Komplizierter Altpapiermarkt

Nach dem jüngsten „Mirror on Recovered Paper” des Bureau of International Recycling (BIR) sind die Verhältnisse auf dem internationalen Altpapiermarkt für die Handelsunternehmen komplizierter geworden.

Die aktuelle Importpolitik der Volksrepublik China hat die Exporte in das asiatische Land massiv beeinflusst. Wie Ranjit Baxi (J&H Sales International Ltd., Großbritannien) in seinem Marktbericht konstatierte, hatte die chinesische Regierung im Dezember vergangenen Jahres angekündigt, dass ab dem 1. März dieses Jahres nur noch Altpapier mit einem maximalen Verunreinigungsanteil von 0,5 Prozent akzeptiert wird. Dieses geringe Niveau ist seiner Meinung nach schwer zu erreichen. Laut Baxi beobachten die Marktteilnehmer nun, wie die neuen Regelungen angewendet und kontrolliert werden und was mit den zurückgewiesenen Lieferungen passiert.

Im vierten Quartal 2017 haben die Altpapierexporte nach China abgenommen; zudem sind die Preise für Mischpapier schnell gesunken und lagen im Januar dieses Jahres bei etwas über 100 US-Dollar je Tonne. Baxi geht von weiter fallenden Preisen aus. Im Gegensatz dazu gibt es den Angaben zufolge eine Nachfrage für die besseren Sorten der Kaufhausware (OCC – Old Corrugated Containers), wobei die Lieferungen zu niedrigeren Preisen erfolgen. In den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres war aber auch eine größere Nachfrage aus anderen asiatischen Märkten wie Indien, Indonesien und Vietnam zu registrieren.

Europa: Kontraste und Überraschungen

Nach dem Bericht von Reinhold Schmidt (Recycling Karla Schmidt, Deutschland) wirkte sich die chinesische Importpolitik auch in Deutschland aus, denn schon im Oktober vergangenen Jahres waren die Lager der Recyclingunternehmen gut gefüllt und auch die Papierfabriken verfügten über erhebliche Bestände. Im November kauften chinesische Kunden geringere Mengen und beschränkten sich nur auf gute Qualitäten; gemischtes Altpapier sei fast nicht zu verkaufen gewesen, so Schmidt. Für Mischpapier seien die Preise in Deutschland zwar noch stabil geblieben, aber aufgrund der chinesischen Importrestriktionen wurde der deutschen Papierindustrie verstärkt britische Ware angeboten, die jedoch oft auf Ablehnung gestoßen sei. Im Dezember setzte sich das Überangebot an gemischten Papieren fort, zumal auch die Erfassungsmengen in Deutschland stiegen. Weil die Auftragsbücher von Verpackungsherstellern gut gefüllt waren, konnten große Altpapiermengen abgesetzt werden. Allerdings reduzierten den Angaben zufolge viele Papierfabriken aus unterschiedlichen Gründen die Preise für Mischpapier, Supermarktsorten, grauen Karton und Deinking-Ware.

Nach dem Urteil von Jean-Luc Petithuguenin, Chef der französischen Paprec Gruppe, brachte das Jahr 2017 Kontraste und Überraschungen. Die erste Störung des Marktgeschehens verursachten die sich verteuernden Frachtraten im ersten Quartal, die sich auf die asiatischen Bestellungen auswirkten. Aber in Europa blieb die Nachfrage gut und der Markt war stabil.Als die chinesische „National Sword“-Kampagne einsetzte, habe niemand gedacht, dies würde lange dauern, denn die chinesische Wirtschaft brauche Verpackungen, so Jean-Luc Petithuguenin. Es sei erwartet worden, dass die chinesische Papierindustrie schnell wieder auf Kurs kommen würde, aber niemand habe damit gerechnet, dass die Behörden die Importkontrollen von Recyclingmaterialien fortsetzten, auch wenn diese einen Teil der chinesischen Wirtschaft beschädigten. Die Situation sei komplizierter geworden, obwohl die Bedingungen für Kunststoffe viel schlechter seien.

Nach Ansicht des Marktkenners kann der europäische Papiermarkt die Verkäufe nach China nicht ersetzen, und deshalb haben in Europa die Lagerbestände zugenommen. Die niedrigsten Sorten seien schwer zu verkaufen und der Markpreis sei zum Jahresende gesunken, ohne jedoch zu kollabieren.Petithuguenin schloss seinen Marktbericht mit einem positiven Ausblick, zumal sich der Verpackungsmarkt, unterstützt vom Online-Handel, im vergangenen Jahr gut entwickelt habe. 2018 sollte sich der Trend seiner Einschätzung nach fortsetzen. Was China angehe, so seien einige Importlizenzen Anfang 2018 erteilt worden. Zudem rechnet er damit, dass straffere Qualitätskontrollen sowohl in China als auch in Europa durchgeführt werden.

Türkei: Altpapierimporte steigen

Die wirtschaftliche Stagnation des Jahres 2016 in der Türkei war im vergangenen Jahr Geschichte, denn sowohl im Papierrecycling als auch im Bereich der Fertigprodukte konnte die volle Kapazität erreicht werden. Laut Ekrem Demircioglu (Ekrem Demircioglu, Türkei) steigen die türkischen Altpapierimporte, da im Land die entsprechenden Lagerbestände niedrig sind.

Hinzu kommt, dass neue Kapazitäten den Altpapierbedarf erhöhen werden. Noch in diesem Jahr soll nach den Angaben das Fluting- und Liner-Werk Albayraklar in Balikesir den Betrieb aufnehmen. Für das nächste Jahr ist die Eröffnung des Kipaş-Werks in Soke angekündigt, das bei einer Kapazität von 400.000 Jahrestonnen Duplexkarton und weißen Liner produzieren wird.

Auch die Inbetriebnahme der von der Hamburger Turkey Ltd. – einem Unternehmen der zur österreichischen Prinzhorn Holding gehörenden Hamburger Containerboard GmbH – gebauten Fabrik in Kütahya, die hauptsächlich Wellpappenrohpapiere – Testliner und Wellenstoff (Fluting) – herstellen soll (geplante Kapazität: 480.000 Jahrestonnen), ist für 2019 vorgesehen. Das ebenfalls zur Prinzhorn-Gruppe zählende Unternehmen Hamburger Recycling will in diesem Jahr fünf Recyclingwerke in verschiedenen Regionen der Türkei kaufen; vier weitere sind für 2019 vorgesehen, informierte Ekrem Demircioglu.

Brigitte Weber

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 03/2018, Seite 30)

Anzeige