Schrottmarktbericht: Rätselraten

Die Abschlüsse im Berichtsmonat August erfolgten relativ zügig. Abnehmer und Lieferanten einigten sich auf einen Preisabschlag gegenüber dem Vormonat von durchschnittlich 5 Euro pro Tonne. Einige Marktteilnehmer hätten gerne höhere Abschläge durchgesetzt, konnten ihre Vorstellungen jedoch nicht verwirklichen. Laut Informationen aus Handelskreisen kauften einige Verbraucher Mengen über ihren Augustbedarf hinaus, da sie anscheinend frühzeitig auf die für September erwarteten Preiserhöhungen reagieren wollten.

Der Handel berichtete, dass alle angebotenen Mengen verkauft werden konnten und alle Werke ausreichend versorgt wurden. Die ostdeutschen Werke senkten die Einkaufspreise je nach Werk und Sorte um 3 bis 7 Euro pro Tonne, im Westen fielen sie um 5 bis 7,50 Euro pro Tonne, im Nordwesten um 3 bis 5 Euro pro Tonne und im Süden und Südwesten – je nach Zeitpunkt des Abschlusses, der angebotenen Sorte und des Abschlusspreises – im Vormonat um 5 bis 12 Euro pro Tonne.

Die Marktteilnehmer klagen weiter massiv über sich verschärfende Transportprobleme, die alle Regionen in Deutschland betreffen. Sowohl die unzureichende Waggonversorgung der Deutschen Bahn als auch immer deutlicher zu Tage tretende Probleme durch fehlende Lkw-Fahrer oder zusätzliche Mautkosten sowie das anhaltende Niedrigwasser auf Schifffahrtswegen ohne Schleusen reduzieren drastisch die Möglichkeiten, Liefertermine einzuhalten. Lieferanten, die per Binnenschiff Schrottmengen ausliefern wollen, waren im August besonders betroffen, da durch den Kleinwasserzuschlag (KWZ) die Frachtmengen deutlich reduziert sind. Allerdings haben gleichzeitig Werke mit Wasseranschluss teilweise Probleme, ihre Fertigprodukte auszuliefern, sodass es zu Produktionskürzungen gekommen ist.

Verwerfungen

Mit dem Tweet des amerikanischen Präsidenten am 10. August 2018, in dem er unter anderem mit Hinweis auf den Schutz der nationalen Sicherheit (Section 232) ankündigte, den Einfuhrzoll auf türkischen Stahl von 25 auf 50 Prozent und auf Aluminium von 10 auf 20 Prozent anzuheben, änderte sich die Stimmung im Schrottmarkt schlagartig. Trumps Ankündigungen brachten zudem die bereits wegen innertürkischer Probleme arg gebeutelte türkische Lira endgültig zum Absturz. Den Twitter-Tiraden des Präsidenten folgten am 13. August 2018 Taten, sodass alle ab diesem Datum in den USA angelieferten Stähle türkischen Ursprungs vom 50-prozentigen Strafzoll betroffen sind. Der Verlust für die betroffenen türkischen Stahlwerke dürfte erheblich sein, obwohl sie ihre Stahlexporte in die USA bereits reduziert hatten. Erschwerend kommen die wirtschaftlichen Probleme innerhalb der Türkei hinzu, durch die der Stahlabsatz seit Juni im Inland nicht mehr in Schwung gekommen ist. Folgt man Schätzungen aus Handelskreisen, versuchen rund 60 Prozent der türkischen Hersteller, ihre Produktion ins Ausland zu verkaufen. Dank der aggressiven Zollpolitik der USA erschweren weltweit diverse Handelshemmnisse den Warenverkehr, wovon die EU ebenfalls betroffen ist.

Dämpfer

Der Handelsstreit ging am Schrottmarkt nicht spurlos vorüber. Die türkischen Nachfrager reduzierten ihre Schrott­importpreise ab dem 10. August 2018 beispielsweise für die Standardsorte HMS 1/2 (80:20) um bis zu 30 US-Dollar pro Tonne CFR Türkei. Sie scheinen dennoch die fehlenden Mengen für die möglicherweise reduzierte Septemberproduktion weitgehend beschafft zu haben. Über die internationale Fachpresse kamen entsprechende Informationen verzögert und unvollständig. Die intensiven Bemühungen vieler türkischer Stahlhersteller, die Fertigstähle international abzusetzen, verschafft den Werken Devisen, mit denen sie unter anderem Rohstoffe auf Dollarbasis importieren können. Die Probleme im Zusammenhang mit der hohen Inflation im Inland werden damit aber nur zum Teil gelöst. Interessant war für den Schrottmarkt, dass türkische Verbraucher seit der 32. Kalenderwoche beispielsweise den Shredderschrott wieder mit der üblichen Differenz zur Standardexportsorte von 5 US-Dollar pro Tonne einkaufen konnten. Die Differenz hatte von Mai bis Ende Juli bei 10 bis 15 US-Dollar pro Tonne gelegen. In der 34. Kalenderwoche feiert die islamische Welt ihr Opferfest, und die Käufer haben sich vom Markt weitgehend zurückgezogen. Mit Spannung wird das Einkaufsverhalten der türkischen Schrottnachfrager nach den Feierlichkeiten erwartet. Alternative Absatzmöglichkeiten scheinen sie für den Betonstahl bei sukzessiv steigenden Preisen in Südostasien gefunden zu haben. Währenddessen haben europäische Exportlager ihre Preise frei Lager wegen der herrschenden Unsicherheit deutlich reduziert, und auch der Inlandsschrotthandel hat begonnen, seine Annahmepreise zu korrigieren.

Nachbarländer

Deutschland, Basisjahr 2010 = 100, Quelle: Statistisches Bundesamt/Destatis

Im traditionellen italienischen Ferienmonat August war der Importbedarf der Werke entsprechend gering. Die wenigen Verbraucher, die im August kauften, reduzierten die Einkaufspreise um rund 5 Euro pro Tonne. Der Verbraucher in Luxemburg senkte den Einkaufspreis für Neuschrott um 3 Euro pro Tonne und für die übrigen Sorten um 5 Euro pro Tonne. Die Abschläge in Frankreich und in Belgien lagen bei rund 5 Euro pro Tonne. In der Schweiz reduzierten die Werke ihre Einkaufspreise für in- und ausländische Lieferanten um 5 bis 8 Euro pro Tonne. In Polen sind die Preise wegen des hohen Bedarfs der Inlandswerke stabil geblieben. Dennoch konnten aus Polen, aber auch aus Tschechien zu dem in Europa üblichen Abschlag von rund 5 Euro pro Tonne ausreichende Mengen importiert werden. Im Vereinigten Königreich hätten die Verbraucher genau wie auf dem Kontinent im Berichtsmonat gerne deutliche Abschläge vorgenommen. Um aber die Fertigstahlpreise nicht zu gefährden, senkten sie die Preise je nach Werk und Sorte um 11 bis 16 Euro pro Tonne. Da die Briten im Rahmen der EU noch ein bedeutender Schrottlieferant für die Türkei sind – es waren laut SteelData im ersten Halbjahr 2018 rund 1,5 Millionen Tonnen – wachsen auch dort die Sorgen darüber, wie hoch die Absatzsicherheit in die Türkei sein wird.

Gießereien

Der Handel berichtete über Preisreduzierungen bei an keinen Preisindex gebundenen Gießereien von rund 5 Euro pro Tonne. Der Bedarf war zwar ferienbedingt reduziert, aber diejenigen, die kauften, hatten einen hohen Bedarf. Ebenso zeigte sich der Schrotthandel mit den Bestellmengen der Gießereien, die ihre Produktion im August wieder aufgenommen haben, zufrieden, zumal die meisten Gießereien zumindest für den kommenden Monat einen entsprechend hohen Bedarf signalisierten. Die Querelen im Osten Deutschlands zwischen einem Zulieferer, seinen Arbeitnehmern und einem Automobilhersteller sind vorerst beendet.

Schlussbemerkungen

Der europäische Stahlmarkt befindet sich in einer guten Verfassung, die durch die – seit dem 19. Juli 2018 vorerst für 200 Tage in Kraft getretenen – EU-Schutzklauselmaßnahmen zusätzlich gestärkt wird. Diese Marktabschottung soll verhindern, dass Europa mit günstigem ausländischen Stahl überflutet wird. Wie aus Marktkreisen zu hören war, sind die Auftragsbücher der meisten Stahlhersteller gut gefüllt; und einige Hersteller hatten bereits Preiserhöhungen für September ins Auge gefasst. Dieses Vorhaben könnte im Gegensatz zur erwarteten Schrottmarktentwicklung stehen. In Händlerkreisen geht man aufgrund der aktuellen internationalen Entwicklung von rückläufigen Schrottpreisen im September aus. Der Umfang der Preisreduzierung wird jedoch unterschiedlich eingeschätzt, je nachdem wie pessimistisch die politische Lage beurteilt wird. Die unberechenbaren Aktionen des amerikanischen Präsidenten erzeugen Gegenreaktionen der betroffenen Länder und verunsichern die Marktteilnehmer in hohem Maße, sodass viel Raum für Spekulationen in alle Richtungen bleibt. Es ist derzeit nicht absehbar, wie schnell die türkischen Stahlwerke den Ausschluss vom US-Markt durch andere Abnehmer kompensieren können oder wie die im Exportgeschäft involvierten Banken im Zuge der Finanzierungen die Sicherheit der türkischen Banken einschätzen werden. Die Türkei hat im Weltmarkt als weltgrößter Schrottimporteur eine exponierte Stellung, und so ist das Schrottmarktgleichgewicht in der EU in hohem Maße von den Schrottexporten in die Türkei abhängig. Laut Angaben von SteelData lieferten europäische Exporteure im ersten Halbjahr 2018 rund 6,5 Millionen Tonnen Schrott in die Türkei und erreichten damit einen Lieferanteil von über 60 Prozent. Die amerikanischen Mitbewerber führten knapp 2 Millionen Tonnen Schrotte in die Türkei aus und kamen auf einen Lieferanteil von 18,4 Prozent. Das Marktgleichgewicht ist sehr fragil. Kleine Mengenänderungen können große Preisänderungen bewirken und die Fertigstahlpreise unmittelbar beeinflussen.

Redaktionsschluss 22.08.2018, BG-J/bvse (Alle Angaben/Zahlen ohne Gewähr)

Foto: O. Kürth

(EU-Recycling 09/2018, Seite 30)

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