- EU-Recycling - https://eu-recycling.com -

Voraussetzungen für den perfekten Kunststoffkreislauf

Der diesjährige Internationale Altkunststofftag, den der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) in Kooperation mit der BKV GmbH in Bad Neuenahr veranstaltete, hatte europäische Impulse für das Kunststoffrecycling zum Thema.

Kunststoffe haben derzeit nicht das beste Image. Weil gebrauchte Kunststoffverpackungen die Städte, die Landschaft und die Ozeane verschmutzen, beurteilen viele Politiker und Verbraucher die Produkte aus diesen Materialien negativ. Kunststoffe haben im Meer nichts zu suchen, betonte bvse-Vizepräsident Herbert Snell bei einem Pressegespräch vor der Fachtagung. Dies sei jedoch kein Problem des Werkstoffs, sondern des Umgangs damit.

Mit Blick auf Chinas Importrestriktionen von Kunststoff­abfällen unterstrich er, dass die chinesischen Behörden auf Umwelt- und Arbeitsschutz setzten. Es sei Konsens, dass vor allem in Asien eine funktionierende Abfallbewirtschaftung fehlt. In der Volksrepublik China würden gebrauchte Kunststoffprodukte über die Flüsse ins Meer gespült. Solange keine wirksamen Entsorgungs- und Recyclingstrukturen in Angriff genommen würden, werde sich an der Umweltbelastung nichts ändern. „Das muss man wissen, um die Dinge auch in Deutschland und Europa richtig einzuordnen und nicht in Hysterie zu verfallen“, so Snell. Seiner Meinung nach muss die Kunststoffindustrie ihrer Verantwortung gerecht werden und gemeinsam mit den Regierungen der betroffenen Länder sowie der Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft nach Lösungen suchen.

[1]

Herbert Snell: Im europäischen und internationalen Vergleich existiert in Deutschland eine starke Kunststoffrecycling-Industrie (Foto: bvse)

Im europäischen und internationalen Vergleich existiere in Deutschland eine starke Kunststoffrecycling-Industrie. Das werde in der aktuellen Diskussion teilweise unterschlagen. Das System der Produzentenverantwortung habe sich bewährt und sei von vielen Ländern übernommen worden.

Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des Fachverbandes Kunststoffrecycling im bvse, der zu seinen Mitgliedern mehr als 300 Firmen aus der Branche zählt, plädierte dafür, den Wert von Kunststoffen als Materialien deutlich zu machen, damit sie weitergenutzt werden. „Recycling und Recycling-Produkte dürfen kein Goodwill sein, sondern müssen selbstverständliche Notwendigkeit werden“, sagte er. „Deshalb brauchen wir auch eine glaubwürdige Vorreiterrolle der öffentlichen Hand, die eine enorme Marktmacht hat.“

In diesem Zusammenhang verwies er auf die Vorschläge des Fachverbandes zur Stärkung des Kunststoffrecycling. Ganz oben auf der Wunschliste steht die Optimierung der Sammelstrukturen, wobei an eine saubere und getrennte Erfassung von Verpackungsabfällen gedacht ist, um die notwendige Qualität der Sekundärrohstoffe zu erreichen. „Was für das Papierrecycling gilt, sollte auch dem Kunststoffrecycling nützen“, so Textor.

Weitere Punkte sind:
■ Die Neuordnung der Sortierung,
■ der Ausbau und Förderung des bestehenden Recycling,
■ das Durchsetzen eines recyclingorientierten Produktdesigns und
■ die Promotion des Kunststoffrecycling durch den erhöhten Einsatz von Rezyklaten in Produkten sowie durch Ausweiten des Green Public Procurement.

Europäische Aspekte

[2]

Dr. Dirk Textor: Recycling und Recycling-Produkte dürfen kein Goodwill sein, sondern müssen selbstverständliche Notwendigkeit werden (Foto: bvse)

Die EU habe das Thema Kunststoffrecycling für sich entdeckt, freute sich Dr. Thomas Probst, Referent im bvse-Fachverband, über die Karriere dieses bislang „stiefmütterlich“ behandelten Bereichs. Seiner Ansicht nach kann eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in Europa aber erst dann richtig in Schwung kommen, wenn europaweit ein Deponieverbot für unbehandelte Abfälle existiert; hier müsse nachgebessert werden. Gleichzeitig sollten Kunststoffe nach der Nutzung nicht ausschließlich in der Müllverbrennung landen.

Probst beklagte, dass die Ausweitung des Stoffrechts (REACH und CLP) sowohl das Abfallrecht aushebelt als auch große Kunststoffströme dem Recycling entzieht. Hier müsse schnellstens umgedacht werden. Der bvse fordere deshalb ein Mehr an Recycling über alle Stoffströme (Gewerbe und Industrie, WEEE und ELV). Hierfür seien die entsprechenden rechtlichen Strukturen sowie die Infrastruktur zu schaffen.

Kapazitäten ausschöpfen und neu investieren

Während der Fachveranstaltung gab es reichlich Gesprächsstoff für die mehr als 430 Teilnehmer. Die Themenpalette reichte von der die EU-Kunststoffstrategie über die Vorschläge für Verbote von Einwegkunststoffprodukten und einer neuen Abgabe auf Kunststoffverpackungen, die nicht recycelt werden können, bis zum EU-Kreislaufwirtschaftspaket.

Großen Raum nahmen ebenfalls die Diskussionen um den chinesischen Importstopp ein. Wer bisher auf den Export gesetzt habe, müsse umdenken, brachte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock die aktuelle Situation der Kunststoffmärkte auf den Punkt. „Vergeuden Sie nicht zu viel Energie damit, Alternativen für China zu suchen. Vietnam, Malaysia, aber auch osteuropäische Länder, wie beispielsweise Polen, sind allenfalls temporäre Lösungen“, unterstrich er. „Diese Länder werden sehr schnell sehr genau darauf achten, welche Materialqualitäten sie hineinlassen und welche nicht.“

[3]

Eric Rehbock: Wer bisher auf den Export gesetzt hat, muss umdenken (Foto: bvse)

Die Marschroute sei jetzt eindeutig: Für die Branche bedeute das, vorhandene Recycling-Kapazitäten auszuschöpfen „und auch neue Investitionen in weitere Recycling-Kapazitäten auszulösen“. Laut Rehbock könnten bessere Abschreibungsmöglichkeiten den kapitalintensiven Industrieanlagen einen wichtigen Schub geben. Nach Verbandsauffassung ist zudem die Gesetzgebung gefragt, die Auflagen für Anlagen-Genehmigungen im Rahmen zu halten und den Betrieb von Kunststoffrecycling-Anlagen, die vielen Menschen Beschäftigung bieten, in Zukunft zu erleichtern. „Wir müssen jetzt und nicht irgendwann die Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft in Europa schaffen“, verdeutlichte er die Position des bvse. „Das Kunststoffrecycling ist dazu ein wichtiger Baustein.“

Steigende Mengen in Europa

Christoph Lindner von der Conversio Market & Strategy GmbH informierte über die entsprechenden „Stoffströme in Europa“. Im Jahr 2016 fielen in Europa (EU-28 plus Norwegen und der Schweiz) mehr als 27 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. 19,7 Millionen Tonnen (oder 72, 7 Prozent) wurden unter anderem thermisch verwertet und 7,4 Millionen Tonnen (oder 27,3 Prozent) entsorgt beziehungsweise deponiert. Ins Recycling wurden über 8,4 Millionen Tonnen (oder 31,1 Prozent) geleitet, wobei fast die gesamte Menge (8,373 Millionen Tonnen) werkstofflich verwertet wurde. Ins rohstoffliche Recycling gelangten 67.500 Tonnen.

Ein Teil der für das werkstoffliche Recycling vorgesehenen Menge – 3,1 Millionen Tonnen – wurde exportiert, vor allem nach Asien. China bezog den Angaben zufolge 1,6 Millionen Tonnen, Hong Kong 700.000 Tonnen und Indien 100.000 Tonnen. Aufgrund der chinesischen Importrestriktionen rechnet Lindner damit, dass die Exportmenge in diesem Jahr auf weniger als zwei Millionen Tonnen sinken wird. Nach Lindners Prognose sollen die Mengen an Kunststoffabfällen in Europa künftig weiter steigen und 2020 rund 30 Millionen Tonnen im Jahr erreichen. Recycling und energetische Verwertung werden überproportional zunehmen und sich weiter positiv entwickeln, ist er überzeugt.

Deutschland: Herausforderung Verpackungsgesetz

[4]

Beim gut besuchten BKV-Workshop ging es um die Frage, wie die Recyclingquoten nach dem Verpackungsgesetz ab 2019 zu erfüllen sein werden (Foto: bvse)

Beim BKV-Workshop im Rahmen des Altkunststofftags ging es um die Frage, wie die Recyclingquoten für Kunststoffverpackungen, die in Deutschland nach dem Verpackungsgesetz ab 2019 gelten, zu erfüllen sein werden. Die Recyclingfähigkeit vieler Kunststoffverpackungen und die Qualität der Sammlung müssen besser werden, hieß es während der Veranstaltung. Ob die ambitionierten Zielvorgaben des Verpackungsgesetzes bereits in den ersten Jahren erreicht werden können, blieb weitgehend offen, berichtete die BKV.

Design for Recycling und Qualität der Sammlung sind entscheidende Voraussetzungen für mehr und hochwertiges Recycling. Das wurde in der von Dr. Jürgen Bruder, Hauptgeschäftsführer bei der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V., moderierten Runde an vielen Stellen deutlich. BKV-Geschäftsführer Rainer Mantel hatte bereits in seiner Begrüßung darauf hingewiesen, dass die gesamte Wertschöpfungskette gefragt sei. Der Gesetzgeber habe seinen Job fürs Erste gemacht, so Dr. Matthias Klein, der im Bundesumweltministerium maßgeblich am Verpackungsgesetz mitgewirkt hat. Der Abgleich mit dem kürzlich in Brüssel verabschiedeten Kreislaufwirtschaftspaket zeige aber, dass das Verpackungsgesetz, kaum in Kraft, schon seine erste Novelle erleben könnte, wenn auch nicht vor Ende nächsten Jahres. Doch würden laut Klein die erforderlichen Nachbesserungen das Gesetz „nicht auf den Kopf stellen“.

[5]

Nach Christoph Lindners Prognose werden die Mengen an Kunststoffabfällen in Europa künftig weiter steigen und 2020 rund 30 Millionen Tonnen im Jahr erreichen (Foto: bvse)

„Produktverantwortung ist mehr als Systembeteiligung“, unterstrich Gunda Rachut, Vorstand Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister. Sie kündigte an, dass Ende Juni der Entwurf einer Orientierungshilfe für recyclinggerechtes Design zur Konsultation veröffentlicht werde. Darüber hinaus prognostizierte sie einen deutlichen Anstieg der Lizenzmenge: „Die Einrichtung des Registers zeigt jetzt schon massiv Wirkung“, berichtete sie in Bad Neuenahr.

Dass die materialbezogene Quote ganz entscheidend vom Beteiligungsgrad der Inverkehrbringer abhängt, haben offenbar auch die Systembetreiber vor Augen. Dr. Fritz Flanderka, Geschäftsführer der Reclay Group, sprach von einem „doppelten Hebel“: Die Anhebung der Recyclingquote und die Zunahme der Beteiligungen würden letztendlich gegenüber heute eine Verdoppelung der zu recycelten Menge erforderlich machen. Doch bleibt Flanderka vorsichtig optimistisch: Die Vorgaben seien aus seiner Sicht ambitioniert, aber gerade noch erfüllbar. Vor­aussetzung sei, dass sich die Qualität der Sammelmenge deutlich verbessere.

Das sah Dr. Wolf Karras vom Wettbewerber RKD Recycling Kondor genauso, zeigte sich aber hinsichtlich der Erfüllbarkeit der materialspezifischen Quoten etwas skeptischer. Die sammelmengenbezogene Quote – 50 Prozent der im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne gesammelten Menge – halte er dagegen für sinnvoll. „Das wird teurer“, prognostizierte Karras, weil man an die jetzigen Sortierreste ranmüsse, um mehr Material zu generieren. Dafür könnten dann auch rohstoffliche Verwertungsverfahren das Mittel der Wahl werden.

Kein Problem bei der Quotenerfüllung sieht Dr. Clemens Pues, Vertriebsleiter Wertstoffe bei der Tönsmeier Unternehmensgruppe, die unter anderem auch Sortieranlagen betreibt. Es sei mit ausreichenden Sortierkapazitäten zu rechnen. Er bestätigte die Vertreter der dualen Systeme in der Einschätzung, dass die gesammelten Verpackungsabfälle in der Qualität immer stärker nachgelassen haben, seit die Kommunikation in Richtung Verbraucher mit Aufkommen des Wettbewerbs fast nicht mehr stattfinde. Hier müsse sich im Schulterschluss mit den Kommunen dringend etwas ändern. Der bvse-Fachverbandsvorsitzende Dr. Dirk Textor machte deutlich, dass es entscheidend darauf ankomme, dass in Zukunft eine ernsthafte fachliche Kommunikation zwischen Herstellern, Sortieranlagen, dualen Systemen und Recyclingunternehmen stattfinde. Genau daran habe es in der Vergangenheit gefehlt. Diese sei erforderlich, um zum einen die anspruchsvollen Recyclingquoten zu erreichen und zum anderen, um wettbewerbsfähige Recyclingprodukte auf den Markt bringen zu können.

Internationale Kunststoffmärkte

China habe in der Regel jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Kunststoffabfälle importiert, so Surendra Borad Patawari von der belgischen Gemini Corporation N.V. während der Informationsveranstaltung der AG Internationale Märkte im bvse. Die EU habe im Jahr 2016 Abfälle im Wert von vier Milliarden Euro nach China exportiert. Noch stärker waren die Handelsbeziehungen der USA mit der Volksrepublik, denn das Land hat nach den Angaben im vergangenen Jahr Abfälle im Wert von umgerechnet fünf Milliarden Euro nach China verkauft. Seit dem chinesischen Importstopp haben sich die Märkte in Richtung Vietnam, Malaysia, Thailand und Indonesien verschoben, so der Experte, der ein Ende der Aufnahmekapazität dieser Länder aus unterschiedlichen Gründen voraussagt.

Um die Kunststoffmengen trotzdem unterzubringen, rät Surendra Borad Patawari, der auch als Vorsitzender des Kunststoff-Komitees im Bureau of International Recycling fungiert, mit den Betreibern von – neu entstehenden – Kunststoffrecyclinganlagen zusammenzuarbeiten, um gebrauchte Kunststoffe zu verkaufen und das aufbereitete Material zu kaufen. Diesen Weg gehe sein Unternehmen, berichtete er. Außerdem gab der Marktkenner den Rat, mit den Zulieferern von großen Firmen wie Ikea, Unilever und Proctor & Gamble zu kooperieren. Diese bräuchten demnächst größere Mengen an aufbereiteten Sekundärkunststoffen, da sie mehr Recyclingmaterial in ihren Produkten einsetzen wollen.

Bob Yang (China Resource Recycling Association – International Cooperation Committee) berichtete in seinem Vortrag unter anderem, dass in China mehrere tausend Recyclinganlagen geschlossen wurden und chinesische Unternehmen Betriebe im Ausland aufbauen, um aufbereitetes Material nach China zu verkaufen. Mehr als 1.000 chinesische Unternehmen investierten in entsprechende Anlagen beispielsweise in Malaysia, Thailand und Vietnam, zumal die chinesische Regierung solche Aktivitäten durch die Politik „Belt and Road“ ermuntere.

Wang Wang von der China Synthetic Resin Association – Plastic Recycling Branch in der China Scrap Plastics Association informierte über den Plan der chinesischen Regierung, dass sich die Volksrepublik vom weltweit größten Importeur von Kunststoffabfällen zum größten Importeur von Recyclingkunststoffen wandeln soll.

Brigitte Weber

Foto: Andi Karg

(EU-Recycling 08/2018, Seite 17)

[6]

Anzeige