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Der Markt für Lithium-Ionen-Batterien wird stärker in Bewegung geraten als jemals zuvor

Treiber dafür ist die Elektromobilität, die in China eingesetzt hat und in den nächsten Jahren weltweit den Trend bestimmen wird. Welche Bedingungen und Auswirkungen diese Entwicklung für das Batterierecycling haben dürfte, erörterten die Teilnehmer des 23. Internationalen Batterierecycling-Kongresses (ICBR) am 26. und 27. September in Berlin.

Bis zum Jahr 2025 wird sich der Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien (LIB) in elektrisch betriebenen Fahrzeugen mit einer jährlichen Rate von 17 Prozent drastisch erhöhen. Bis dahin sollen Batterie-Kapazitäten von über 40.000 Megawattstunden (MWh) für Elektrofahrzeuge, rund 70.000 MWh für Elektro- und Plug-in-Hybrid-Elek­trofahrzeuge in China sowie über 25.000 MWh für chinesische Elektrobusse zur Verfügung stehen. Und Kosten in Höhe von rund sieben Milliarden US-Dollar für LIB in Elektrofahrzeugen, rund zehn Milliarden für LIB in Elektro- und Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen in China sowie über sechs Milliarden für LIB in chinesischen Elektrobussen verursachen. Das erklärte Didier Marginèdes (Blue Solutions, Frankreich), der sich dabei auf Daten von Avicenne Energy bezog. Bis 2020 wird sich im Vergleich zu 2015 der Bedarf für Lithium-Ionen auf das Fünffache erweitert haben: von 672 auf 3.537 Millionen Stück. Wobei insbesondere die Kategorie Energiespeichersysteme zulegen wird: von 27 auf 754 Millionen Stück, erklärte Holger Kuhlmann (Redux Recycling GmbH, Offenbach).

Eine Lithium-Ionen-Revolution

Mit Rückgriff auf die Studie „The lithium-ion battery end-of-life market 2018-2015“ sprach Hans Eric Melin (Creation Inn Ltd, Vereinigtes Königreich) von einer Lithium-Ionen-Revolution. So sei von 2000 bis 2017 nicht einmal annähernd eine Million Tonnen LIB weltweit auf den Markt gekommen, während bis 2025 über 4,5 Millionen Tonnen erwartet werden – insbesondere durch massive Steigerungen im Bedarf für Elektrofahrzeuge und Energiespeichersysteme. Bis 2025 werden global rund 700.000 Tonnen an ausgedienten Batterien auf dem Markt sein. Davon stehen circa 400.000 Tonnen für ein Recycling zur Verfügung: Etwa die Hälfte der Tonnage liefert die Verbrauchselektronik, annähernd 100.000 Tonnen Elektrofahrzeuge und -busse. Rund ein Drittel der 400.000 Tonnen besteht aus Lithium-Kobalt-Oxid-Batterien, ein weiteres Drittel aus Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien. Rund 270.000 Tonnen der recycelten Lithium-Ionen-Batterien stammen aus China, etwa 50.000 Tonnen aus Süd-Korea; Europa ist für rund 30.000 Tonnen zuständig.

Für eine Zweitverwendung von Elektrofahrzeug-Batterien sollen bis 2025 nach Darstellung von Hans Eric Melin LIB-Kapazitäten in Europa in Höhe von circa 2,5 Gigawattstunden (GWh), in den USA von rund einer GWh und in China von annähernd 12,0 GWh existieren. Bis 2030 rechnet er mit einem Batterie-Angebot an kumulativen 180 GWh zur Zweitverwendung, dem ein globaler Gesamtbedarf von etwas über 300 GWh gegenübersteht. Hirohito Teraoka (FDK Corporation, Japan) geht davon aus, dass der Markt für Sekundärbatterien von 2015 bis 2021 von 18,5 auf 34,6 Milliarden Euro anwachsen wird, wovon Lithium-Ionen-Batterien mit rund 28 Milliarden Euro den Löwenanteil ausmachen, Nickelmetallhydrid-Akkumulatoren mit knapp zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen und Nickel-Cadmium-Batterien völlig vom Markt verschwinden.

Materialbedarf zunehmend

Den künftigen weltweiten Bedarf an Lithium für Elektrofahrzeug-Batterien beziffert Matthias Buchert (Öko-Institut, Deutschland) bei einem Klimaziel von zwei Grad Celsius auf rund 150.000 Tonnen in 2030 und rund 500.000 Tonnen in 2050, von denen rund 15.000 beziehungsweise 200.000 Tonnen durch Recycling gedeckt werden könnten. Den Kobalt-Bedarf setzt er auf circa 270.000 Tonnen für 2030 und 820.000 Tonnen für 2050 an – mit Substitutionsmengen von 20.000 beziehungsweise 320.000 Tonnen durch Recycling. Die Nachfrage nach Nickel soll sich 2030 auf rund 700.000 Tonnen, 2050 auf 2,6 Millionen Tonnen belaufen und Recyclingmengen von unter 100.000 beziehungsweise etwas über eine Million Tonnen ermöglichen.

Es besteht Optimierungsbedarf

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Foto: O. Kürth

Allerdings – gibt Bucher zu bedenken – ist das Recycling von Lithium-Mischungen im Vergleich zum Lithium-Karbonat bislang wirtschaftlich uninteressant; lediglich Umicore habe 2017 mit dem Recycling von pyrometallurgischen Batterien in seiner Anlage in Hoboken begonnen. Immerhin seien aber Kobalt oder Kobalt-Mischungen in den letzten Jahren aus gebrauchten Katalysatoren, Hartmetallen und Sonderlegierungs-Abfällen rückgewonnen worden; aus (Verbraucher-)Batterien werde Kobalt ebenso wie Nickel in Form von Sulfaten rückgewonnen. Umicore gewinne aus Kupfer-Nickel-Kobalt-Legierungen hochreines Kobalt und Nickelsalz in Batteriequalität; in Deutschland sei seit 2016 eine Recyclinganlage in Krefeld in Betrieb.

Dennoch sind nach Ansicht von Buchert nicht nur Sammlung und Vorbehandlung von LIB verbesserungswürdig. Auch würden – wie Umicore angibt – in kleinen Batterien jährlich an die 30.000 Tonnen Kobalt verarbeitet, von denen nur ein kleiner Teil ins professionelle Recycling gelange. Überdies würden professionelle Anlagen zwar Kobalt und Nickel mit annähernd 95 Prozent wiedergewinnen, aber trotzdem bestehe Optimierungsbedarf: bei Anlagenkapazitäten, bei den verschiedenen angewandten Recyclingtechnologien und bei der Entwicklung der Wiederaufbereitung von Lithium und Graphit. Zu den Verbesserungsvorschlägen gehört auch eine Revision der Batterie-Direktive bis 2020, da die gegenwärtige Version weder Lithium-Ionen-Batterien noch Elektromobilität angemessen berücksichtige.

Sammlung und Rücknahme verbesserungswürdig

Die bislang errechneten EU-Ziele von 45 Prozent Sammelquote sind laut Präsentation von Frédéric Hédouin (Eucobat, Belgien) nur angemessen, wenn die Volumina auf dem Markt langfristig stabil bleiben. Dennoch würden nicht alle ausgemusterten Batterien durch Sammlung erfasst, sondern gingen durch Export von Elektronik und Elek­trotechnik, Ausfuhr von Elektro(nik)schrott oder dessen unangemessene Behandlung verloren. Daher stimmen die EU-Quoten und die tatsächlichen Sammeleffizienzen nicht überein. So stünden in den Niederlanden 46 Prozent der im Markt befindlichen Batterien zu 87 Prozent, in Belgien 61 Prozent zu 90 Prozent und in Frankreich 45 Prozent zu etwa 70 Prozent für die Sammlung zur Verfügung.

Die Hersteller und Inverkehrbringer könnten mit funktionalen Rücknahmesystemen die Erfassungsquoten für zunächst tragbare Batterien sicherlich erhöhen. Zwar nehmen sie bislang europaweit an 20 Sammelsystemen mit gebührenfreiem Transport und Recycling für die Teilnehmer teil, bei vier Sammelsystemem ist der Transport kostenpflichtig, und in fünf Systemen sind sowohl Transport wie Recycling mit Gebühren belegt. Allerdings – bemängelt Helmut Minor (Rene AG – Recycling Network Europe, Deutschland) – trügen Hersteller von Elektro(nik) die doppelte Registrierungs-Belastung bei eingelassenen oder eingebauten Batterien, seien die Registrierungs-Bedingungen für ausländische Produzenten uneinheitlich, fielen Rücknahmegebühren zusätzlich zu den Beitragsgebühren an und gebe es eine Regulierung für kleine Volumina nur in einem einzigen Mitgliedstaat.

Recycling-Potenziale: steigerungsfähig

Nach Ansicht von Charles Stuyck (Umicore Battery Recycling, Belgien) könnte der Anteil recycelbarer Materialien an den erfassten Abfällen noch wesentlich größer sein. So stehe einem jetzigen Anteil von neun Prozent an Lithium-Recyclingmaterial ein theoretisches Potenzial von 26 Prozent gegenüber, das sich aus wiederaufladbaren Batterien (PRB), Altbeständen und Batterien aus Elektrofahrzeugen zusammensetzt. In ähnlicher Art und Weise ließe sich die bisherige 17-prozentige Recyclingquote für Kobalt theoretisch durch 24 Prozent aus wiederaufladbaren Batterien, 18 Prozent aus Elektrofahrzeugen und elf Prozent aus alten Lagerbeständen auf insgesamt 53 Prozent steigern. Das höchste Potenzial liege dabei in den wiederaufladbaren Batterien, von denen in Europa maximal 25 Prozent gesammelt würden, teilweise aber auch keine Sammlung stattfinde.

Die Effizienz des Recyclingprozesses hängt allerdings vom jeweiligen Material ab, unterstrich Hirohito Teraoka in seinem Vortrag. So seien Aggregate aus Nickelmetallhydrid mit einem Nickelgehalt um die 40 Prozent auch hinsichtlich Umweltbelastung „sehr recycelbar“ und Lithium-Ionen-Batterien – Inhalt: Nickel, Kobalt und Lithium – recycelbar, ebenso wie Nickel-Cadmium-Produkte, die jedoch auch das toxische Cadmium enthalten. Daher seien für Lithium-Ionen-Batterien hydro- und pyrometallurgische Verfahren die effizientesten Vorgehensweisen, während sich für Nickelmetallhydrid-Akkumulatoren eine spätere Zweitnutzung oder die Gewinnung von Edelstahl empfehlen. Zur Gewinnung von Seltenerd-Metallen aus Ni-MH-Batterien gäbe es zudem neue Verfahren. Die Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS (Hanau/Alzenau/Darmstadt) wies in Berlin auf die Vorzüge der von ihr entwickelten elektro-hydraulischen Fragmentation für LIB hin, die durch nachgeordnete Fraktionierungsverfahren Kunststoffe, Elektrodenmaterial und metallische Anteile zu trennen in der Lage ist.

Materialpreise ziehen an

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Foto: ICM AG

Die Preise von Lithium-Ionen-Batterien sind in den letzten Jahren deutlich gefallen. Mit Rückgriff auf Daten von Bloomberg New Energy Finance belegte Didier Marginèdes, dass der jährliche LIB-Preis pro Kilowattstunde (kWh) von rund 1.000 US-Dollar im Jahr 2010 auf etwa 280 US-Dollar im Jahr 2016 sank; für 2025 und 2030 wird mit einem Nachgeben auf 109 beziehungsweise 73 US-Dollar pro kWh gerechnet. Nichtsdestotrotz wird eine massiv steigende Nachfrage nach LIB-Batterien durch Elektromobilität erwartet: von heute rund 30 GWh auf 700 GWh im Jahr 2030. Zusätzlich werden dann rund 40 GWh für Energiespeichersysteme benötigt.

Dies wird auf die Preise für die zur Batterieherstellung notwendigen Materialien durchschlagen. So wies Buchert darauf hin, dass sich die Durchschnittskosten für Lithiumkarbonat von durchschnittlich 6,7 US-Dollar in den Jahren 2012 bis 2016 auf 12,7 US-Dollar zwischen November 2016 und Oktober 2017 erhöhten. Die Preise für Kobalt zogen ab Juni 2016 sogar von 10 US-Dollar pro Englischem Pfund auf rund 40 US-Dollar an, wie Hirohito Teraoka anhand einer Statistik von infomine.com zeigen konnte. Selbst der Nickel-Preis legte ab 2016 von rund vier auf knapp sieben US-Dollar zu. Auch nach Ansicht von Lithiummarkt-Berichterstatter Martim Facada (Industrial Minerals, Vereinigtes Königreich) soll die Nachfrage nach Nickel analog dem Entwicklungspotenzial der Elektromobilität steigen. Dabei gilt China als der hauptsächliche Preistreiber für LIB-Materialien, obwohl das Land eine neue Subventionspolitik fährt, die für Batteriekathoden einen höheren Nickelgehalt auf Kosten des Kobaltanteils vorsieht.

Weitergehende Maßnahmen erforderlich

Die Kostenentwicklung im Markt für LIB lässt daher für Buchert nur einen Schluss zu: „Die treibende Kraft für zukünftiges Lithium-Recycling wird der steigende Marktpreis sein.“ Allerdings müssten auch „gleichwertige Bedingungen“ für Recycler außerhalb der Europäischen Union vorhanden sein, wenn es um die Behandlung europä­ischer Batterie-Abfälle geht, und klare Regeln für deren Zweitnutzung bestehen, forderte Charles Stuyck. Und es gibt – resümierte Jens Peters (Helmholtz-Institut für Elektrochemische Energiespeicherung, Ulm) – aus technischer Sicht noch einige andere Entwicklungsfaktoren. Da wäre beispielsweise eine hohe Unsicherheit beim Recycling, da mögliche Behandlungsverfahren für weniger bekannte Batterietypen und -technologien weitestgehend unbekannt sind. Hier sei ein detailliertes und sorgfältig aufgestelltes Batteriedaten- und Recyclingprozesse-Inventar nötig. Die Wiederverwendung oder Aufbereitung von Elektrodenkomponenten wäre sehr vorteilhaft. Und schließlich: Da die Rezyklierbarkeit von Batterien den ausschlaggebende Faktor auch für hinsichtlich Umweltbelastung darstellt, sollte beim Entwurf von Batterien die Recyclierbarkeit berücksichtigt werden. Jens Peters abschließend: „Es gibt viel zu tun.“

Foto: babimu / fotolia.com

(EU-Recycling 11/2018, Seite 24)

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