und sortiertes Altpapier oberhalb einer Verunreinigungsgrenze von 0,5 Prozent. Altfahrzeuge unterliegen zusätzlichen Auflagen: Sie müssen frei von Batterien, Öl, Bremsflüssigkeit, Airbags, Reifen und Polstern geliefert werden.


Man hätte schon früher gewarnt sein sollen

Im April 2017 verschärfte China seine Importkontrollen, notifizierte aber erst am 18. Juli 2017 bei der Welthandelsorganisation den Importstopp für bestimmte Arten fester Abfälle zum Jahresende 2017. Am 9. Oktober bat die Europäische Union – zusammen mit den Vereinigten Staaten, Australien, Kanada und Südkorea – China bei einem Treffen des WTO-Kommittees um genauere Details der Importlizensierung. Weitere Aktivitäten der EU im Hinblick auf das Einfuhrverbot bis Ende 2017 sind nicht dokumentiert. Erst im Januar 2018 trat EU-Kommissar Günther Oettinger mit dem Vorschlag einer europäischen Plastiksteuer mit dem Argument an die Öffentlichkeit. Den Vorschlag enttarnten jedoch die Medien als Versuch, die durch den Brexit entstehenden Haushaltslöcher zu stopfen, und Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse, lehnte ihn als „völlig falschen Ansatz“ ab.

Auch der Verdacht, die Kunststoffstrategie der EU sei eine Reaktion auf die chinesische Importblockade, ist unzutreffend. Zwar formulierte der chinesische Fernsehsender CGTN: „Die Abfallstrategie der EU kommt, nachdem China den Import von 24 Abfallarten aus westlichen Ländern Ende 2017 verbot.“ Doch die EU-Kommission hatte die Absicht, eine Lebenszyklus-Strategie für Kunststoffe anzugehen, bereits im Dezember 2015 anlässlich des EU-Aktionsplans für eine Circular Economy gefasst. Allerdings liegt die European Federation of Waste Management and Environmental Services (FEAD) richtig mit dem Argument, die Kunststoffstrategie sei „seit dem angekündigten Importverbot noch dringender geworden“.

Man hätte jedoch schon früher gewarnt sein sollen, kritisiert die International Solid Waste Association. Spätestens Chinas „Green Fence“-Unternehmung in den Jahren 2012 und 2013 sei ein Signal gewesen, wenn auch mit geringeren Folgen, das die hohe Empfindlichkeit des globalen Abfallmarktes hinsichtlich der chinesischen Dominanz demonstrierte. „Jetzt macht die radikale Sperre durch China deutlich, dass mindestens zehn Jahre – die von 2008 bis 2018 – verloren gegangen sind, um Rolle und Leistungsfähigkeit der Recyclingmärkte zu überdenken und umzugestalten und schlusszufolgern, dass unsere Recyclingsysteme niemals nachhaltig werden könnten, wenn sie weiterhin so abhängig von Chinas Politik und Verhalten oder denen eines anderen bleiben.“


Foto: victorgrow / fotolia.com

(EU-Recycling 02/2018, Seite 6)

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