IERC 2018: Rohstoff-Rück­gewinnung zwischen Machbarkeit und Rentabilität

Das Ziel der Richtlinie 2012/19/EU für Elektro- und Elektronikaltgeräte ist klar: Sie soll nicht zuletzt die Rückgewinnung von wertvollen Sekundärrohstoffen gewährleisten. Wie aufwändig aber deren Umsetzung in die Praxis ist, verdeutlichten unter anderen drei Vorträge auf dem Internationalen Elektronikrecycling-Kongress (IERC) am 18. Januar 2018 in Salzburg. Sie betrafen Indium, Edel- und NE-Metalle sowie Tantal.

Indium ist ein Nebenprodukt aus der Blei-, Kupfer- oder Zinnerz-Gewinnung mit natürlichen Vorkommen in Südamerika, China, Kanada und Australien. Die nachgewiesenen weltweiten Reserven betragen 50.000 Tonnen und reichen rechnerisch für 50 bis 100 Jahre. Indium findet hauptsächlich als Indiumzinnoxid (Indium tin oxide; ITO) in Form von klaren, leitfähigen Schichten Einsatz in diversen elektronischen Geräten mit Display.

Die Aufdampfung von ITO durch das sogenannte Sputtering – erklärte Donna Vareha-Walsh (Indium Corporation, USA) – ist ineffizient: Nur etwa 30 Prozent gelangen in das Trägermaterial; 70 Prozent können zurückgewonnen werden. Auch verliert Indium während seines Lebenszyklus` an Masse: Durch Zinkschmelze, Indiumproduktion und Einsatz in Produkten kommt so viel an Substanz abhanden, dass jedes Jahr rund 30 Prozent neues Primärindium nachgeliefert werden muss, um den industriellen Bedarf zu decken. Von 1.500 eingesetzten Tonnen Indium sollen sich lediglich 297,5 Tonnen aus dem Bereich der Flachbildschirme recyceln lassen; Material in Legierungen, Lötmetall, Photovoltaikmodulen oder Detektoren geht verloren.

Gestiegene Nachfrage

Donna Vareha-Walsh, Indium Corporation, USA (Foto: ICM AG)

In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Flüssigkristalldisplays auf das Vierfache gesteigert; der Bedarf an Indium für Flachbildschirme stieg von etwa 30 Tonnen auf rund 115 Tonnen. Die Zahl der Smartphones kletterte zwischen 2011 und 2017 auf mehr als das Dreifache, und auch der Einsatz von Indium stieg von rund 15 auf 45 Tonnen. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für ITO bis 2019 wird auf 5,5 Prozent veranschlagt. Die für diesen Zeitraum zusätzlich benötigte Menge beläuft sich auf 240 Tonnen. Da bislang keinerlei Substitute hierfür zur Verfügung stehen, muss diese Menge aus dem Schrott gewonnen, durch kürzere Rücklaufphasen erreicht oder durch neues Material ersetzt werden. Für die wachsende Nachfrage zeichnen in erster Linie China und Südkorea verantwortlich: China soll seinen ITO-Bedarf zwischen 2016 und 2019 von 540 auf 816 Tonnen steigern, Südkorea von 336 auf 384 Tonnen. Der Bedarf von Japan und Taiwan soll mit 300 beziehungsweise 180 Tonnen stabil bleiben.

2016 belief sich die globale Indium-Produktion auf rund 800 Tonnen; das United States Geological Survey kam mit seiner Schätzung auf 655 Tonnen. Die Zahlen für China sind ungewiss; unabhängige Analysen sprechen von einer Produktion in Höhe von 525 bis 720 Tonnen. Das geschätzte Angebot soll bis 2019 jährlich um 110 Tonnen steigen. 2017 kam eine Kapazität von 72 Tonnen hinzu, 2018 sollen weitere rund 60 Tonnen an Kapazität aus China zur Verfügung stehen. Kürzungen könnten durch steigende Zinkpreise oder durch Änderungen der Umweltgesetzgebung auftreten. Die Fanya Metallbörse hält einen Anteil an 2.629 Tonnen des Materials.

Recycling gegen Preisvolatilität

Nach Aussage von Donna Vareha-Walsh werden bislang wenige bis keinerlei Displays oder Telefone recycelt. Dabei könnte die Recycling-Ausbeute für Dünnschichtprodukte, die ITO enthalten, hoch sein. Der Preis ist marktabhängig. So stieg er beispielsweise zwischen 2003 und 2005 aufgrund Nachfrage nach LCD-Displays von 70 auf über 1.000 US-Dollar, sank danach durch vermehrte Rücknahme auf unter 500 US-Dollar, um nach Einführung einer 15-prozentigen Exportsteuer durch China wieder auf circa 850 US-Dollar zu steigen. Durch Eingriffe von Fanya in den Markt sank der Preis im Jahr 2016 schließlich unter die Marke von 300 US-Dollar.

Viele Displays enden heute noch auf der Deponie, da es noch keine kosteneffiziente Technologie zur Extraktion von Indiumzinnoxid gibt; zudem muss eine zu große Abfallmenge entsorgt werden, um an eine im Vergleich kleine Menge an ITO zu gelangen. Chancen für ein rentableres Recycling könnten sich durch neue Verwertungstechnologien eröffnen, wie sie beispielsweise die japanische Sharp Corporation entwickelt hat. Das Verfahren sieht das Zerkleinern von LCD-Bildschirmen und die anschließende Behandlung in saurer Lösung vor. Oder ein metallurgisches Internet of Things könnte einen umfassenden Produktionsfluss ermöglichen, der Produktdesign mit physikalischer Trennung und Prozesstechnologie verbindet. Alles in allem – so Donna Vareha-Walsh – eröffnen Flachbildschirme neue Ansätze, um Recyclingschrott wieder in die Versorgungskette einfließen zu lassen. Neue Technologien und/oder neue Produktdesigns könnten das unterstützen. Wird das recycelte Material wieder in den Kreislauf zurückgebracht, dürfte es zusätzliche Nachfragen verhindern. Zwar werde es weiterhin Perioden von Preisvolatilität geben, aber die Abhängigkeit vom Recycling werde die Preise beeinflussen.

Metallgewinnung durch Nass-Separation

Verschiedene Schritte sorgen in Behandlungsanlagen für Elektro(nik)schrott für eine weitgehende Trennung der verwendeten Materialien. Für den mechanischen Zerkleinerungsprozess stehen vertikale Shredder, Magneten, Siebe, Wirbelstromsichter und Sensoren zur Verfügung. Sie separieren Eisen, NE-Metalle, Kunststoffe, Shredderleichtfraktion sowie ein bis drei Prozent Stäube. Außerdem liefern sie Metallkonzentrate, die in einem weiteren, differenzierten Mahlprozess weitere sechs bis zwölf Prozent Filterstäube sowie 0,25 Prozent Stäube aus dem Fliehkraftabscheider erfassen. Sie enthalten ihrerseits Spuren von Edel- und Nichteisen-Metallen sowie Fraktionen aus der mechanischen Elektroschrott-Behandlung.

Mario Zöllig, SwissRTec (Foto: ICM AG)

In der Aufbereitungsanlage der SwissRTec im schweizerischen Kreuzlingen – vorgestellt von Mitbegründer Mario Zöllig – gelangen solche Materialien in eine Nass-Separations-Linie, wo sie unter Wasserzugabe zu einer Suspension vermengt, von Bruchfeinmaterial getrennt und dadurch konzentriert werden. Die Anlage ist ausgelegt für die Rückgewinnung beziehungsweise Konzentration von Edelmetallen wie Gold, Silber und Palladium sowie Nichteisenmetallen wie Kupfer, Aluminium und Zinn. Dabei wird eine einzigartige Technologie zur Gewichtstrennung eingesetzt. Der Durchsatz erfolgt mit rund 400 Kilogramm pro Stunde.

Gewinn: 100 Euro pro Tonne

Die Wiederverwertungsquote der Edelmetalle aus der Suspension kann bis knapp 80 Prozent reichen: Gold 79,2 Prozent, Palladium 60,9 Prozent und Silber 54,4 Prozent. Die Quoten anderer Metalle kommen an 60 Prozent heran; die von Kupfer beispielsweise beträgt 54,5 Prozent. Die jährliche Produktion in Kreuzlingen soll sich auf annähernd 1.250 Tonnen belaufen, bestehend aus 1.228 Tonnen durch Nass-Separation behandelter Stäube und 30,72 Tonnen hochkonzentrierter Metalle sowie zusätzlich acht Kilogramm Gold, sieben Kilogramm Palladium, 133 Kilogramm Silber und 5.745 Kilogramm Kupfer. Die Betriebskosten setzen sich aus Fixkosten in Höhe von 70.000 Euro pro Jahr und 240.000 Euro variablen Kosten inklusive Entsorgungsgebühren zusammen, was sich zu rund 250 Euro Behandlungskosten pro Tonne Inputmaterial summiert. Dem stehen Einnahmen in Höhe von jährlich 430.080 Euro und damit rund 350 Euro pro Tonne Input entgegen – ein Gewinn von 100 Euro pro Tonne.

Tantalfraktionierung per Tarec-Verfahren

Dirk Schöps, Rewimet (Foto: ICM AG)

Einer Kritikalitätsuntersuchung der EU im Jahr 2013 zufolge soll Tantal ein weniger kritischer Rohstoff als Kokskohle sein. Der Report des United States Geological Survey aus dem Jahr 2015 zeigt jedoch, dass es in den letzten 14 Jahren weltweit durchaus Mengenschwankungen gab und sich die Produktionszahlen verschiedener Länder unterschiedlich entwickelt haben. Und eine Metallpreisstudie der BGR zeigt Preisschwankungen zwischen den Jahren 1999 und 2004 von 100.000 auf 600.000 US-Dollar und zurück. Die Wichtigkeit von Tantal zeigt sich in jedem Fall daran, dass von den rund 1.900 Tonnen des Übergangsmetalls über 60 Prozent für elektronische Anwendungen zum Einsatz kamen – vorwiegend als Kondensatoren in der Informationstechnologie, aber auch in optischen Linsen, OFW-Filtern und Sputter Targets.

Ähnlich wie die SwissRTec-Methode, sieht auch das von Rewimet-Manager Dr. Dirk Schöps vorgestellte Tarec-Verfahren eine mehrstufige Separation des Ausgangsmaterials vor, die in eine nicht-magnetische und eine magnetische Tantal-Fraktion trennt. Beide Fraktionen liefern nur einen kleinen Masseanteil, aber einen vergleichsweise hohen Tantal-Gehalt. Der Unterschied liegt in der Verlustmenge von Edelmetallen, die beim nicht-magnetischen Material höher ist. Allerdings kann die nicht-leitende Fraktion zusätzlich weiter durch Mahlen, thermische Behandlung und Aussieben auf über 20 Prozent konzentriert werden. Des Weiteren lassen sich durch einen Zick-Zack-Sichter die schweren Partikel tantalhaltiger Kondensatoren separieren.

Mechanisch oder sensor-gesteuerte Sortierung?

Auch eine sensor-gesteuerte Sortierung von Kondensatoren könnte brauchbare Resultate zeitigen. Realisierbar wäre sogar die Entstückung von Kondensatoren aus Leiterplatinen per Robotikanlage. Dr. Dirk Schöps zog eine ausgeglichene Bilanz beider Vorgehensweisen: Die mechanische Behandlung sei sehr einfach, verlangt jedoch einen vielstufigen Prozess mit geringen Massenströmen. Das sensor-gesteuerte, sorgfältige Heraussuchen der gewünschten Komponenten per Robotik ist möglich, benötigt aber eine hohe Anzahl gleichartiger Hauptplatinen. So hätten beide Vorgehensweisen zur Gewinnung von Tantal ihre Vor- und Nachteile. In jedem Fall hänge der Erfolg von der Vorsortierung des Elektroschrottes ab.

Foto: pixabay

(EU-Recycling 03/2018, Seite 8)

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