Wie können mehr Kunststoffe in Leichtverpackungen recycelt werden?

Angesichts der Meeresverschmutzung sind Plastikabfälle in die Diskussion geraten. Deutschland wähnt sich bei Sammlung und Recycling von Kunststoffen in dieser Frage auf der sicheren Seite. Das neue Verpackungsgesetz fordert aber mehr. Ob und wie diese Vorgaben zu erreichen sind, wurde auf dem diesjährigen Kasseler Abfall- und Ressourcenforum am 11. April wie auch bei einem Workshop des WFZruhr am 18. April erörtert.

Fast sechs Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen produzierten deutsche Haushalte, Gewerbe und Industrie im Jahr 2015. Davon stammt rund die Hälfte aus Verpackungen, die zu 75 Prozent in die Wertstofferfassung der Kommunen gelangen und zu 25 Prozent im Restmüll der Verbraucher enden. Als stoffgleiche Nichtverpackungen werden zusätzlich 0,2 Millionen Tonnen aus Sperrmüll und eine Million Tonnen aus Haushaltsrestabfällen erfasst. Davon wurden laut Umweltbundesamt rund 0,6 Millionen Tonnen hochwertig recycelt. Laut ITAD-Studie sollen 2013 fürs Recycling insgesamt 2,32 Millionen Tonnen und damit 41 Prozent werkstofflich zur Verfügung gestanden haben, die sich aber bereinigt auf maximal 0,6 Millionen Tonnen an hochwertigen Rezyklaten und damit circa zehn Prozent der Kunststoffabfälle und nur etwa fünf bis sechs Prozent der Kunststoffrohprodukte belaufen.

Sammelquote – von vielen Faktoren abhängig

Schweizer Untersuchungen haben gezeigt, dass ein vermehrtes Recycling von Kunststoffabfällen neben der Verringerung von Vielstoff-Gemischen durch gesteigerte Separat-Erfassung und angepasste Recyclingkapazitäten am positivsten zur Steigerung von Verwertungsquoten dienen.

Doch wie lassen sich die Qualitäten von Kunststofffraktionen in Leichtverpackungsabfällen (LVP) steigern? Kerstin Kuchta (TU Hamburg) stellte dazu in Kassel ihre Untersuchungsergebnisse vor: Der Inhalt von Gelben Säcken im Raum Hamburg besteht zu 67 Prozent aus Leichtverpackungen, zu elf Prozent aus stoffgleichen Nichtverpackungen und zu 21 Prozent aus Reststoffen; der darin befindliche Kunststoffanteil der LVP-Fraktion beträgt 47 Prozent. Die erfasste LVP-Menge ist regional weitgehend unabhängig vom Restmüllaufkommen. Die jeweilige Sammelmenge an LVP divergiert jedoch je nach Bundesland zwischen 19 Kilogramm pro Einwohner und Jahr (kg/EW/a) in Hamburg und 41 kg/EW/a in Sachsen-Anhalt. Sie ist auch vom Erfassungssystem abhängig und kann zwischen 12,8 kg/EW/a im Wertstoffhof und 43 kg/EW/a über Gelben Sack oder Tonne Plus betragen. Einfluss auf die Sammelquote hat ebenso die Einwohnerdichte: Die erfasste LVP-Menge liegt in ländlichen Gebieten bei 32,3 kg/EW/a, während sie in Großstädten nur 23,5 kg/EW/a erreicht. Als Ergebnis hielt Kuchta daher fest, dass die Qualität der Abfälle aus Bringsystemen der durch Holsysteme überlegen ist. Allerdings würden die Entfernung zur nächsten Sammelstelle und das vermehrte Vorkommen von Fehlwürfen bei fehlender Beaufsichtigung in der Ökobilanz negativ zu Buche schlagen. Gelbe Säcke seien Großbehältern vorzuziehen, da letztere zu mehr Fehlentsorgungen führen.

Qualität im Sinkflug

Foto: Lobbe

Die Qualität der rund fünf Millionen Tonnen Kunststoffabfälle und damit drei Millionen Verpackungsabfällen im Post-Consumer-Bereich sieht Michael O. E. Scriba (mtm plastics GmbH) allerdings „im Sinkflug“. Der Gutanteil an Kunststoff-Folien (DSD-Spezifikation 310-1) und gemischten Polyoefin-Artikeln (323) ist zwar zwischen 2015 und 2016 annähernd gleichgeblieben; der Gutanteil bei Mischkunststoffen (350) ist jedoch binnen Jahresfrist von knapp 75 auf 50 Prozent gesunken. Außerdem liegen alle drei Kunststoffsorten um fünf bis 15 Prozent unter den Reinheitsforderungen. Das – so Scriba – sei unter anderem die Folge fehlender Investitionen in neue Technologien und Kapazitäten, schwacher Quotenvorgaben, günstiger Verbrennungspreise und attraktiver Exportmöglichkeiten nach China. Schuld trügen auch die immer komplexeren Materialzusammensetzungen sowie der Trend zu immer leichteren und daraus folgend mehrschichtigen Verpackungen.

Die dadurch begründete bisherige „Hängepartie“ habe jetzt durch das neue Verpackungsgesetz ein Ende erreicht: Ein Aufbruch sei spürbar, wenn auch die zukünftigen Anforderungen keineswegs trivial seien. Immerhin soll die Verwertungsquote von bislang 60 Prozent innerhalb von vier Jahren auf 90 Prozent steigen und die Recyclingquote von aktuell 36 Prozent über 58,5 Prozent im nächsten Jahr auf 63 Prozent der lizensierten Menge im Jahr 2022.

Jetzige Recyclingmenge verdoppeln

Für LVP wird eine Quote von 50 Prozent erwartet. Dazu muss nach Schätzung von Michael Scriba die derzeitige Recyclingmenge in etwa verdoppelt werden. Einer Potenzialstudie von Prognos zufolge wurden 2014 von 1.022.130 Tonnen an recyclingfähigen Verpackungen lediglich 42 Prozent (rund 430.000 Tonnen) behandelt. Durch Eco-Design könnten die Menge um weitere (mindestens) 100.000 Tonnen und durch optimierte Sortierungen um zusätzliche 120.000 Tonnen (Minimum) gesteigert werden.

Dazu – fordert Scriba – müsste die Qualität der Sammelmengen verbessert werden: durch ausschließliche Konzentration auf die Polymer-Sorten PE-LD, PE-HD, PP und PET, durch Verzicht auf mehrschichtige sowie intransparente PET-Schalen, durch Vermeidung von Papier-Kombinationen und durch Unterlassung zusätzlicher Additive, Pigmente, Druckfarben, Etiketten und metallisierter Folien. Noch stehe Recycling hinter Marketing, Kosten, Funktionalität und auffälligem Design zurück. Duale Systeme, Verpackungsindustrie, Handel und Designer müssten an der Standardisierung von Kunststoffverpackungen mitarbeiten, damit Kreislauffähigkeit „ein prioritäres Kriterium“ wird.

Effizienz trotz schlechter Inputqualitäten

Auch für Michael Wieczorek, den Geschäftsführer der Lobbe Entsorgung West GmbH & Co. KG, zählen schlechte Inputqualitäten in Sortieranlagen aufgrund von Fehlwürfen, Restanteilen und Verbundstoffen zu den Hindernissen höherer Rückgewinnungsergebnisse. Dies machte er bei einem Workshop des WFZruhr deutlich. Trotz allem erreicht die von ihm vorgestellte Wiederaufbereitungsanlage in Iserlohn eine Recyclingquote von 50 Prozent und zählt damit zu den effektivsten im Betrieb befindlichen LVP-Sortieranlagen im Bundesgebiet. Ihre Performance wird nur noch von der Gernsheimer Anlage übertroffen, die gemeinschaftlich von Lobbe und der Firma Meinhardt betrieben wird. Deren Kapazität liegt bei rund 120.000 Tonnen pro Jahr und ist auf eine Recyclingquote auf 53 Prozent ausgerichtet, die durch die Sortierung bestimmter Mischkunststoffe zustande kommt.

Die Anlage in Iserlohn erzielt laut Wieczorek bei der stofflichen Verwertung von NE- und Fe-Metallen, verschiedener Kunststoffarten, Folien, Flüssigkartons sowie Papier/Pappe/Kartonagen und der stofflichen Verwertung von Mischkunststoffen eine Quote von rund 50 Prozent vom Input; die restliche Verwertung von Mischkunststoffen, EBS-Vorprodukten und klassischen Sortierresten erfolgt energetisch.

50 Prozent Recyclingquote: grundsätzlich möglich

Laut dem Lobbe-Geschäftsführer ist die „Erzeugung sortenreiner, reklamationsfreier(-armer) Sortierprodukte gemäß Produktspezifikation mit einer Recyclingquote in der Höhe von gleich/größer 50 Prozent vom Input grundsätzlich möglich“. Diese werde jedoch gedrückt durch bestimmte Sortierreste sowie durch Verbunde und Multi-Layer-Produkte. Die Sortierreste aller erfassten LVP-Mengen lägen bundesweit bei durchschnittlich 30 bis 40 Prozent, könnten schlimmstenfalls aber noch gesteigert werden. So ergab eine Inputanalyse in einer deutschen Großstadt, dass die Umstellung der Erfassung vom Gelben Sack zur Wertstofftonne binnen eines Jahres den Sortierrestanteil von 30 auf über 50 Prozent steigen ließ. Daher sei die Sortierung von LVP-Mengen insbesondere aus großstädtischen Wertstofftonnen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Einen Anteil an der schlechten Trenn-Moral der Bevölkerung hätten auch die Städte und Landkreise, die ihre Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit in den letzten Jahren rückläufig gestalteten und stellenweise einschlafen ließen; eine gut informierte Bevölkerung sei aber eine wesentliche Voraussetzung zur Stabilisierung der Recyclingquote. Auch die Zuwachsraten von PET-Schalen verfügten über Materialeigenschaften, die sie als nicht recyclingfähige Abfälle erscheinen lassen, sondern die als Ersatzbrennstoffe energetisch verwertet werden müssen. Dennoch machen sie mit 27.000 Tonnen pro Jahr rund 28 Mengenprozent der Sortierreste der Wiederaufbereitungsanlage aus. Als nahezu einzig wirksames Werkzeug schätzt Wieczorek den Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes zur Förderung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Durch die damit bewirkte ökologische Gestaltung der Lizenzentgelte würden gering und nicht recyclingfähige Verpackungen mit höheren Beteiligungsentgelten belegt. Außerdem sollte die kommunale Öffentlichkeitsarbeit wiederbelebt und das Behältervolumen bei der Restmüll- wie der LVP-Erfassung harmonisiert werden.

Veränderte Qualitätssteuerung möglich

Welche Möglichkeiten zur Qualitätssteuerung schon jetzt in einer modernen Wertstoff-Aufbereitungsanlage stecken, verdeutlichte Martin Bender auf dem WFZruhr-Workshop. Das Verpackungsgesetz schreibt – wie gesehen – für Kunststoffe eine 63-prozentige Recyclingquote für 2022 vor. Vorausgesetzt, dass eine Lizenzmenge von 1,6 Millionen Tonnen LVP eine Lizenzmenge von einer Million Tonnen Kunststoffe ergibt, würde das Soll für deren stoffliche Verwertung bei 585.000 Tonnen pro Jahr ab 2019 und 630.000 Tonnen pro Jahr ab 2022 liegen. Demgegenüber existiert ein momentanes Defizit bei 147.500 Tonnen für 2019 beziehungsweise 212.500 Tonnen für 2022. Auch beim Erreichen der Erfassungsmenge von 50 Prozent bestehe ein Defizit von elf Prozentpunkten, das bei über 275.000 Tonnen pro Jahr liegt.

Momentan liegt die Menge werkstofflich verwertbarer Kunststoffanteile im LVP-Input bei 833.100 Tonnen pro Jahr, ihr Anteil bei 32 Prozent. Nicht verwertbar sind 436.500 Tonnen pro Jahr mit einem Anteil am LPV-Input von 16,8 Prozent. Mengen und Anteile der restlichen, nicht kunststoffhaltigen Wertstoffe wie Weißblech, FKN, PPK und aluminiumhaltige Materialien sind nicht mehr potenzierbar.

Mehr LDPE- und MPO-flex-Rückgewinnung

Steigerungen sind hingegen in zwei Bereichen möglich. Zum einen bei Folien, wo mittlerweile exaktere Unterscheidungen der Kunststoffarten technisch möglich sind und die alte 310-Spezifikation zugunsten einer neuen LDPE-Spezifikation aufgegeben wird. Zum anderen können aus den Mischkunststoffen die Polyolefine abgetrennt und zur MPO-flex-Fraktion gebündelt werden. Das bedeutet, dass die Rückgewinnung der Folien-Fraktion zu Regranulaten von sechs auf neun Prozent wächst und die MPO-flex-Fraktion mit zusätzlich zwölf Prozent zu Buche schlägt. Die dann erreichbare wertstoffliche Verwertung summiert sich auf insgesamt 54 Prozent und liegt damit über der vorgeschriebenen 50-Prozent-Marke. Für Martin Bender sind demnach die im Verpackungsgesetz vorgegeben Verwertungsquoten „(überwiegend) machbar“. Aufgrund der Vorgaben erwartet er eine starke Nachfrage nach Verwertungskapazitäten für derzeitige Mischkunststoffe sowie für kleinformatige PE-Folien und flexible Mischpolyolefine.

Die Redebeiträge von Kerstin Kuchta, Michael Scriba und Michael Wieczorek können unter K. Wiemer, M. Kern, T. Raussen (Hrsg.), Bioabfall- und stoffspezifische Verwertung, Witzenhausen 2018, ISBN 3928673769 nachgelesen werden.

Foto: Lobbe

(EU-Recycling 06/2018, Seite 26)

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