Das Vergaberecht sollte geändert werden

Das FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V. hat in einem Gutachten den Verbesserungsbedarf im Abfall- und Vergaberecht für den Einsatz minera­lischer Baustoffe bei öffentlichen Ausschreibungen über Bauleistungen analysieren lassen.

„Im Ergebnis brauchen wir eine Änderung des Vergaberechts auf Bundes- und Länderebene, um den politischen Anspruch und die praktische Wirklichkeit in Bezug auf die angestrebten Ziele zur Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung für den Stoffstrom der Baustoffe aus der Stahlindustrie in Einklang zu bringen“, erklärt FEhS-Geschäftsführer Thomas Reiche.

Anlass für das Gutachten war die in Bezug auf die Baustoffe aus der Stahl­industrie festzustellende Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Verwirklichung von Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz. In vielen politischen Programmen auf nationaler – zum Beispiel ProgRess I und II – sowie auf europäischer Ebene – wie zum Beispiel in der Strategie für ein ressourceneffizientes Europa – wird vor allen Dingen eine deutlich stärkere Fokussierung auf die Ressourcenschonung gefordert. Die Europäische Union hat dazu in ihrer Strategie einen interessanten Vergleich angestellt: Während der Verbrauch von fossilen Brennstoffen im letzten Jahrhundert weltweit um den Faktor 12 anstieg, nahm im gleichen Zeitraum der Verbrauch von natürlichen Ressourcen weltweit um den Faktor 34 zu.

Die Vereinten Nationen wiesen in ihrer „Agenda für die nachhaltige Entwicklung 2030“ ebenfalls darauf hin, dass dem Verbrauch natürlicher Ressourcen weltweit deutlich mehr Beachtung geschenkt werden muss. Nach dem einschlägigen abfallrechtlichen Rechtsrahmen sollen mineralische Baustoffe aus der Stahlindustrie insbesondere aus Gründen der Kreislaufwirtschaft und des damit bezweckten Umwelt- und Ressourcenschutzes möglichst zu Bauzwecken verwendet werden. Und nach den vergaberechtlichen Zielsetzungen sollen mineralische Ersatzbaustoffe im Bauvergabeverfahren Berücksichtigung finden. So hat der Begriff „Green Public Procurement“ mittlerweile Einzug in die politische Debatte gehalten.

Den Zielen alles andere als dienlich

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Die Erfahrung des FEhS-Instituts zeigt, dass die praktische Wirklichkeit anders aussieht. Insbesondere die Ausschreibungspraxis bei öffentlichen Bauvergaben in einigen Bundesländern lasse nach wie vor zu wünschen übrig. Immer wieder sei festzustellen, dass in entsprechenden öffentlichen Ausschreibungen explizit nur natürliche Gesteinskörnungen zugelassen sind. Somit seien die Anbieter von ressourcenschonenden Baustoffen nicht in der Lage, ein vergleichbares Angebot abzugeben.

Auch die in vielen Branchen seit mittlerweile Jahrzehnten geführte Diskussion um den Abfallbegriff von Rohstoffen sei den Zielen der Kreislaufwirtschaft und des Ressourcenschutzes alles andere als dienlich. Dies gelte nicht nur für die Baustoffe aus der Stahlindustrie, sondern auch für andere funktionierende Stoffströme. Die langwierige Diskussion um den Abfallstatus habe zu deutlichen Imageschäden bezüglich des Einsatzes dieser Nebenprodukte geführt. Durch zusätzliche Auflagen und Restriktionen für „Abfälle im juristischen Sinne“ werde dabei die Kreislaufwirtschaft weiter eingeschränkt.

Was nicht zusammenpasst

Der Blick ins Nachbarland Österreich verdeutliche, dass die Situation in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht besser sei. Die vor einigen Jahren dort verabschiedete Recycling-Baustoffverordnung manifestiere explizit eine Ungleichbehandlung von Natursteinen und industriellen Nebenprodukten. Im Ergebnis habe diese Ungleichbehandlung dazu geführt, dass der Einsatz von hochwertigen Nebenprodukten aus der Stahlindustrie im Straßenbau in Österreich zum Erliegen gekommen ist.

Thomas Reiche: „Insgesamt lässt sich feststellen, dass der politische Anspruch und die praktische Wirklichkeit in Bezug auf die angestrebten Ziele zur Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung zumindest für den Stoffstrom der Baustoffe aus der Stahl­industrie nicht zusammenpassen. Daraus leitet sich aus unserer Sicht deutlicher Handlungsbedarf für die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen ab.“

Keine zwingenden Rechtspflichten

Um diesen politischen Handlungsbedarf zu konkretisieren, hat das FEhS-Institut bei der Kanzlei Heinemann in Essen ein Gutachten zur Optimierung des Rechtsrahmens für den Einsatz mineralischer Baustoffe bei öffentlichen Bauvergaben in Auftrag gegeben. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die abfall- und vergaberechtlichen Vorschriften über den Einsatz von (Ersatz-)Baustoffen bei öffentlichen Bauaufträgen in der Praxis weitgehend wirkungslos bleiben. Zwar hätten die deutschen Gesetzgeber in Bund und Ländern mit Blick auf die Vergabe öffentlicher Bauaufträge spezielle abfallrechtliche Vorschriften geschaffen, mit denen der Einsatz mineralischer (Ersatz-)Baustoffe in öffentlichen Bauvergaben gefördert werden soll. Diese Vorschriften des Bundes und der Länder – mit Ausnahme der Länder Rheinland-Pfalz und Thüringen, das sein Kreislaufwirtschaftsgesetz vor kurzem diesbezüglich geändert hat – seien jedoch praktisch wirkungslos, weil sie keine zwingenden Rechtspflichten zulasten der öffentlichen Auftraggeber und keine Rechte oder Ansprüche zugunsten Dritter begründeten.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das Gutachten in Bezug auf das Vergaberecht auf Bundes- sowie Länder­ebene. Dieses begründe keine für den Einsatz mineralischer (Ersatz-)Baustoffe relevanten, zwingenden Pflichten der öffentlichen Auftraggeber. Da die einschlägigen abfall- und vergaberechtlichen Vorschriften von Bund und Ländern nicht justiziabel seien, könnten sie demzufolge auch nicht gerichtlich durchgesetzt werden. „Daraus ergibt sich aus unserer Sicht die Notwendigkeit, den vergaberechtlichen Rechtsrahmen auf Bundes- und Länderebene zu ändern“, kommentiert Reiche. „Neben der flächendeckenden Zulassung von mineralischen (Ersatz-)Baustoffen in öffentlichen Bauvergaben sollten diese Baustoffe im Sinne der Förderung der Kreislaufwirtschaft und als Beitrag zur Ressourcenschonung in angemessenem Rahmen auch bevorzugt eingesetzt werden.“ Nach Ansicht des FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V. werde das Thema nur vorankommen, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend anpasst werden. Das Gutachten enthalte hierzu konkrete Formulierungsvorschläge.

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 04/2018, Seite 15)