Altpapierrecycler kämpfen mit schwierigen Marktverhältnissen

Seit die Volksrepublik China Importe von Altpapiersorten mit einem zu hohen Anteil an Verunreinigungen nicht mehr die Landesgrenzen passieren lässt, wirkt sich das negativ auf die europäischen Altpapiermärkte aus.

Dies war das zentrale Thema der rund 520 Teilnehmer beim 21. Internationalen Altpapiertag, den der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. am 12. April in Düsseldorf veranstaltete. Wie problematisch die Situation ist, schilderte Werner Steingaß, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Papierrecycling und bvse-Vizepräsident.

Werner Steingaß: Partner, die in der Krise zusammenstehen und sich bewähren, gehen gestärkt aus der Krise hervor (Foto: bvse)

Die europäische Papierindustrie habe im Jahr 2016 rund 47 Millionen Tonnen Altpapier für die Produktion eingesetzt, wobei die in Europa gesammelte Menge unterschritten wurde. Den Altpapierexport aus Europa bezeichnete er als „unverzichtbares Ventil“ und Basis für eine erfolgreich praktizierte Kreislaufwirtschaft, denn es seien jährlich etwa acht Millionen Tonnen dieses Sekundärrohstoffs aus Europa nach China und Südostasien exportiert worden. Dieses Exportventil klemme derzeit massiv. „Der weltweite Altpapiermarkt befindet sich seither in unruhigem Fahrwasser und auch unsere Unternehmen müssen sich auf die neue, schwierige Lage einstellen.“ Auch wenn der Export seit Inkrafttreten der Restriktionen nicht völlig zum Erliegen gekommen sei, werde durch dessen massiven mengenmäßigen Rückgang auch der Altpapierpreis innerhalb Deutschlands wie auch in den Nachbarländern beeinflusst. Seit Herbst befänden sich die Vergütungen für die unteren Altpapiersorten auf dem Weg nach unten.

Europäische Exporteure versuchten, durch aufwendige Nachsortierung und noch umfangreichere Kontrollen im eigenen Hause sicherzustellen, dass die Ware den neuen chinesischen Qualitätsvorgaben entspricht. Es bestehe aber eine große Unsicherheit, wie diese Vorgabe – maximal 0,5 Prozent Störstoffe im Altpapier – in China konkret ermittelt und gehandhabt werde. Zum anderen lieferten Exporteure ihr Altpapier ersatzweise verstärkt in die chinesischen Anrainerstaaten, die derzeit ihr Neupapier problemlos nach China verkaufen könnten.

Nach bvse-Angaben kann vor allem Großbritannien das aus der Gemischterfassung stammende Altpapier – zumindest in der bisherigen Qualität – kaum mehr nach China verbringen. Nach Einschätzung von Steingaß stellte die britische Exportmenge den Löwenanteil des bisherigen Gesamtexports aus Europa dar. Teile dieser Altpapiermenge, in vergleichsweise schlechterer Qualität, drängten nun aber zu niedrigen Preisen auf den zentraleuropäischen Markt und fänden offenbar auch Abnehmer in der deutschen Papierindustrie. So werde vereinzelt günstige Ware mit schlechter Qualität aus dem Ausland eingesetzt und quer gerechnet mit inländischer Ware guter Qualität, so der Vorsitzende des bvse-Fachverbandes Papierrecycling. Dies belaste die Märkte zusätzlich.

Seiner Meinung nach schadet es dem deutschen Altpapiermarkt, dass dies zulasten der bisherigen Lieferanten geht. Die Unternehmen der Branche hätten die Papierfabriken mit Rohstoffen beliefert und seien nun Reklamationen ausgesetzt, „weil die bisherige Ware jetzt noch besser sein soll und andererseits genügend günstige Ware am Markt vorhanden ist“. Eine veränderte Qualität lasse sich jedoch nicht über Nacht erreichen und koste zudem zusätzliches Geld, das bei sinkenden Erlösen nicht vorhanden sei.

Der Fachverbandsvorsitzende plädierte deshalb in schwierigen Zeiten für bewährte Partnerschaften von Papierindustrie und Altpapierunternehmen. „Partner, die in der Krise zusammenstehen und sich bewähren, gehen gestärkt aus der Krise hervor“; zeigte sich Steingaß überzeugt.

Lösungsvorschläge: Qualität ist der Schlüssel

Forderte die Schließung des Papierkreislaufes in Europa: Hans van de Nes (Foto: bvse)

Die Auswirkungen der aktuellen chinesischen Altpapier-Vorgaben auf das weltweite Verhältnis von Angebot und Nachfrage war ein weiterer wichtiger Punkt bei dieser Fachtagung. Hans van de Nes, Präsident der European Recovered Paper Association (ERPA), fasste noch einmal die Situation zusammen. Im Juli vergangenen Jahres hat die Volksrepublik China gegenüber der Welthandelsorganisation WTO angekündigt, dass sie zum Jahresende die Einfuhr von verschiedenen Abfallarten (darunter Altpapier und Kunststoffe) verbieten will. Argument: Die Regierung habe bei den eingeführten Materialien starke Verunreinigungen durch Verschmutzung und gefährliche Abfälle festgestellt; die Importverbote sollen die Umwelt und menschliche Gesundheit schützen.

Die Folge sei ein gestörter Handel. Im Hinblick auf Altpapier solle der Anteil an unerwünschten Materialien 0,5 Prozent nicht überschreiten. „Die chinesischen Behörden meinen es ernst“, so van de Nes. Die europäischen Unternehmen machten einen guten Job, „aber wir müssen uns anstrengen, die Anforderungen zu erfüllen“. China habe Altpapier in größeren Mengen abgenommen (25,7 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr); dieser Handelsweg hat seiner Ansicht nach dazu geführt, dass „wir zu wenig in neue Technik investiert haben“.

Als Ausweg in dieser Situation betrachtet Hans van de Nes die Schließung des Altpapierkreislaufes in Europa. Dabei nimmt die Kontrolle der Qualität in der Altpapierwertschöpfungskette eine ebenso wichtige Position ein wie das Ökodesign (die Kosten für schwer zu recycelnde Produkte soll der Produzent/Lieferant tragen und nicht das Recyclingunternehmen) und eine getrennte Sammlung von Altpapier. Nach Ansicht des ERPA-Präsidenten sollte die Produktion der Altpapiersorten nach der Sortenliste EN 643 erfolgen. Außerdem wünscht er sich einen End-of-Waste-Status für verschiedene Altpapiersorten und einen gut funktionierenden Binnenmarkt mit harmonisierter Gesetzgebung, zumal aufgrund der Einstufung des Sekundärrohstoffs als Abfall (beispielsweise in den Niederlanden) und Produkt (zum Beispiel in vielen deutschen Bundesländern) der Altpapiertransport innerhalb Europas kompliziert und teuer sei.

Wade Schuetzeberg: Im Mittelpunkt sollte produktorientiertes Denken stehen, nicht nur die Sammelraten (Foto: bvse)

Dass es vor allem um die Qualität geht, betonte auch Wade Schuetzeberg, Executive Director European Region der America Chung Nam B.V. in Rotterdam. Seiner Meinung nach geben die aktuellen Preise weniger Anlass zur Sorge als das Risikomanagement einer Branche, deren Interessenvertreter in verschiedenen Stadien der Trauer seien. Er vertrat die Auffassung, dass produktorientiertes Denken im Mittelpunkt stehen sollte und nicht nur die die Sammelraten.

Nach den Informationen von Andreas Otto, Geschäftsführer der Melosch Export GmbH und Vorstandsmitglied des bvse-Fachverbandes Papierrecycling, ist die Volksrepublik China derzeit auf den Import von Neupapier aus den benachbarten asiatischen Staaten angewiesen. So verkaufe Indien einen erheblichen Teil seiner Papierproduktion an das Land. Seit Januar dieses Jahres seien die Altpapierexporte von Deutschland nach Indien, Indonesien und Thailand gestiegen.

Marek Skorwider, Direktor Einkauf für Altpapier bei Mondi Swiecie S.A. in Polen, verglich die aktuelle Situation im Bereich der braunen Altpapiersorten mit der Wirtschaftskrise der Jahre 2007/2008. Vor rund zehn Jahren wurde der Rückgang in der Nachfrage von dem reduzierten Altpapierverbrauch der Papierfabriken in Europa und den USA verursacht, berichtete er. Aufgrund des geringeren Bedarfs und der niedrigen Preise im Jahr 2009 seien auch die Sammelmengen in diesen Regionen gesunken, während sich die Nachfrage aus China erhöhte. Heute ist die Situation anders: Die Altpapiererfassung in Europa und den USA sei stabil und es existiere eine leicht erhöhte Nachfrage der europäischen und amerikanischen Papierfabriken. Das Altpapierüberangebot habe seine Ursache in den Vorgaben der chinesischen Regierung. Aus diesem Grund sollte die Branche die Veränderungen in der Nachfrage aus asiatischen Ländern berücksichtigen, so Marek Skorwider. Dies sei gegenwärtig der destabilisierende Faktor für die Märkte in Europa und Nordamerika.

Altpapier bleibt wichtiger Rohstoff

David Powlson gab einen Ausblick auf die zu erwartende Entwicklung des Altpapiermarktes (Foto: bvse)

David Powlson, Direktor der Pöyry Management Consulting Ltd in London, beschrieb in seinem Vortrag die zu erwartenden Verschiebungen im Markt. Seinen Worten zufolge ist der Bedarf an Altpapier von allen Faserrohstoffen für die Papierproduktion am schnellsten gewachsen; dieser Trend soll anhalten. Nach der Prognose soll auch der Verbrauch von Zellstoff (Frischfasern) zunehmen. Wie der Experte hervorhob, hat die Volksrepublik China im Hinblick auf die Zellstoffnutzung Europa überholt und gilt mit einem jährlichen Verbrauch von mehr als 20 Millionen Tonnen als größter Zellstoffmarkt; diese Entwicklung soll sich mit einer angenommenen jährlichen Wachstumsrate von mehr als zehn Prozent fortsetzen. Parallel dazu tendieren nach dem Bericht auch die Holzpreise nach oben, weil Holz als Rohstoff für Biotreibstoffe und biobasierte Chemikalien zunehmend attraktiver wird.

Was die Verfügbarkeit von Altpapier in Europa angeht, so hält David Powlson es für schwierig, neue Quellen zu erschließen. Außerdem geht er davon aus, dass die Volksrepublik China nach wie vor diesen Sekundärrohstoff benötigt, obwohl sich die dortige Altpapiersammlung wie in Europa und Nordamerika erhöht hat. Da künftig neue Fabriken in Betrieb gehen, die auf Altpapierbasis produzieren, wird sich die chinesische Erfassungsrate – nach seiner Einschätzung – nicht erhöhen.

In seinem Vortrag ging der Referent auch auf den Verpackungsverbrauch aufgrund des Internethandels ein. Nach seinen Erkenntnissen wird die Nutzung von Papierverpackungen weiter steigen. Wie Powlson weiter berichtete, führt der E-Commerce aber auch zu einer Ineffizienz des Recyclingsystems. Zum einen geben Verbraucher Verpackungen nicht unbedingt ins Recycling und zum anderen enden Papierverpackungen nicht zwangsläufig als Rohstoff für die Wellpappenproduktion. Die Frage sei nun, ob sich die Sammelsysteme an diese Situation anpassen können.

Brigitte Weber

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 06/2018, Seite 10)

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