Papierrecycling 4.0 und wie sich das Qualitätsmanagement optimieren lässt

Das Zusammenwachsen der realen (physischen) und der virtuellen (digitalen) Welt verändert das Wirtschaften und schafft neue Geschäftsmodelle.

Informations- und Kommunikationstechnologien sind auch in der Papierrecyclingbranche unverzichtbar geworden. Sie ermöglichen die zeitliche und örtliche Prognose sowie Steuerung von Stoffströmen. So können für ein vorliegendes Altpapiergemisch gezielt Daten zum Störstoffgehalt und zum Wertstoffpotenzial bereitgestellt oder eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden. Ein Kennzeichen der Industrie 4.0 ist dabei die Durchgängigkeit von digitalen Daten und Abläufen. Man spricht hier von vertikaler Integration über alle Unternehmensebenen hinweg. Die horizontale Integration umfasst dann die Vernetzung von Prozessen, Produkten und Geschäftsmodellen zwischen verschiedenen Unternehmen.

Entscheidend für ein prozessübergreifendes Qualitätsmanagement des Sekundärrohstoffes Altpapier ist die Beschaffung von Informationen aller relevanten Prozesse und Materialien in Echtzeit. Durch die Auswertung von „CPS-Daten“ – das Cyber-Physical System (CPS) verknüpft reale (physische) Prozesse und Objekte mit informationsverarbeitenden (virtuellen) Prozessen und Objekten – sowie sekundären Daten aus den Bereichen Logistik, Wissenschaft und Soziale Medien kann das Qualitätsmanagement von Altpapier weiter optimiert werden.

Parameter von Bedeutung

Dazu müssen Schnittstellen definiert werden. So haben die Altpapier-Akteure unterschiedliche Anforderungen an die Beschreibung einer Altpapiermischung. Zu nennen sind: Mess- und Sortierbarkeit, Sortenkonformität mit der Europäischen Altpapiersortenliste DIN EN 643, Störpotenziale in Prozessen der Sammlung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung und papiertechnologischer Gebrauchswert. Und die Akteure in der Lieferkette haben andere Sichtweisen auf das gleiche Material. Für jeden Prozess in der Lieferkette sind entsprechend der jeweiligen Anforderungen andere Parameter von Bedeutung. Für den Prozess der mechanischen Trennung ist beispielsweise die Größe des jeweiligen Objektes maßgeblich und die Feuchte ein Störfaktor. Zur Herstellung eines Wellpappendeckenliners sind wiederum die Faserausbeute und die Festigkeitseigenschaften der Faser von Interesse und Klebstoffreste ein Störfaktor. Die Qualitätsparameter können nicht direkt gemessen werden. Indirekte Onlinemessungen am Faserstoff liefern der Papierfabrik Anhaltspunkte über die prozess- und endproduktrelevanten Eigenschaften. Für einige qualitätsrelevante Parameter gibt es bereits Messverfahren, die vor allem in der Altpapier-Eingangskon­trolle eingesetzt und auch zur Rezeptursteuerung genutzt  werden. Auch mittels des Lebenszyklusmodells lässt sich ist eine Altpapiermischung hinsichtlich ihrer Qualität beschreiben. Es können Differenzierungsmerkmale definiert werden, die den papiertechnologischen Gebrauchswert bestimmen.

Der Artikel basiert auf den Beitrag „Chancen für das stoffliche Recycling durch Industrie 4.0 am Beispiel der Wertschöpfungskette Papier“ von Lydia Tempel, nachzulesen in: Recycling und Rohstoffe, Band 9, hrsg. v. K. J. Thomé-Kozmiensky, TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, Neuruppin 2016.


Dynamische Wertschöpfungsnetzwerke

Die Plattform Industrie 4.0 definiert den Begriff „Industrie 4.0“ als neue Stufe der Organisation und Steuerung des Lebenszyklus´ von an Kundenwünschen orientierten Produkten: von der Idee, dem Auftrag über die Entwicklung und Fertigung, die Auslieferung eines Produkts an den Endkunden bis hin zum Recycling, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen: „Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen sowie die Fähigkeit, aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen.“


Foto: O. Kürth

(EUR0617S20)

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