Was bringt die Orientierungshilfe – eine Erleichterung?

Verpackungen, die nicht oder schlecht recycelbar sind, werden ab dem kommenden Jahr in Deutschland teurer. So sieht es das Verpackungsgesetz vor. Zur Erläuterung schlug die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), die ab Januar 2019 zuständig für die Kontrolle des Verpackungsrecyclings zeichnet, eine erste Orientierungshilfe für die Bemessung des recyclinggerechten Designs von Verpackungen vor. Sie gilt ab 2019 für die dualen Systeme verpflichtend als Mindeststandard. Was bringt die Orientierungshilfe?

Dem Entwurf einer ersten Orientierungshilfe am 21. Juni dieses Jahres ging die Veröffentlichung eines „Katalogs systembeteiligungspflichtiger Verpackungen“ und eines Leitfadens voraus, zu dem die „betroffenen Kreise“ bis zum 21. September 2018 schriftlich Stellung nehmen konnten. Der Katalog umfasst knapp 1.700 Seiten, 36 Produktgruppen und 417 Einzeldatenblätter. Ein zugehöriger Leitfaden soll die Anwendung des Kataloges erläutern und erleichtern sowie den rechtlichen Hintergrund darstellen. (www.verpackungsregister.org/stiftung-standards/konsultationsverfahren/konsultationsverfahren-katalog/)

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Rechtssicher Beteiligungspflicht feststellen

„Mit dem Katalog schaffen wir eine Grundlage, um es für alle Beteiligten einfacher zu machen. Künftig kann jeder Verpflichtete mit einem Blick in den Katalog rechtssicher feststellen, ob seine Verpackung systembeteiligungspflichtig ist. Wir beseitigen damit viele Unklarheiten der vergangenen Jahre“, postulierte ZSVR-Vorstand Gunda Rachut. Und auch der Grüne Punkt/DSD – Duales System Holding GmbH & Co. KG begrüßte die Vorlage des Katalogs: Mit dem Leitfaden könnten Händler und Produzenten künftig einfach überprüfen, ob sie Verpackungen bei den Systemen beteiligen müssen. CEO Michael Wiener glaubt, dass durch den Katalog der Beteiligungsgrad an den Systemen steigt: „Wir kommen damit fairem Wettbewerb einen großen Schritt näher.“ Mit dem zusätzlichen Entwurf einer Orientierungshilfe wollen ZSVR und Umweltbundesamt den dualen Systemen frühzeitig die Möglichkeit geben, die finanziellen Anreize für die Recyclingfreundlichkeit der Verpackungen auszugestalten. „Die Hersteller brauchen oft einen längeren Vorlauf, um die Verpackungsmaschinen umzustellen oder neue Prozesse zu schaffen. Wir wollen hier frühzeitig Informationen bereitstellen, um Innovationen in Gang zu setzen“, erklärte Gunda Rachut. In einem Konsultationsverfahren hatten die betroffenen Kreise bis zum 17. August 2018 die Möglichkeit, ihre Stellungnahmen zur Orientierungshilfe abzugeben. Nach Prüfung durch die Zentrale Stelle sollte in Abstimmung mit dem Umweltbundesamt im September die finalisierte Orientierungshilfe zur Verfügung stehen (nach Redaktionsschluss am 17. September 2018).

Recyclingfähigkeit bemessen

Das Verpackungsgesetz zielt darauf ab, Verpackungen, die in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden können und aus denen wieder neue Produkte und Verpackungen entstehen, besser zu stellen. Anders gesagt: Die Entsorgung nicht- oder schlecht-recycelbarer Verpackungen soll sich verteuern. Allerdings ist die Bewertung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen von Wertstoff zu Wertstoff verschieden. „Eine Recyclingfähigkeit einer Verpackung aus Glas oder Pappe von 90 Prozent kann relativ wenig sein, während dies für eine Verpackung aus mehreren Materialien ein sehr hoher Anteil wäre“, macht Gunda Rachut deutlich. „Wichtig ist, dass nur der Anteil in die Bemessung der Recyclingfähigkeit eingeht, der auch tatsächlich recycelt wird. Das ist bei einer Mehr-Materialien-Verpackung oft nur einer der verwendeten Werkstoffe.“

Vorstufe zum Mindeststandard

Inverkehrbringern von Verpackungen – also Herstellern und Händlern – sollte folglich daran gelegen sein, für alle Verkaufsverpackungen eine möglichst hochwertige Entsorgung beziehungsweise ein möglichst hochwertiges Recycling zu sichern. Nach Paragraf 21 Verpackungsgesetz sind die dualen Systeme sogar verpflichtet, im Rahmen der Bemessung von Beteiligungsentgelten Anreize zu schaffen, um bei der Herstellung von – systembeteiligungspflichtigen – Verpackungen die Verwendung von Materialien und Materialkombinationen zu fördern, die zu einem möglichst hohen Prozentsatz recycelt werden können. „Der Mindeststandard/ Orientierungshilfe dient somit dazu, für die erforderliche Bemessung eine Grundlage zu liefern, die nicht unterschritten werden darf.“ Die Orientierungshilfe im Jahr 2018 als Vorstufe des Mindeststandards im Jahr 2019 stellt somit eine Vorstufe zur eigentlichen Anreizgestaltung durch die dualen Systeme dar, darf jedoch keine Aussage zur konkreten Anreizsetzung durch die Systeme oder Anreizmodelle treffen; dies wäre ein Eingriff in die wettbewerbsrechtlich geschützte Preisgestaltungs-Freiheit der Systeme. Die neuen Vorgaben zur ökologischen Ausrichtung der Finanzierung gelten für die dualen Systeme ab Januar 2019. Zum 1. Juni 2019 müssen die dualen Systeme einen ersten Bericht an die Zentrale Stelle abgeben, wie die Vorgaben umgesetzt wurden.

DHK und VKU

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag verwies nach der Veröffentlichung der ersten Orientierungshilfe auf seine Stellungnahme vom September 2016. Darin hatte der Verband seine Befürchtung zum Ausdruck gebracht, „dass die Methode zur Festlegung von Mindeststandards für die Bemessung der Recyclingfähigkeit die Gefahr eines direkten Eingriffs von Zentraler Stelle und UBA-Fachaufsicht auf die Produktgestaltung und Produktion von Unternehmen birgt“. Die mögliche Öffnung der Lizenzentgelt-Bemessung könnte den Preiswettbewerb unter den dualen Systemen beeinträchtigen und zu Mehrkosten führen. Und alles in allem sei nicht auszuschließen, dass sich Herstellung und Entsorgung von Verpackungen ändern werden und sich die Beiträge an die dualen Systeme erhöhen könnten. Auch für den Verband kommunaler Unternehmen zieht das Verpackungsgesetz für die Beteiligten an der Verpackungsentsorgung vor allem umfangreiche Umstellungen und Neuerungen nach sich: Eine sorgfältige Vorbereitung sei geboten. Insbesondere seien die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger herausgefordert, die Abstimmungsvereinbarung mit dem gemeinsamen Vertreter der dualen Systeme neu zu verhandeln. Möglicherweise müssten auch verbindliche Rahmenvorgaben vorbereitet werden, falls Kommunen Umstellungen des Sammelsystems für LVP wünschen. Am folgenreichsten würden sich allerdings die Umstellungen und Kostenverschiebungen bei der Mitbenutzung der kommunalen PPK-Sammlung durch die dualen Systeme auswirken. Weitere Informationen sollen auf den VKU-Infotagen „Das neue Verpackungsgesetz“ am 25. September in Berlin und am 11. Oktober in Essen vorgelegt werden.

BDE und bvse

Angesichts der Ausschreibungsunterlagen für die Vergabe der Erfassungsdienstleistungen hatte der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. bereits im Mai 2017 moniert, dass in den anstehenden Verträgen für 2018 bis 2020 nicht geregelt sei, „unter welchen Voraussetzungen die dualen Systeme die Fortsetzung bestehender Sammelaufträge gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgern verlangen müssen, wenn bestehende Abstimmungsvereinbarungen geändert werden“. Dies könne für alle Unternehmen, die ein Angebot abgeben, zu unabsehbaren Kalkulationsrisiken führen, falls Kommunen Abstimmungs-Vereinbarungen erneuern oder Rahmenvorgaben erlassen wollen: Neue Abstimmungs-Vereinbarungen seien ab Januar 2019 möglich, neue Rahmenvorgaben könnten ab Januar 2020 wirksam werden. Der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. begrüßte die von der Zentralen Stelle vorgelegte „Orientierungshilfe zur Bemessung des recyclinggerechten Designs von systempflichtigen Verpackungen“. Mit ihr würden die zentralen Kriterien für das recyclinggerechte Design von Verpackungen formuliert. „Aus unserer Sicht ist damit das Ziel erreicht worden, Mindeststandards für die Recyclingfähigkeit von systempflichtigen Verpackungen aufzustellen“, unterstrich bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. Allerdings warnte er vor der Benutzung des Begriffs „hochwertiges werkstoffliches Recycling“: Da es für ihn keine juristisch festgelegte Definition gäbe, lade er zu unnötigen Missverständnissen ein. Es sei, so Rehbock, zielführender, im Text der Orientierungshilfe durchgängig die Bezeichnung „Recyclingfähigkeit“ zu verwenden und sowohl die Mischkunststoff-Rezyklate wie auch die hieraus hergestellten Endprodukte nicht als „minderwertig“ einzustufen.

LUCID ist online

Mittlerweile ist – vier Monate vor Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes – das Verpackungsregister LUCID online gegangen. Hersteller, die hier nicht registriert sind, dürfen ihre verpackte Ware ab dem 1. Januar 2019 nicht mehr verkaufen. Außerdem sollte das System vor Trittbrettfahrern schützen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze betonte, die Zentrale Stelle und LUCID würden dazu beitragen, dass die Kosten künftig fair auf alle Verursacher verteilt werden. „Manche Produzenten, die sich bisher vor ihrer Verantwortung gedrückt haben, werden sich dann womöglich zum ersten Mal Gedanken machen müssen, wie sie sparsamer und ökologischer verpacken können.“ Und Gunda Rachut unterstrich, dass gerade kleine Unternehmen „ausreichend Zeit“ bekommen sollen, um die Vorgaben des Verpackungsgesetzes reibungslos bis zum offiziellen Inkrafttreten des Gesetzes umsetzen zu können. Der Entwurf der „Orientierungshilfe zur Bemessung der Recyclingfähigkeit von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen“ (Stand: 19. Juni 2018) kann über die Seite www.verpackungsregister.org/stiftung-standards/konsultationsverfahren/konsultationsverfahren-orientierungshilfe/ heruntergeladen werden.

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Es besteht weiterer Handlungsbedarf

Wie noch mehr „überflüssige Verpackungen“ vermieden werden können.

Hinsichtlich des Verpackungsgesetzes will Bundesumweltministerin Svenja Schulze „zusammen mit dem Handel und großen Herstellern überlegen, wie noch mehr überflüssige Verpackungen vermieden werden können, so wie uns das schon bei den Plastiktüten gelungen ist. Hier sehe ich beispielsweise immer noch großes Vermeidungspotenzial bei der Verpackung von Obst und Gemüse oder im Frischebereich. Auch über die Förderung von Mehrweglösungen möchte ich mit der Wirtschaft ins Gespräch kommen. Darüber hinaus gibt es zurzeit wichtige Initiativen auf europäischer Ebene zur Vermeidung überflüssiger Einwegkunststoffartikel, die Deutschland unterstützt.“ Von der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) erwartet die Ministerin, dass sie „mithilfe ihrer weitgehenden Prüfkompetenzen eventuelle Unregelmäßigkeiten und Pflichtverstöße schnell erkennt, aufklärt und so zu einem effektiven Gesetzesvollzug durch die Länder maßgeblich beiträgt“.

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Foto: pixabay

(EU-Recycling 10/2018, Seite 6)

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