Abfallverwertung künftig ein „Big Business“ in Russland?

Am ersten Januar 2016 trat das föderale Gesetz für Public Private Partnerships in Kraft. Nach Jahren des Stillstands soll wieder in die russische Abfallwirtschaft investiert werden: In Föderationskreis Ferner Osten sind 23 Entsorgungszentren geplant. Und im Großraum Moskau könnten innerhalb von fünf Jahren 15 Waste-to-Energy-Anlagen entstehen.

Dazu liegt eine Absichtserklärung vom Juni 2015 vor. Unterzeichner sind der Oblast (Verwaltungsbezirk) Moskau im Föderationskreis Zentralrussland, die russische Staatsholding Rostec und das japanisch-schweizerische Unternehmen Hitachi Zosen Inova.

Die 15 vorgesehenen Kraftwerke zur Strom- und Wärmeenergiegewinnung aus Festabfällen im Großraum Moskau sollen die Deponierungsmengen in der Region um bis zu 80 Prozent verringern. Von einem „Big Business“ mit Chancen für Technologie-Lieferanten ist in diesem Zusammenhang die Rede, was aber angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise in Russland und klammen Finanzlage der Städte und Gemeinden fraglich erscheint. Bei einem Gesamtinvestitionsbedarf, der mit 400 Milliarden Rubel (etwa 5,8 Milliarden Euro) grob veranschlagt wurde, müssen die Anlagen im Betrieb und nach Stand der Technik womöglich staatlich subventioniert werden. Denn in der Regel fallen bei der Energieerzeugung aus Festabfällen höhere Netzeinspeisungskosten an als bei konventionellen Energieträgern, die dann der Endverbraucher zu tragen hat.

Nach langem Hin und Her    

Nach Auskunft der nationalen Umweltbehörde Rosprirodnadzor werden in Russland Festabfälle zu maximal fünf Prozent stofflich oder energetisch verwertet. Landesweit gibt es 1.092 offizielle Deponien. Die Branche der Abfallsammler, -sortierer und -entsorger umfasst weniger als 400 Unternehmen. Private Initiativen zum Aufbau entsprechender Strukturen im Land scheiterten in der Vergangenheit oft am Abfallwirtschaftsmonopol der Kommunen. Aufgrund weiterhin fehlender Dienstleistungstarife zur Abfallentsorgung beschränkten sich die Aktivitäten potenzieller Brancheninvestoren bislang auf die Sondierung dieses Marktes.  Mit dem föderalen Gesetz für Public Private Partnerships (PPP), das am ersten Januar 2016 in Kraft trat, soll sich nun vieles ändern; wurde nach langem Hin und Her die Notwendigkeit von privatwirtschaftlichen Beteiligungen erkannt, um Russlands Müllprobleme zu lösen.

So haben die Entwicklungs- und Betreibergesellschaft für Umweltvorhaben, OAO UK Eco-System, und der Fonds zur Entwicklung des Fernen Ostens und der Baikal-Region (FRDW) schon Projekte auf PPP-Basis im Visier: Bis zum Jahr 2020 sollen im Föderationskreis Ferner Osten, in den Regionen Chabarowsk, Primorije, Kamschatka, Amur, Sachalin, Magadan, Jakutien sowie im Autonomen Jüdischen Gebiet 23 Entsorgungszentren mit angeschlossenen, kontrollierten Deponien entstehen, um Kommunalabfälle, wie es heißt, zu verpressen. Investitionswert gesamt: 13 Milliarden Rubel (187,08 Millionen Euro). Die Finanzierung, über die im Einzelnen noch verhandelt wird, übernehmen die kommunalen und regionalen Verwaltungen sowie der FRDW. Einziger Aktionär der FRDW ist die staatliche Vneschekonombank für Entwicklung und Außenwirtschaft.

Die föderale Gesetzgebung lässt eine Konzessionsvergabe durch die öffentliche Hand auf allen Verwaltungsebenen zu, also auch durch Regionen oder Kommunen. Die Regionen verfügen außerdem bereits über eigene PPP-Verordnungen. Gegenwärtig werden im Föderationskreis Ferner Osten neun sogenannte „Territorien der beschleunigten sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung (TOR)“ sowie ein Freihafen in Wladiwostok eingerichtet. Unternehmen, die sich in diesen Territorien niederlassen, zahlen in den ersten fünf Jahren nach Geschäftsaufnahme niedrigere Steuersätze und Sozialabgaben.

Pilotanlage auf PPP-Basis

Eine Pilotanlage auf PPP-Basis ist auf der Insel Sachalin vorgesehen. Die 900-Millionen-Rubel-Investition (12,9 Millionen Euro) finanziert Eco-System zu 76 und der FRDW zu 24 Prozent. Eco-System hat sich für dieses Projekt angeblich bereits eine Kreditlinie bei der Sberbank gesichert. Noch ungeklärt soll die Finanzierung von Zubringerstraßen zur geplanten Anlage auf Sachalin sein. Die Kosten dafür müssten auf die Investitionssumme aufgeschlagen werden, sollte die öffentliche Hand nicht beispringen. In der südöstlichsten Region des Föderationskreises Ferner Osten, Primorje, soll sich das ansässige Unternehmen OOO EkoStar Factory (EkoStar Technology, Wladiwostok) künftig um die Entsorgung fester Kommunalabfälle kümmern.

Eco-System schätzt, dass im Föderationskreis Ferner Osten mit rund 6,5 Millionen Einwohnern (sechs Prozent der russischen Bevölkerung) jährlich 24,5 Millionen Kubikmeter Abfälle anfallen. Je nach Abfallart ließen sich mindestens zehn Prozent Sekundärrohstoffe daraus gewinnen. Neben einer Behandlungsanlage für Kunststoffabfälle in Chabarowsk, die zwischen 2017 und 2019 für 2,1 Milliarden Rubel (30,2 Millionen Euro) gebaut werden soll, plant das Unternehmen auch Verwertungsanlagen für Aluminium- und Glasabfälle sowie für Altpapier. Die Sekundärrohstoffe könnten in die benachbarte Volksrepublik China vermarktet werden. Von Chabarowsk aus könnten in der eisfreien Zeit die Exporte per Schiff auf dem Fluss Amur erfolgen.

Quelle: Germany Trade & Invest/Ullrich Umann

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Kontaktanschriften:
Fonds zur Entwicklung des Fernen Ostens und der Baikal-Region (FRDW), Senior-Direktor der Investitionsabteilung: Andrey Zubkov (spricht Englisch), ul. Semenowskaja 29, 690061 Wladiwostok, Primorskij kraj, Tel./Fax 007/495/540 47 37 (ext. 301), Mobil 007/903/275 02 34, zubkov@fondsvostok.ru, www.fondvostok.ru
OAO UK Eco-System, ul. Werejskaja 17, Moskau, Business-Center Werejskaja Plaza-2, ofis 515, Tel./Fax 007/495/789 84 48, office@eco-system.ru, www.eco-system.ru
OOO EkoStar Technology, 692900 Wladiwostok, Primorskij kraj, Tel. 007/423/262 00 89, -272 39 79, Fax -262 00 89 (ext. 222), prim@ecostar-tech.ru, info@ecostar-tech.ru, www.ecostar-tech.ru

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