Abfallwirtschaft in Ungarn: Ohne Starthilfe kommt wenig in Gang
Ungarns private Entsorgungs- und Recyclingunternehmen führen ein Schattendasein. Brancheninvestitionen blieben zuletzt aus und damit Fortschritte hin zu einer modernen Kreislaufwirtschaft. Zwei Drittel der Siedlungsabfälle im Land werden deponiert. Der nationale Abfallwirtschaftsplan 2014 bis 2020 lässt im Detail noch Strategien für notwenige Veränderungen missen.
Nach letztverfügbaren Informationen wurden die Investitionen in die ungarische Abfallwirtschaft von durchschnittlich 27,1 Milliarden Forint (circa 967 Millionen Euro) in den Jahren 2005 bis 2010 auf 11,1 Milliarden Forint (circa 384 Millionen Euro) in den Jahren 2011 bis 2013 zurückgefahren. Mitte 2013 waren landesweit insgesamt 70 Deponien offiziell in Betrieb. Wie viele es heute noch genau sind, entzieht sich der Kenntnis. Nicht EU-konforme Abfallhalden mussten bis Juli 2009 geschlossen werden. Für deren Rekultivierung sind in der Förderperiode 2014 bis 2020 EU-Mittel vorgesehen. In der Förderperiode 2007 bis 2013 wurden 15 Abfallwirtschaftszentren in Ungarn gebaut.
Der bereits Ende 2013 verabschiedete nationale Abfallwirtschaftsplan 2014 bis 2020 ist im Detail noch nicht ausgearbeitet und enthält folglich noch keine definierten Strategien – geschweige denn festgelegte Prioritäten. Zu den derzeit geplanten größeren Projekten gehört der Bau einer Abfallverwertungs- und Schlammverbrennungsanlage in Budapest. Die Investitionssumme von 160 Millionen Euro soll mit EU-Fördermitteln der Programmperiode 2014 bis 2020 finanziert werden. Im Rahmen des Operationellen Programms für Umweltschutz und Energieeffizienz (KEHOP) werden weitere kleinere Projekte realisiert, die auf Verbesserung und Weiterentwicklung der Dienstleistungen im Abfall- und Recyclingsektor abzielen.
Recyclingquote bei 22 Prozent?
Wegen der schwachen Wirtschaftsentwicklung ist das Abfallaufkommen in Ungarn in den vergangenen zehn Jahren spürbar zurückgegangen. Die Deponierungsquoten sind sowohl bei Industrieabfällen als auch bei Siedlungsabfällen nach wie vor sehr hoch. Laut Eurostat landeten im Jahr 2013 rund zwei Drittel der ungarischen Siedlungsabfälle auf Deponien. Der EU-28-Durchschnitt beträgt 31 Prozent. Gemäß einem aktuelleren Bericht der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer wurden im Jahr 2014 Siedlungsabfälle zu 67 Prozent und Industrieabfälle zu 62 Prozent deponiert. Die Recyclingquote lag insgesamt bei 22 Prozent, wobei fraglich ist, ob Abfall-Wertstoffströme auch tatsächlich werkstofflich für Industrieproduktionen aufbereitet worden sind. Denn auch in Ungarn ist die Energiegewinnung aus Abfällen ein Thema: In vielen Ländern wird unter Recycling gleichermaßen die stoffliche und energetische Verwertung verstanden, was bekanntlich sachlich falsch ist.
Staatlich regulierte Entsorgung
Ungarn hatte die Entsorgung seiner Siedlungsabfälle 2012 grundlegend neu geordnet. Nach dem Abfallgesetz vom 13. November 2012 dürfen nur noch staatliche oder kommunale Non-Profit-Gesellschaften Siedlungsabfälle einsammeln und abtransportieren. Dieser Wechsel ist weitgehend abgeschlossen. Dabei unterliegen die Preise für die Müllabfuhr ebenfalls wieder der staatlichen Regulierung. Private Entsorger standen früher für rund ein Viertel der landesweiten Hausabfallentsorgung und bedienten etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung. Einige ausländische Marktteilnehmer reichten gegen das neue ungarische Abfallgesetz ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Europäischen Union ein.
Zu einer Zentralisierung ist es auch bei der Organisation und dem Management der Trennung und Wiederverwertung von Abfällen nach dem Umweltproduktabgabengesetz gekommen. Betroffen sind hier Elektro-/Elektronikabfälle, Reifen, Akkumulatoren, Schmieröle, Werbedrucksachen und Verpackungsmittel. Zuständig war zunächst die Nationale Abfallmanagement Agentur (Országos Hulladékgazdálkodási Ügynökség Nonprofit, OHÜ Nonprofit). Ende 2014 wurde sie aufgelöst und ihre Aufgaben an die Direktion für Nationales Abfallmanagement des Nationalen Inspektorats für Umwelt und Natur (OKTF NHI) delegiert.
Die ungarische Regierung hat mit dem neuen Abfallgesetz eine Deponiesteuer eingeführt. Sie betrug zunächst pro Tonne 3.000 Forint (circa 9,62 Euro) und sollte ursprünglich nach und nach auf 12.000 Forint steigen. Derzeit verharrt die Abgabe jedoch auf dem Niveau von 6.000 Forint. Die Einnahmen aus der Deponiesteuer gehen in den Staatshaushalt. Sie sollen den Kommunen teilweise für Investitionen in die nachhaltige Abfallwirtschaft zugänglich gemacht werden. Für 2015 wurde mit neun Milliarden und für 2016 mit acht Milliarden Forint aus dieser Abgabe gerechnet.
Keine nennenswerte Technikproduktion
Wie schon erwähnt, gehen in Ungarn das Einsammeln und der Abtransport von Siedlungsabfällen vollständig in die öffentliche Hand über. Zu den privaten deutschen und österreichischen Entsorgern, die dafür keine neuen Lizenzen mehr erhalten konnten, zählen Remondis Hungária, AVE Magyarország, A.S.A. Magyarország und Saubermacher Hungária. Einige Unternehmen sind in anderen Teilsegmenten der Abfallwirtschaft aktiv geblieben. Im Bereich Industrieabfälle prägen auch firmeneigene Entsorgungsbetriebe beziehungsweise mit Großunternehmen fest verbundene Abfallentsorger die Struktur der Branche.
In Ungarn gibt es keine nennenswerte Produktion von Abfall- und Recyclingtechnik. Die Unternehmen Avermann-Horváth (Barcs; Avermann-Gruppe/Osnabrück) und Polyduct (Nádudvar) stellen spezielle Container aus Kunststoff und Metall her. Daneben gibt es einige Dienstleister im Bereich Vermessung und Analyse. Das Nationale System für Umweltinformationen OKIR zählte 2013 insgesamt 39 große Entsorgerfirmen mit einer Jahresleistung von über 100.000 Tonnen und 19 größere Unternehmen für mehr als 10.000 Tonnen gefährlicher Abfälle pro Jahr. Insgesamt sollen 174 Dienstleister im Bereich kommunaler Abfall tätig sein.
Was sich empfiehlt
Die großen Abfallentsorgungs- und Recyclingunternehmen in Ungarn beschaffen ihre Ausrüstungen direkt. Bei den Finanzierungen sind EU-Fördermittel wichtig: Ohne Starthilfe kommt wenig in Gang. Technologieanbietern und Know-how-Dienstleistern empfiehlt es sich deshalb, Ausschreibungen der Nationalen Entwicklungsagentur zu beobachten (www.nfu.hu). Alle Tender des öffentlichen Sektors sind über die Internetseite des Staatlichen Amtes für Öffentliche Beschaffungen zu erreichen (www.kozbeszerzes.hu). Europaweite Ausschreibungen werden in der EU-Datenbank TED (www.ted.europa.eu) veröffentlicht.
Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union sind die Regelungen des Umsatzsteuer-Kontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern (www.bzst.bund.de). Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Webseite des Deutschen Instituts für Normung e.V. www.din.de).
Quelle: Germany Trade & Invest/Waldemar Lichter
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