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Anziehende Preise, stabile Nachfrage – Chinas Papierindustrie erholt sich

Der Kampf der Regierung gegen Überkapazitäten sowie ineffiziente und verschmutzende Produktion trifft aber die Branche. Kleinere Hersteller werden aus dem Markt gedrängt.

Die Situation der chinesischen Papierindustrie bessert sich. Im ersten Halbjahr 2017 stieg der Umsatz um 14,8 Prozent auf 70,8 Milliarden US-Dollar, die Gewinne nahmen im gleichen Zeitraum um 73,6 Prozent auf 4,5 Milliarden US-Dollar zu. Grund waren Preissteigerungen, die die Papierhersteller gegenüber ihren Abnehmern durchsetzen konnten. Der Tiefpunkt der Preise war im Oktober 2016 erreicht; seitdem geht es kräftig aufwärts. Dadurch wurde die Ertragslage deutlich verbessert. Im ersten Halbjahr 2017 meldeten alle großen Hersteller hohe Gewinnsprünge. Auch Kapazitätserweiterungen sind geplant.

Gedämpfte Investitions-Aussichten

China ist noch immer der bedeutendste Markt für Papier weltweit, wenn auch das Wachstum deutlich abgeflacht ist. Während die Nachfrage nach grafischen Papieren nicht in Übereinstimmung zu den steigenden Einkommen der Bevölkerung wächst, legt der Bedarf für Verpackungen weiter kräftig zu. Hier wie auch im Bereich Haushaltspapier ist zukünftig das stärkste Wachstum zu erwarten. Die industrielle Produktion von Papier und Pappe lag im ersten Halbjahr 2017 mit 63,7 Millionen Tonnen um 4,5 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Der Export von Papierprodukten stieg allerdings nur leicht um 1,4 Prozent auf 2,3 Milliarden US-Dollar. Die Aussichten für zusätzliche Investitionen sind gedämpft. Die Rahmenbedingungen sind nicht schlecht, aber eben auch nicht positiv. Dazu tragen vor allem die schwächere Wirtschaftsentwicklung inklusive einer Transformation zur Dienstleistungswirtschaft sowie schärfer durchgesetzte Umweltauflagen bei. Zuletzt lag das durchschnittliche Alter der in China installierten Anlagen bei knapp der Hälfte derer in der EU oder noch geringer im Vergleich zu den USA. Im Land selbst wird aktuell vor allem in Wartung, Erhaltung und effizientere Prozesse investiert.

Der Verbrauch von Papierprodukten hat noch großes Wachstumspotenzial. Mit durchschnittlich 30 Kilogramm pro Jahr lag dieser unter dem weltweiten Durchschnitt von 57 Kilogramm pro Person und deutlich niedriger als in den USA mit 221 Kilogramm. Bis 2030 soll der Verbrauch auf 92 Kilogramm pro Person ansteigen, lauten Prognosen des Papierverbandes.

Abhängiger von Zellstoffeinfuhren

Die Produktion von Zellstoff stagnierte 2016, nachdem im Vorjahr nur ein Wachstum von einem Prozent verzeichnet worden war. Mit einer Erzeugung von fast 80 Millionen Tonnen ist dies aber immer noch fast ein Viertel des weltweiten Outputs. Zwischen 2007 und 2016 war die Produktion im Schnitt noch jährlich um 11,4 Prozent gewachsen. Auch der Verbrauch stieg in diesem Zeitraum im Schnitt um jährlich 11,6 Prozent noch sehr dynamisch. Dies war 2016 mit nur +2,1 Prozent deutlich gedämpfter. Rund 80 Prozent der produzierten Menge ist Zellulosezellstoff, der 2016 bei 63,2 Millionen stagnierte. Die holzfreie Zellstoffproduktion sank währenddessen erneut kräftig um 13,1 Prozent auf 5,9 Millionen Tonnen. Die Kapazitäten werden seit Jahren auf Drängen des Staates reduziert. Dafür steigen die Importe von Zellulosezellstoff.

Das Land wird abhängiger von Zellstoffeinfuhren. 2016 wurden 21,6 Millionen Tonnen eingeführt, davon 18,8 Millionen Tonnen Zellulosezellstoff – 7,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Import von Recyclingpapier sank dagegen gegenüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent auf 28,5 Millionen Tonnen. Die Papierpreise stiegen im Jahresverlauf, und weitere Anstiege werden erwartet. Grund sind höhere Preise für Importe von Holz-Zellstoff, gestiegene Transportpreise und die Abschaltung von Kapazitäten durch die Regierung.

In China ist immer noch die mechanische Gewinnung von Hölzern als Ausgangsmaterial für Zellstoff verbreitet. Dies im Gegensatz zum Westen, wo chemische Verfahren zur Zerfaserung üblich sind. Die Ausbeute ist bei der mechanischen Methode höher; allerdings ist diese auch deutlich energieintensiver. Durch diese Trends wandelt sich das für die Papierherstellung verwendete Ausgangsmaterial. Für Verpackungen sind es hauptsächlich wiedergewonnene Fasern aus Recycling und holzfreier Zellstoff. Dafür muss für grafische und Haushaltspapiere Pulpe aus gebleichtem Hartholz- sowie Kraftzellstoff aus Weichholz importiert werden.

Weitere Konsolidierung im Packmittelmarkt erwartet

Seit 2008 ist China größter Markt für Pappkarton. Hier erfolgt rund ein Drittel des weltweiten Verbrauches. Die Herstellung besteht zu rund 90 Prozent aus recyceltem Material. Die Erholung im Verpackungsmittelmarkt setzte sich 2017 fort. Allerdings gewinnen dabei nicht alle Firmen, denn der Kampf gegen Überkapazitäten und Umweltverschmutzung durch staatliche Stellen wird scharf fortgeführt. Das führt nach Einschätzung der Investmentbank CITIC nur zu geringen Kapazitätszuwächsen von durchschnittlich einem Prozent pro Jahr zwischen 2017 und 2022.

Well- und Kartonage-Pappe stellen zusammen über 45 Prozent der Papierherstellung und des Verbrauchs. Während der Verbrauch von Kartonage 2016 um fast drei Prozent zulegte, stieg die Wellpappen-Nachfrage um 1,9 Prozent. Der Verbrauch von gebleichtem Karton sank dagegen um 2,6 Prozent. Besser sah es für Spezialpapier und -karton aus mit einem Plus von 3,7 Prozent. Die Analysten von CITIC erwarten eine weitergehende Konsolidierung des Sektors. So bevorzugt die Transformation zu umweltschonenderer Produktion vor allem die großen Spieler wie Lee & Man und Nine Dragons. Im Niedrig-Margen-Geschäft werden hingegen weiter Kapazitäten abgebaut. Bis 2020 sollen laut den Analysen rund acht Millionen Tonnen Kapazitäten aus dem Markt ausscheiden.

Inlandsprovinzen ziehen Kapazitäten an

Die Verpackungsindustrie folgt dem produzierenden Gewerbe. Daher ist sie stark auf die Küstenprovinzen Guangdong, Jiangsu, Shandong und Zhejiang konzentriert. Dort bestehen aber eine höhere Kostenbasis und schärfere Umweltstandards. Eine Herausforderung für die Branche ist die Lage der exportorientierten Industrien. Viele Hersteller von Konsumgütern wandern in Regionen mit günstigeren Lohnkosten ab oder gleich näher an ihre angestammten Absatzmärkte. Daher gewinnt die Produktion in China für den chinesischen Markt an Bedeutung. Zukünftig werden Inlandsprovinzen wie Hubei, Jiangxi, Chongqing oder Sichuan Herstellungskapazitäten anziehen, gehen Marktbeobachter davon aus.

Hauptsächlich wird wiedergewonnener Zellstoff eingesetzt, da zu wenige Holzrohstoffe zur Verfügung stehen und Importe teuer sind. Die Qualität der Pappkartons ist daher – bei gleichem Gewicht – geringer als zum Beispiel in den USA. In China werden häufiger zwei- oder dreiwandige Verpackungsboxen verwendet. Großer Treiber für die Verpackungsindustrie ist der E-Commerce. Der Online-Einzelhandel stieg 2016 gegenüber dem Vorjahr um 26,2 Prozent auf 751 Milliarden US-Dollar; damit steht er schon für 16 Prozent der gesamten Einzelhandelsumsätze. Bis 2020 soll dieser Anteil auf ein Viertel steigen. Dies führte 2016 zu rund 31 Milliarden ausgelieferter Päckchen, da im Zug steigender Bestellungen auch mehr Verpackungen benötigt werden.

Trend zur „Premierisierung“

Das Segment Haushaltspapier entwickelt sich weiter ansprechend, auch wenn es ein kleiner Teil der gesamten Papierindustrie ist. Vor allem Hygienepapier bleibt gefragt. Die Produktion von Haushaltspapier stieg 2016 um 6,6 Prozent, die Nachfrage sogar etwas stärker um sieben Prozent. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Haushaltspapier auf 5,2 Kilogramm pro Jahr fast verdoppelt. Bis 2020 soll dieser sich auf 6,5 Kilogramm pro Jahr weiter steigern. Dafür verantwortlich sind sich wandelnde Lebensgewohnheiten der urbanen Mittelschicht. Daneben erlebt die Branche eine „Premierisierung“, also die Bereitschaft, für hochwertigere Qualität zu zahlen.

Doch liegt das Gewicht von Tissue-Papieren deutlich unter dem von grafischen Papieren oder gar Verpackungsmaterial. Daher macht das Segment weniger als acht Prozent der Nachfrage aus und trägt entsprechend wenig zum Gesamtmarkt bei. Trotzdem ist hier die Wertschöpfung tendenziell höher, und in Nischen wird noch investiert. Die Importe erholten sich 2016 leicht, um 0,5 Prozent auf 28.085 Tonnen, und zunehmend werden lokale Kapazitäten aufgebaut. Im Bereich Windeln setzten aber 2016 rund 70 Prozent der Käufer auf internationale Marken, während die zehn größten chinesischen Produzenten nur einen Marktanteil von 20 Prozent stellten.

Die Projektliste des Tissue-Jahresreports weist für 2017 Investitionsvorhaben für 3,1 Millionen Tonnen aus, davon sollen bei 46 Prozent importierte Technik zum Einsatz kommen; für die Projekte 2018 liegt die Quote bei 48,9 Prozent. Die größten Kapazitätszuwächse im Haushaltspapierbereich werden dabei in den ohnehin starken Provinzen Hebei, Shandong, Jiangsu, Fujian sowie in Sichuan erwartet.

Noch viel Spielraum

China dominiert die Papierindustrie und stellt ein Viertel der weltweiten Nachfrage. Das offizielle Statistikamt gibt für 2016 insgesamt 6.677 Unternehmen in der Papierindustrie an, davon 52 Zellstoffhersteller, 2.730 Papiererzeuger und 3.895 Hersteller von Papierprodukten. Unter der Erfassungsgrenze existieren noch viele kleinere Firmen, sodass die Industrie noch viel Spielraum für Konsolidierung hat. Nur 17 Betriebe verfügen über eine jährliche Kapazität von über einer Million Tonnen. In Zhejiang ist die Konsolidierung schon weiter vorangeschritten, während zum Beispiel in Henan bei den rund 300 Papierfirmen die jährliche Kapazität im Schnitt bei 10.000 Tonnen lag.

Die wichtigsten Produktionsstandorte liegen in den Provinzen Shandong, Zhejiang, Guangdong, Henan und Jiangsu, die zusammengenommen 70 Prozent des Outputs stellen. Während Shandong bei hochwertigen grafischen Papieren stärker ist, haben Zhejiang und Guangdong große Kapazitäten zur Pappkartonproduktion für die Verpackungsindustrie. Größte Firma bleibt Nine Dragons Paper – größter Papierproduzent Asiens und weltgrößte Firma für Papier aus Recyclingmaterial. Die jährliche Produktionskapazität der Werke in China und Vietnam übertrifft 13 Millionen Tonnen. Eine zweite Linie sollte Mitte 2017 in Vietnam starten, bis Ende 2018 sollen Wellpappemaschinen in vier Werken (Quanzhou, Chongqing, Hebei, Shenyang) installiert werden. Obwohl keine neuen Linien anliefen, erreichte der Absatz im zweiten Halbjahr 2016 ein Rekordhoch von 7,1 Millionen Tonnen. Große Zellstoffhersteller sind Shandong Sun Paper, Hainan Jinhai Pulp & Paper sowie Shandong Asia Symbol.

Was der 13. Fünfjahresplan vorsieht

Stärkster Eingriff in die Industrie sind staatliche Pläne zum Abbau von Überkapazitäten und zur Forcierung des Umweltschutzes. Gerade die ressourcenintensive Papierindustrie ist davon betroffen, da inzwischen regelmäßig Untersuchungen zum Wasserschutz durchgeführt und fallweise Firmen bestraft werden. Dies führt aber auch zu Investitionen wie zum Beispiel bei Nine Dragons in Taicang, die bei Andritz (Österreich) fünf Zirkulations-Boiler bestellt haben. Diese erzeugen Strom aus dem bei der Bearbeitung von Recyclingpapier auftretenden Dampf. Die Anlage soll im zweiten Halbjahr 2018 anlaufen.

Der 13. Fünfjahresplan für 2015 bis 2020 sieht ein jährliches durchschnittliches Wachstum der Produktion um 1,4 Prozent vor, um 2020 dann 111 Millionen Tonnen zu erreichen. Darin eingeschlossen ist die Stilllegung von ineffizienten Kapazitäten in Höhe von acht Millionen Tonnen. Die Produktionskapazität von Papier und Pappkarton soll 2020 insgesamt 136 Millionen Tonnen betragen. Zwanzig Firmen dürften dann eine jährliche Kapazität von über einer Million Tonnen haben. Der Plan enthält ferner Ziele für die Industrie zur Einsparung von Wasser und Strom sowie zur Reduktion von Emissionen.

Verfasser: Achim Haug, Quelle: Germany Trade & Invest

Foto: VDP

(EU-Recycling 02/2018, Seite 17)

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