Aufschlusszerkleinerung metallintensiver Leichtbaustrukturen – Anforderungen an das Automobilrecycling

Metallintensive Leichtbaustrukturen finden zunehmend im modernen Fahrzeugbau Verwendung. Ein Forschungsprojekt an der TU Dresden untersuchte, wie die Wertstoffkomponenten dieser Materialverbunde freigelegt werden können.

Bekanntlich stellt die in der Automobilindustrie praktizierte Mischbauweise aus kohlenstofffaser-verstärktem Kunststoff (CFK) in Verbindung mit Leichtmetallen und hochwertigen Stählen neue Anforderungen an das Recycling. So nehmen mit steigender Vielfalt der Werkstoffe auch deren Kombinationsmöglichkeiten exponentiell zu. Wie können diese Materialverbunde aufgeschlossen werden, wenn auch vermehrt warm­umgeformte Vergütungsstähle in der metallintensiven Mischbauweise eingesetzt werden?

Damit beschäftigt sich die an der Technischen Universität Dresden ansässige Plattform FOREL – Forschungs- und Technologiezentrum für ressourceneffiziente Leichtbaustrukturen der Elektromobilität. Warmumgeformte Stähle finden im Fahrzeugbau bereits Verwendung für B-Säulen, Längsträger und Tunnelverstärkungen. Die Karosserien aktueller Fahrzeugmodelle weisen einen Anteil warmumgeformter Stähle von fünf bis 15 Prozent auf. In den nächsten Jahren könnte dieser Anteil auf 30 und mehr Prozent ansteigen.

Was die Zerkleinerung von hybriden B-Säulen ergab

Hybride B-Säule (Foto: FOREL)

Im Rahmen des Forel-Projekts wurde beispielhaft der Verbundaufschluss einer neuartigen B-Säule – hybride Leichtbaustruktur, circa 11,3 Kilogramm schwer – untersucht. Die B-Säule ist die Verbindung zwischen Fahrzeugboden und Fahrzeugdach in der Mitte der Fahrgastzelle. Die der Fahrzeugaußenseite zugewandte Struktur des Untersuchungsgegenstands bestand aus einem zu einem Hutprofil warmumgeformten, borlegierten Vergütungsstahl der Sorte 22MnB5. In die Struktur eingebettet war eine Lage endlosfaserverstärktem Thermoplast (Organoblech), das sich aus glasfaserverstärktem Polyamid 6 (GFK) zusammensetzte. Die Aussteifung des Profils erfolgte durch langfaserverstärkte Thermoplast-Pressmasse vergleichbarer Werkstoffe. Die Innenseite war mit einem mikrolegierten Stahl abgedeckt.

Hybride Verbunde setzen sich aus verschiedenen Materialien (Subsystemen) zusammen, die – laut Definition – „als funktionelle und strukturelle Einheit einander bedingen. Die Subsysteme sind gleichwertig, und das Eigenschaftsprofil ergibt sich aus dem Gesamtsystem. Die Subsysteme gehören den Werkstoffhauptgruppen oder den Verbundwerkstoffen an. Der Übergang ist durch ein Interface gekennzeichnet. Die Materialien werden durch ein Fügeverfahren ohne Fügeelement oder Zusatzwerkstoff verbunden beziehungsweise durch Fertigungsverfahren des Ur- oder Umformens. Ebenso sind Kombinationen aus diesen Verfahren möglich.“

Kleintechnische Hammermühle der
Gebr. Jehmlich GmbH (Foto: FOREL)

Mit einer kleintechnischen Hammermühle der Gebr. Jehmlich GmbH wurden im Technikum der TU Bergakademie Freiberg Einzelkomponenten von gleicher Stückgröße der zuvor manuell zerlegten B-Säulen – eine Charge gleicher Bauart, die genaue Anzahl ist nicht bekannt – zerkleinert. Bei den Versuchen zeigte sich, dass der Werkstoff GFK deutlich feiner und zu einer splittrigen Stückform zerkleinert wird. Die Zerkleinerungsprodukte von Vergütungsstahl hingegen waren platt mit gewölbten Rändern und die von mikrolegiertem Stahl hatten Kugelformen. Vermutet wird in diesem Zusammenhang, „dass bei Werkstoffen mit feiner Stückgrößenverteilung in den Zerkleinerungsprodukten diese feinen Partikel beim Vorgang der Verkugelung in die verkugelten mikrolegierten Stähle eingebaut werden, was bei einer anschließenden stofflichen Verwertung negative Auswirkungen auf die Produkteigenschaften haben kann.“

Bei der Zerkleinerung der GFK-Struktur auf 20-Millimeter-Korngröße wurde ein Energieverbrauch von 18 Kilowattstunden pro Tonne festgestellt. Die Zerkleinerung der Stahlstrukturen verbrauchte etwa 80 Kilowattstunden pro Tonne – also erheblich mehr Energie, obwohl beide Stahlsorten unterschiedliche Wandstärken hatten. Dazu heißt es: „Der mikrolegierte Stahl (1 mm Wandstärke) benötigt für die Zerkleinerung auf 20 Millimeter aufgrund der sehr duktilen, zähen Eigenschaften vergleichbar viel Energie wie der eher spröde und harte Vergütungsstahl (2 mm Wandstärke). Es ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der eingetragenen Energie beim mikrolegierten Vergütungsstahl eher in plastische Verformungsarbeit umgewandelt wird als in echte Zerkleinerungsarbeit, charakterisiert durch die Schaffung neuer Oberflächen.“

Der Sortieraufwand wird sich erhöhen

Im Ergebnis der Forel-Untersuchung konnte ein nahezu vollständiger Verbundaufschluss erzielt werden. Die Forscher schließen daraus, dass auch metallintensive Leichtbaustrukturen mit dem heutigen Stand der Technik für das Recycling aufbereitet werden können. Jedoch werde sich nach Auffassung der Sortieraufwand erhöhen und zusätzliche Verfahrensschritte in puncto Fraktionsreinheit erfordern. So unterliegen faserverstärkte Kunststoffe einer sehr starken Zerkleinerungswirkung – die erzeugte Feinfraktion verteilt sich in der gesamten Anlage. Störstoffe könnten sich leicht in das verkugelte Zerkleinerungsprodukt duktiler Stähle einlagern. Die Tests warfen zudem neue Fragen hinsichtlich Zerkleinerung von spröden und sehr harten Vergütungsstählen auf, die bei den bisherigen Fahrzeugstrukturen kaum auftreten.

Ungewöhnlich war außerdem, dass nach den Versuchsreihen die Hämmer der eingesetzten Mühle komplett ausgetauscht werden mussten. Das sei bei der Aufgabe anderer Schrotte so nicht vorgekommen. Die Forscher rechnen daher mit einem höheren Werkzeug-Verschleiß, wenn Leichtbauverbundwerkstoffe zerkleinert werden, was folglich längere Wartungs- und Stillstandszeiten der Maschinen und damit höhere Betriebskosten nach sich ziehen würde.

Der Artikel basiert auf „Aufschlusszerkleinerung metallintensiver Leichtbaustrukturen zur Freilegung von Wertstoffkomponenten am Beispiel einer Hybrid-B-Säule in Mischbauweise“ von Holger Lieberwirth, Thomas Krampitz und Sebastian Schnutz und ist nachzulesen in: Recycling und Rohstoffe, Band 10, hrsg. v. K. J. Thomé-Kozmiensky und D. Goldmann, TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky 2017, ISBN 978-3-944310-34-3.

Foto: Marc Weigert

(EU-Recycling 11/2018, Seite 28)