Müllverbrennungsanlagen: Der Markt ist in Bewegung

Und er verlagert sich nach Asien und den Mittleren Osten. In Europa hingegen sinkt die Nachfrage nach Verbrennungskapazitäten. 

Die Zahlen lassen keinen Zweifel aufkommen: 63,4 Prozent aller Müllverbrennungskapazitäten, die zwischen 2008 und 2014 vergeben wurden, wurden in China geordert. Europa belegte mit 22,5 Prozent Platz zwei, gefolgt von Japan mit 7,7 Prozent und den USA mit zwei Prozent. Betrachtet man für die Jahre  2012 bis 2014 die vergebenen Kapazitäten in Europa, so liegt der Löwenanteil mit 58 Prozent beim Vereinigten Königreich, gefolgt von Polen mit 11,6 Prozent, Irland mit 7,6 Prozent und Dänemark mit 7,4 Prozent.

Doch in Europa sinkt die Nachfrage. Noch im Jahr 2007 hatte die vergebene Verbrennungskapazität die Spitze von über 15.000 Tonnen pro Tag erreicht. Im darauffolgenden Jahr der Finanzkrise sank das Volumen auf 8.855 Tonnen pro Tag, erholte sich bis 2011 auf über 11.000 Tonnen pro Tag, um dann zwischen 2013 und 2014 von rund 10.000 auf 5.623 Tonnen pro Tag abzurutschen. Auch die Zahl der Anlagenvergaben ging in diesen beiden Jahren von 16 auf neun zurück.

Wo der Anlagenbau floriert

2015 wurden außerhalb des Vereinigten Königreichs lediglich drei Waste-to-Energy-Projekte innerhalb Europas vergeben: nach Frankreich (2 x 175.000 Tonnen pro Jahr), nach Polen (100.000 Tonnen pro Jahr) und nach Deutschland (15.000 Tonnen pro Jahr). Geplant wurden außerhalb Britannien nur vereinzelte Projekte in Polen, Skandinavien und der Türkei. Demgegenüber legte das Vereinigte Königreich allein 2015 zusätzliche Verbrennungskapazität von rund 1,1 Millionen Tonnen pro Jahr zu.

Ganz anders China. Dort befinden sich rund 120 Müllverbrennungsanlagen im Bau, für weitere 100 Projekte stehen die ersten Konkretisierungen an, und 25 bis 30 Vorhaben werden zur Ausschreibung vorbereitet. Jedoch sind bis auf ein Großprojekt in Hong Kong, das auch ausländischen Anbietern geöffnet wurde, die Projekte nur für einheimische Unternehmen vorgesehen; nicht-chinesische Investoren sind nur als Lizenznehmer oder als Lieferanten von Anlagenkomponenten zugelassen. Der Anlagenbau floriert auch andernorts in Asien und im Mittleren Osten. Indien winkt mit geringen Abgabe-Gebühren bei hohen Energieerlösen von teilweise 100 Euro pro Megawattstunde; in Singapur sollen für 475 Millionen Euro Kapazitäten von 3.600 Tonnen pro Tag errichtet werden; und in Malaysia, Thailand, Vietnam und Myanmar sind ebenfalls vereinzelte Projekte vorgesehen. Aus dem Iran werden beachtenswerte Vorhaben gemeldet, mehrere Großprojekte stehen in der Golfregion vor der Planung, und Australien will sein erstes Energie-aus-Abfall-Werk bauen.

Attraktiv für Großbritannien

Zum Vergleich dazu – so prognostiziert die Green Investment Bank – soll im Vereinigten Königreich der Anteil der thermischen Abfallbehandlung an der Restmüllverwertung von 20 Prozent im Jahr 2012 auf 56 Prozent im Jahr 2020 ansteigen. Dazu würden neben den installierten zusätzlich weitere 4,7 bis 7,7 Millionen Tonnen pro Jahr Verbrennungskapazitäten wirtschaftlich notwendig sein. Ob sich diese Investitionen lohnen, hat die Green Investment Bank untersucht und kam zu dem Schluss: „Angesichts der momentan relativ begrenzten Verbrennungskapazitäten, der steigenden Deponiegebühren und der zunehmend effizienteren Abfallversorgungsketten nach  Europa bedeutet das, dass der Export von Restabfällen in Form von Ersatzbrennstoffen eine wirtschaftlich attraktive Option für die Abfallindustrie des Vereinigten Königreichs ist und vermutlich bleiben wird. Daher wird der Exportmarkt anhaltend die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Behandlungsoptionen lenken.“

Dennoch wird sich auch die Restabfallbehandlung in UK verändern. Suez Environnement schätzt, dass sich gegenüber dem jetzigen Volumen die Verbrennungskapazitäten um 3,8 Millionen Tonnen pro Jahr (2020) und um 6,9 Millionen Tonnen pro Jahr (2025) erhöhen werden; parallel dazu werden Pyrolyse und Vergasung um 1,6 beziehungsweise 3,7 Millionen Tonnen pro Jahr an Kapazität zulegen. 54 Projekte beziehungsweise 6,6 Millionen Tonnen pro Jahr sind in der Planung und sollen als „Advanced Conversion Technology“ (ACT) gefördert werden, also als Technologie zur thermischen Abfallverwertung, die keine konventionelle Abfallverbrennung auf Rostfeuerungen darstellt.

Zurzeit sind zehn Anlagen im Bau oder Betrieb; fünf davon basieren auf Gasifizierung mit einer Kapazität von 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Davon werden 700 Millionen Tonnen durch Plasma-Vergasung abgedeckt, 454 durch Gasifizierung und 280 durch Pyrolyse. Von den 43 Projekten, die zur Genehmigung eingereicht oder bereits genehmigt sind, sollen jedoch fast drei Viertel (30 Anlagen) zur Gasifizierung dienen, zwölf zur Pyrolyse und nur eine zur Plasma-Vergasung. Der Kapazitätsanteil zur Gasifizierung wird sich auf 3,8 Millionen Tonnen pro Jahr (76 Prozent von 5,1 Millionen Tonnen pro Jahr Gesamtkapazität) belaufen. Von den insgesamt 54 ACT-Projekten sind rund 80 Prozent mit einer Anlagenkapazität von unter 150.000 Tonnen pro Jahr geplant. Sie erfordern Verfahren mit hoher Energieeffizienz, die flexibel auf Input reagieren können, ein kontrolliertes Energiepotenzial besitzen und bei Bedarf auch auf konventionellen Betrieb umrüstbar sind.

Für Anlagenbauer eröffnen sich mittelfristig aber auch andere Absatzgebiete. So gibt es Berechnungen, wonach in Frankreich die verbleibenden Kapazitäten zur Abfallverbrennung von 26.189 Tonnen pro Tag im Jahr 2014 auf unter 3.000 Tonnen pro Tag im Jahr 2032 fallen werden. Darüber hinaus wird 2023 in Frankreich der Hausmüll in 82 Anlagen verbrannt, die älter als 30 Jahre sind, beziehungsweise in 36 Anlagen, die über 40 Jahre zählen. Um auf Niveau zu bleiben, müssten jährlich 500.000 bis 800.000 Tonnen Verbrennungskapazität ersetzt werden. Hinzu kommt, dass Frankreich nach wie vor ein Drittel seiner Haushaltsabfälle deponiert.

Der Artikel geht auf einen Vortrag mit dem Titel „Märkte für Abfallverbrennungsanlagen“ zurück, den der Diplomingenieur Johannes J. E. Martin auf der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz am 25. Januar 2016 hielt.

Foto: Dr. Jürgen Kroll

(EUR0316S24)