Elektromobilität – nur mit sicherer Rohstoffbasis inklusive Recycling

Die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten den jetzigen Verkehr mit konventionell angetriebenen Personenkraftwagen sukzessive ablösen. Dafür werden Batterie-Rohstoffe notwendig, deren Verfügbarkeit gesichert sein muss. Welche Rolle Recycling dabei spielt, kam auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz am 20. März 2018 in einer eigenen Session zur Sprache.

Einem Strategiepapier des Öko-Instituts im Auftrag des Berliner Thinktanks Agora Verkehrswende zufolge werden sich die Verkaufszahlen von Personenkraftwagen in den nächsten 30 Jahren enorm steigern, aber auch in ihrer Typen-Zusammensetzung enorm ändern. Laut dieser Studie kamen im Jahr 2015 weltweit 66 Millionen neuer Pkw mit zumeist konventionellen Verbrennungsmotoren auf den Markt, zusätzlich zum Bestand von 1,1 Milliarden Einheiten. Legt man Strategien zur globalen Begrenzung des atmosphärischen Temperaturanstiegs bis 2100 auf zwei Grad Celsius zugrunde (D2-Szenario), werden sich bis 2030 die Neukäufe in etwa verdoppeln. Pkw-Verkäufe mit konventionellem Antrieb (ICE) werden dabei nur geringfügig ansteigen; dafür aber wird sich der Absatz steigern von Batterie- (BEV) oder Hybrid-angetriebenen (HEV) Fahrzeugen inklusive Gefährten mit Verbrennungsmotor und Elektromotor mit größerer Batterie, die extern geladen werden können (Plug-in Hybrid Electric Vehicle/PHEV).Im Jahr 2050 wird kein Verkauf von ICE-Fahrzeugen mehr stattfinden; ihr Bestand wird auf 25 Prozent des globalen Fuhrparks geschrumpft sein. Allerdings sollen sich dann die Gesamtverkäufe auf 160 Millionen Einheiten summieren: ein Drittel Hybride, ein Viertel Plug-ins, ein Viertel Batterie-Antrieb und ein Zehntel Brennstoffzellenfahrzeuge (Fuel Cell Electric Vehicle/FCEV). Der Vergleich von Fortbewegungstypen macht eine weitere Unterscheidung notwendig: 2050 werden es elektrisch betriebene Pkw auf 30 Prozent am Gesamtverkauf privater Fahrzeuge bringen, während Pedelecs (Fahrräder mit zusätzlichem Elektroantrieb) zehn Prozent und zwei- bis dreirädrige Krafträder den verbleibenden Löwenanteil bei den Neuverkäufen erreichen sollen.

Lithiumbedarf zunehmend aus Recycling decken

Im Laufe der nächsten 30 Jahre wird – das D2-Szenario zugrunde gelegt – daher auch die Nachfrage nach Rohstoffen für die Elektromobilität steigern. So soll sich der Lithiumbedarf von 2015 bis 2030 laut Studie auf knapp 160.000 Tonnen verfünffachen, bis 2050 bereits 500.000 Tonnen erreichen. Als Haupttreiber gilt die Nachfrage aus dem Pkw-Sektor, aber auch aus Anwendungen in Keramik, Glas und anderen Batterietypen. Die vorhandene globale Minenproduktion schätzte das US-Ministerium des Inneren 2016 auf 35.000 Tonnen.

Ein Recycling von Lithium findet momentan in Europa nur ansatzweise statt. Expertenaussagen zufolge könnten 2030 rund zehn Prozent aus dem Recycling von Lithium-Ionen-Batterien gewonnen werden; 2040 wären 40 Prozent des weltweiten Lithiumbedarfs aus Recycling möglich. Die globalen Lithiumreserven beliefen sich 2016 auf 14,0 Millionen Tonnen; die entsprechenden Ressourcen betrugen 46,9 Millionen Tonnen. Die Studie kommt daher zu dem Schluss, „dass für Lithium trotz der beindruckenden Wachstumsraten auf der Nachfrageseite auch auf lange Sicht (2050) keine physische Verknappung zu erwarten ist, die bedeuten würde, dass die natürlichen Vorkommen erschöpft sind. Auch unter Berücksichtigung der anderen Anwendungen sind physische Verknappungen bis 2050 nicht zu erwarten.“

Kobalt durch Nickel substituierbar

Die Nachfrage nach Kobalt wird bis 2030 auf 260.000 Tonnen und bis 2050 auf über 800.000 Tonnen geschätzt. Der größte Bedarf – rund 80 Prozent – wird für NMC- und NCA-Batterien für elektrisch angetriebene Pkw erwartet. Die Primärförderung belief sich 2016 auf etwa 130.000 Tonnen. Kobaltrecycling wird bereits in erkennbarem Umfang betrieben: Das Sekundärmaterial – bezogen auf alle Anwendungen – kommt in rund 35 Prozent zum Einsatz. Die Rückgewinnung aus Lithium-Ionen-Batterien wird auf zehn Prozent im Jahr 2030 und auf 40 Prozent im Jahr 2050 geschätzt. Die globalen Kobaltreserven wurden 2016 auf sieben Millionen Tonnen beziffert, die Ressourcen an Kobalt auf rund 120 Millionen Tonnen. Die Studie fasst zusammen: „Ungeachtet der deutlich wachsenden Kobaltnachfrage bis 2050, die vornehmlich durch die Elektromobilität verursacht wird, sind für Kobalt keine physischen Verknappungen zu erwarten.“

Auch Nickel findet Einsatz in NCA-Batterien. Es kann aber auch als Substitut für Kobalt in NMC-Batterien eingesetzt werden, falls die 6:2:2-Verteilung (sechs Anteile Nickel, zwei Anteile Mangan und zwei Anteile Kobalt) zunehmend Verwendung finden sollte. Der weltweite Bedarf an Nickel wird auf 830.000 Tonnen für 2030 und 2,6 Millionen Tonnen für 2050 veranschlagt, insbesondere verursacht durch die steigende Elektromobilität im Pkw-Bereich. Die Minenproduktion belief sich 2015 auf 2,28 Millionen Tonnen. Das Recycling von Nickel wird als „etabliert“ bezeichnet. Sekundärnickel findet zu über 40 Prozent in Edelstahlanwendungen Einsatz; die Wiederverwendung von Sekundärmaterial aus Batterien zur Elektromobilität im Batteriebereich soll 2030 bei sieben Prozent und 2050 bei 40 Prozent liegen. Laut Studie ist daher „eine physische Verknappung für Nickel – auch unter Berücksichtigung der anderen Anwendungen – nicht zu erwarten.“

Graphit: zunehmend synthetisiert

Der Bedarf an Graphit, das in allen Lithium-Ionen-Batterien Einsatz findet, wird auf 1,6 Millionen Tonnen im Jahr 2030 und auf fünf Millionen Tonnen im Jahr 2050 geschätzt. Die globalen Reserven betragen 250 Millionen Tonnen, die globalen Ressourcen 800 Millionen Tonnen. Synthetischer Graphit kann natürlichen Graphit ersetzen, was heute schon geschieht. Es wird damit gerechnet, dass die Synthese-Herstellung die Primärförderung übersteigen wird. Für ein Recycling von Graphit aus Batterien besteht zurzeit keine Notwendigkeit. Die Studie bescheinigt: „Da der wachsende Bedarf an Grafit für die Elektromobilität nicht zuletzt durch Synthesegrafit befriedigt werden kann, kann eine physische Verknappung auch langfristig ausgeschlossen werden.“

Temporäre Verknappungen sind möglich

Dennoch ist es nicht unmöglich, dass temporäre Verknappungen vorkommen, räumte Stefanie Degreif (Öko-Institut) bei der Vorstellung der Studie ein. Engpässe könnten beispielsweise entstehen, wenn der Ausbau der Materialproduktion nicht mit der Geschwindigkeit der Fahrzeugelektrifizierung Schritt hält. Falls Naturereignisse wie Erdbeben, Wassereinbrüche oder extreme Wetterlagen die Minenproduktion beeinträchtigen. Falls politische Krisen oder Konflikte Förderung oder Verkauf verhindern. Falls der Rohstoff als „minor metal“ und damit als Produkt gewonnen wird, das nicht über die Börse gehandelt wird. Oder falls sozioökonomische Risiken – wie der durch Kinderarbeit gestützte Kleinbergbau zur Kobaltgewinnung – oder ökologische Risiken – Schwermetallbelastung beim Kobaltabbau oder Wasserprobleme bei der Lithiumgewinnung – auftreten.

Mögliche Risiken für die Lithium-Versorgung untersuchte auch Michael Schmidt (BGR/DERA). In seinem Berliner Vortrag verdeutlichte er mithilfe des Herfindahl-Hirschman-Index`, dass die Konzentration der Lithiumförderung zwar auf im Wesentlichen vier Förderunternehmen verteilt ist und damit ein Oligopol darstellt. Dies wird als mäßig bedenklich eingestuft. Dieses Etikett erhält auch die Weiterverarbeitung des geförderten Materials zu Lithiumkarbonat und Lithiumhydroxid in lediglich zwei Ländern: Chile und China. Die weltweite Weiterverarbeitung von Konzentraten, die zu 70 Prozent alleine der größte Produzent betreibt, wird hingegen als bedenklich bewertet. Schmidts Fazit: „Deutsche Unternehmen, die Lithium verarbeiten oder auf Lithium-Produkte angewiesen sind, sollten daher den Markt intensiv beobachten und geeignete Ausweichstrategien (zum Beispiel langfristige Lieferverträge oder Projektbeteiligungen) gegen eventuelle Lieferengpässe und Preissteigerungen entwickeln.“

Keine Mobilität ohne sichere Rohstoffbasis

Auch die von Stefanie Degreif vorgestellte Studie gibt für die reibungslose Versorgung mit Rohstoffen für die Elek­tromobilität Handlungsempfehlungen. So könnten sich die Förderbedingungen verbessern durch eine globale Industrieallianz, die die Lithiumproduktion unter umwelt- und sozialverträglichen Bedingungen sicherstellt. Gewinnbringend wäre hierzu auch die Einführung einer Sorgfaltspflicht für alle Unternehmen entlang der Kobalt-Versorgungskette, die Umwelt-, Gesundheits- und Sozialrisiken verringert. Hinzu käme eine internationale Kooperation zwischen Produktions- und Importländern, um industriellen Bergbau sowie Kleinbergbau nachhaltig zu gestalten. Die Nachfrage nach Primärstoffen könnte sich dämpfen lassen mithilfe einer erweiterten EU-Batterierichtlinie, die für Lithium-Ionen-Batterien eine separate Behandlung vorsieht und rohstoffspezifische Recyclingziele für die vier genannten Strategierohstoffe Lithium, Kobalt, Nickel und Graphit festlegt. Als ebenso notwendig wird ein globales Recyclingsystem für Lithium-Ionen-Batterien erachtet, das zusätzlich über Service-Modelle wie Leasing- oder Pfandsysteme erweitert werden sollte. Eine Forschungsinitiative könnte Potenziale hinsichtlich Materialeffizienz, Substitutionsalternativen oder automatisierter Demontage eröffnen. Die Liste der strategischen Handlungsempfehlungen schließt mit dem Vorschlag eines Rohstoffradars zum regelmäßigen Monitoring der Elektromobilitätsentwicklung und des entsprechenden Rohstoffverbrauchs.

Solche systematischen Ansätze – unterstrich Christian Hagelüken (Umicore) auf der Berliner Tagung – seien entscheidend, denn es gäbe „keine nachhaltige Mobilität ohne Aufbau einer sicheren und sauberen Rohstoffbasis“. Allerdings hätten neueste Forschungen ergeben, dass kobaltfreie Energiespeichermaterialien und Post-Lithium-Technologien, die auf unkritischen Elementen wie Natrium oder Magnesium, aber auch Zink, Kalzium und Aluminium basieren, Möglichkeiten eröffnen, den Druck auf Ressourcen wie Lithium und Kobalt zu verringern und langfristig zu umgehen.

Die Vorträge können nachgelesen werden in S. Thiel, E. Thomé-Kozmiensky, D. Goldmann (Hrsg.), Recycling und Rohstoffe, Band 11, Neuruppin 2018, ISBN 978-3-944310-40-4.


Für alle Verfahren muss die Technologie weiter entwickelt werden

Die enormen primären Reserven und Ressourcen, die zudem relativ kostengünstig gewonnen werden können, bieten für Lithium-Recycling momentan wenig Anlass. Laut UNEP bewegt sich die End-of-Life-Recyclingrate für dieses Material bei unter einem Prozent; vorhandene Recyclingkapazitäten gelten als unbedeutend. Das größte Recyclingpotenzial wird in wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien vermutet. Verfahren zur Rückgewinnung müssen allerdings umweltgerecht und energieeffizient sein, hohe Recyclingraten zulassen, Materialien zum Wiedereinsatz in Batterien erzeugen und kompatibel zu den gängigen Batterietypen sein. Die gegenwärtige Rückgewinnung verklebter, verschraubter oder eingegossener Lithium-haltiger Komponenten ist problematisch. Im industriellen Einsatz ist Aufschmelzen im Hochofen mittels Pyrolyse praktizierbar; das Ausfällen über Säuren oder die mechanische Trennung über Shredder und Wirbelstrom sind theoretisch möglich. Für alle Verfahren muss die Technologie weiter entwickelt werden.


Foto: pixabay

(EU-Recycling 05/2018, Seite 47)

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