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Tschechien: Viele Investitionsvorhaben in der Abfallwirtschaft

Das Land muss ein enges Netz an Verarbeitungskapazitäten aufbauen. Dazu gehören in erster Linie Anlagen zur Müllverbrennung und zur Energiegewinnung aus Bioabfällen. Geschäftsmöglichkeiten bieten die Sanierung von Deponien und die Digitalisierung der Abfallwirtschaft.

Nach Angaben des Umweltministeriums produzierte Tschechien 2016 eine Abfallmenge von 34 Millionen Tonnen. Davon entfiel ein Sechstel auf kommunale Abfälle. Das Statistik­amt kommt mit einer abweichenden Berechnungsmethode auf knapp 26 Millionen Tonnen, davon 3,6 Millionen Tonnen Siedlungsabfall. Diese Zahlen werden auch von Eurostat verwendet. Sie ergeben für 2016 eine Pro-Kopf-Produktion von 339 Kilogramm Hausmüll. Das sind über 30 Kilogramm mehr als drei Jahre zuvor. Das Wirtschaftswachstum in Tschechien führt zu steigenden Abfallmengen. Der EU-Durchschnitt liegt bei über 480 Kilogramm, in Deutschland bei 627 Kilogramm.

Tschechien hat bei der Wiederverwertung seiner Abfälle in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Die Deponierungsquote bei Siedlungsabfällen ist unter die Marke von 50 Prozent gefallen, bleibt aber im EU-Vergleich sehr hoch. Schon ab 2024 soll die Mülleinlagerung auf Deponien verboten werden. Das Ziel kann nur erreicht werden, wenn die energetische Nutzung der Haushaltsabfälle vorankommt. Mehrere Investitionsprojekte stehen in der Pipeline, werden aber nicht realisiert, weil die niedrigen Deponierungskosten die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen. Derzeit kostet die Deponierung einer Tonne Hausmüll 500 Kronen (fast 20 Euro). Diese Gebühr soll sich bis 2024 vervierfachen.

Deutlich angestiegen ist das Engagement der Haushalte bei der Abfalltrennung. Drei von vier Tschechen nutzen die Wertstoffcontainer – doppelt so viele wie zu Beginn des Jahrtausends. Im Jahr 2016 wurden pro Kopf 45 Kilogramm Glas, Altpapier, Kunststoffverpackungen und Getränkekartons eingesammelt. Nachholbedarf besteht bei Elektronikschrott. Marktexperten zufolge wird erst ein Viertel des tatsächlichen Aufkommens über Sammelcontainer erfasst.

Finanzierungszusagen für hunderte Projekte

Mit EU-Mitteln aus dem Operationellen Programm „Umwelt“ finanziert das tschechische Umweltministerium Förderprogramme zur Reduzierung der Müllberge und zur Abfallverwertung. Zuschüsse bekommen Sammel-, Trenn- und Weiterverarbeitungsprojekte sowie Vorhaben zur Energiegewinnung aus Abfällen, etwa durch Pyrolyse, Vergasung oder zur Treibstoffgewinnung. Dazu gehören auch Verbrennungsanlagen für Klärschlamm. Die Abwicklung erfolgt über den Staatlichen Umweltfonds SFZP, der aktuell für mehrere hundert Projekte Finanzierungszusagen gegeben hat.

Besonders bei der Nutzung von Bioabfällen bietet Tschechien Potenzial. Derzeit sind sieben Anlagen in der Planung, in deren Bau über 20 Millionen Euro aus EU-Fonds fließen sollen.
Die teuersten Projekte in der tschechischen Müllwirtschaft stehen beim Bau und der Sanierung von Verbrennungsanlagen an. Derzeit sind vier Objekte mit einer Gesamtkapazität von 750.000 Tonnen pro Jahr in Betrieb. Fünf Neubauvorhaben befinden sich in der Planung.

Die Entsorgung von Altautos könnte zu einem interessanten Geschäftsfeld werden: Der Umweltfonds SFZP will Abwrackfirmen ab 2019 eine Prämie von 700 Kronen (rund 28 Euro) pro entsorgtem Auto zahlen. Voraussetzung ist die Wiederverwertung von mindestens 20 Kilogramm Reifen, 25 Kilogramm Glas, 35 Kilogramm Kunststoffe und 20 Kilogramm Textilien.

Im Rahmen von Smart-City-Projekten hält auch die Digitalisierung in der kommunalen Abfallwirtschaft Einzug: Mülltonnen erhalten Sensoren und Funkchips, um die Füllhöhe zu messen und die Fahrtrouten zu optimieren. Für ein Pilotprojekt im mittelböhmischen Kolin lieferte ein deutsches Unternehmen intelligente Etiketten.

Zum Teil von ausländischen Firmen kontrolliert

Tschechiens Abfallwirtschaft ist sehr dezentral organisiert. Landesweit gab es Anfang 2018 laut Umweltministerium 186 Deponien. Es existieren über 900 Kompostieranlagen, 740 Müllzerkleinerungslinien, rund 540 Abwrackhöfe für Altautos und 240 Betriebe, die sich mit der Behandlung von Elektroschrott befassen. Eine Übersicht aller Unternehmen und Anlagen bietet das Portal https://isoh.mzp.cz/RegistrZarizeni [1].

Das Abfallgeschäft wird zum Teil von ausländischen Gesellschaften kontrolliert. Umsatzstärkstes Unternehmen ist die Tochterfirma der auf Schrottrecycling spezialisierten TSR Group aus Bottrop. Die spanische FCC Group gehört zu den führenden Entsorgern von Siedlungsabfällen. Sie kümmert sich um den Abfall von 1,2 Millionen Tschechen und fast 19.000 Unternehmen, betreibt zwölf Deponien sowie zahlreiche Sortier- und Kompostieranlagen. Die dänische Marius Pedersen ist landesweit aktiv. Neben der Entsorgung von Siedlungsabfällen sind Gefahrstoffe und ökologische Altlasten ein Schwerpunkt.

Suez ist ebenfalls mit mehreren Deponien, Verbrennungsanlagen und Kompostierstationen in Tschechien präsent. Ein wichtiger Wettbewerber ist außerdem das Entsorgungsunternehmen AVE CZ, das zur tschechischen Holding EP Industries gehört. In der Hauptstadt Prag trennte sich AVE CZ von seinen Anteilen an Prazske sluzby (PSAS). Das Entsorgungsunternehmen soll wieder komplett in kommunale Hand kommen. PSAS betreibt auch die Müllverbrennungsanlage in Prag. Die Sammlung und Weiterverarbeitung von Verpackungsabfällen dominiert das Unternehmen Eko-Kom.

Tschechien ist offen für ausländische Investoren in der Abfallwirtschaft. Der Sektor gehört zu den vorrangigen Zielen für Mittel aus EU-Fonds, sodass auch künftig hohe Investitionen in die Sanierung von Deponien sowie in Sammel-, Sortier- und Verarbeitungskapazitäten fließen werden. Das Abfallgeschäft ist regional zum Teil monopolisiert. Die Kommunen schrei­ben regelmäßig Entsorgungsaufträge neu aus. Bei der Vergabe kommt es zuweilen zu Unstimmigkeiten und Verzögerungen. Die Verfahren sind nicht immer transparent.

Verfasser: Gerit Schulze, Quelle: Germany Trade & Invest

Foto: pixabay

(EU-R 08/2018-S)