Ein scheinbar saturierter Recyclingmarkt

Schwedens Kreislaufwirtschaft läuft in ruhigen Bahnen, die Entwicklung scheint zu stagnieren und sich auf ein kaum mehr zu übertreffendes hohes Niveau einzupendeln. Doch das täuscht: Potenziale gibt es bei der Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen, beim Textilrecycling sowie bei der Behandlung von biologischen Abfällen. Und auch die Altfahrzeug-Verschrottungsquoten könnten besser sein. 

Schweden zählt im Bereich Cleantech weltweit zu den Spitzenreitern; die nationale Kreislauwirtschaft ist als ausgesprochen fortschrittlich und modern zu bezeichnen. Im „Environmental Performance Index“ der Universitäten Yale und Columbia, des World Economic Forums und der Europäischen Union rangierte das Land 2014 auf Platz 9. Die Branchenakteure haben einen guten Ruf und gelten als innovativ.

Nach Angaben des nationalen Statistikamts SCB sind die Umsätze im Bereich Abfallbehandlung 2013 (letztverfügbare Angabe) um gut sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen; sie erreichten einen Wert von 35,2 Milliarden Schwedischen Kronen, umgerechnet etwa 4,1 Milliarden Euro. Der größte Anteil des landesweiten Abfall­aufkommens (156 Millionen Tonnen; Stand 2012, ebenfalls letztverfügbare Angabe) entfällt auf die Industrie und hier wiederum vorrangig auf den Bergbau (129 Millionen Tonnen). Es folgen – mit großem Abstand – die Papier-/Zellstoff- und die Metallindustrie. Die Bergbaukonzerne behandeln ihre Abfälle fast vollständig jeweils auf dem eigenen Grubengelände; recycelt werden davon aber nur sieben Prozent.

Deponierungsanteil unter einem Prozent

Gemäß der Branchenorganisation Avfall Sverige fielen 2014 rund 4,5 Millionen Tonnen Haushaltsabfälle an. In den letzten vier Jahren ist das Volumen wieder gestiegen, allerdings nur um jährlich ein bis zwei Prozent. Etwa die Hälfte davon – darunter unter anderem auch wiederverwertbare Kunststoffe, für die in Schweden bislang kein generelles Verbrennungsverbot gilt – wird energetisch verwertet (vor allem für Fernwärme), circa ein Drittel recycelt und 17 Prozent werden biologisch behandelt.

Der Deponierungsanteil beträgt in Schweden zwar nur noch 0,7 Prozent. Fachleute schätzen aber, dass sich davon bis zu 95 Prozent wiederverwerten ließen. Seit einem Beschluss über die Beschränkung von Deponieanlagen und der Einführung von entsprechenden Abgaben vor einigen Jahren ist die Menge an deponierten Haushaltsabfällen zurückgegangen (2012 indes leichter Anstieg) und die Anzahl der kommunalen Anlagen gesunken: 2006 waren es etwa 160 und 2012 noch 45. Als übergeordnete Ziele stehen in näherer Zukunft die Erhöhung des Verwertungsanteils von Bau- und Abbruchabfällen, der Ausbau des Textilrecyclings und der Trennsysteme und Behandlungsmöglichkeiten von biologischen Abfällen sowie eine bessere Überwachung von Altfahrzeugverschrottungen im Vordergrund. Denn wie im übrigen Europa verschwinden auch in Schweden zu viele End-of-Life-Fahrzeuge in dunklen Kanälen.

Foto: J. Szasz

Foto: J. Szasz

Abfallimporte in großen Mengen   

Einer Recyclingstatistik für 2014 zufolge nimmt die Wiederverwertung von Verpackungen – insbesondere aus Kunststoff, Glas und Papier – in Schweden weiter zu. Insgesamt lag das Aufkommen der drei Wertstoffkategorien bei 0,9 Millionen Tonnen, von denen knapp 0,7 Millionen Tonnen für die Herstellung neuer Materialien oder zur Energiegewinnung genutzt wurden. Bei Glasverpackungen lag der Wiederverwertungsanteil bereits bei 93 Prozent.

Sammelstellen für Abfalltrennung gibt es in Schweden seit Mitte der 1990er Jahre. Landesweit existieren davon 5.800 für Glas, Zeitungen, Papier-, Kunststoff- und Metallverpackungen. Diese werden inzwischen mehr oder weniger aus einer Hand von dem Recyclingverband FTI betrieben. Daneben bestehen weitere 590 Sammelanlagen etwa für Metallabfälle, Holz und Textilien. Von der kommunalen Müllabfuhr werden in der Regel nur Restmüll sowie auf Wunsch und gegen Gebühr Kompost und Zeitungen abgeholt. Einige Kommunen ermöglichen in ausgewählten Wohngebieten eine Abfalltrennung direkt am Haus mithilfe von entsprechenden Tonnen und Containern.

Aufgrund des relativ engmaschigen Fernwärmenetzes ist die Müllverbrennung in Schweden als Energiequelle für Heizkraftwerke wichtig. Insgesamt sind im Land 32 Müllverbrennungsanlagen (MVA) in Betrieb. Um diese angesichts der hohen Recyclingquote bei Hausabfällen auszulasten – anstatt sie stillzulegen –, importiert Schweden zur Irritation von Umweltschützern große Mengen an Abfällen, vor allem aus Norwegen. Bei großen städtebaulichen Wohnungsbauprojekten kommen moderne kreislaufwirtschaftliche Abfallkonzepte zum Tragen – zum Beispiel das Hafenwohngebiet Norra Djurgården in Stockholm. Die Planer zeigen sich bei solchen Vorhaben offen für Lösungsansätze aus dem Ausland.

Sonderregeln im Distanzhandel

Seit 1994 besteht in Schweden eine Verordnung zur Produkthaftung für Verpackungen. Danach sind alle Unternehmen, die Verpackungen oder verpackte Waren herstellen, importieren oder verkaufen, für die ordnungsgemäße Entsorgung verantwortlich. Dazu ist ein Vertrag mit FTI abzuschließen. Der Vertragspartner erhält damit auch das Recht, die mit dem deutschen „Grünen Punkt“ identischen „Gröna Punkten“ zu nutzen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Bei deutschen und europäischen Unternehmen, die Waren nach Schweden exportieren, ist in der Regel der Importeur beziehungsweise die ortsansässige Tochterfirma Vertragspartner des Systembetreibers. Eine Ausnahme sind Exporteure, die mit vielen kleinen Wiederverkäufern zusammenarbeiten. In diesem Fall kann der Hersteller eine Sondervereinbarung mit FTI abschließen. Auch im Distanzhandel (E-Commerce, Versandhandel) gelten Sonderregelungen, da Transaktionen hier zumeist ohne Importeure erfolgen. Alle Hersteller, Händler und Importeure, die in Schweden elektrische und elektronische Produkte verkaufen, müssen sich in ein von der Umweltbehörde geführtes, zentrales Melderegister eintragen lassen. Sie sind als Produzent für die ordnungsgemäße Entsorgung ihres Elektroschrotts verantwortlich. Ähnlich wie beim Verpackungsrecycling schließen Hersteller, Verkäufer oder Importeure einen Vertrag mit einer Entsorgungs- oder Wiederverwertungsgesellschaft ab.

WEEE-Richtlinie wird umgesetzt

Schweden zählt, gemessen an seiner Einwohnerzahl, zu den weltweit fleißigsten Elektroschrottsammlern. Nach offiziellen Angaben belief sich das Elektroabfallaufkommen 2014 im Land auf 148.780 Tonnen – zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Mit der neuen Verordnung (2014: 1075) zur Herstellerverantwortung für Elektrogeräte, deren wesentliche Änderungen am 15. Oktober 2014 in Kraft getreten sind, hat Schweden die EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE-Richtlinie 2012/19/EU) in nationales Recht überführt.

Vorausgegangen war ein Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer Reihe von Bestimmungen der WEEE-Richtlinie gegen das nordische Land eingeleitet hatte. Für ausländische Hersteller sowie Onlinehändler von elektrischen und elektronischen Produkten, die nicht in Schweden registriert sind, aber dort Produkte verkaufen, ergibt sich dadurch die Neuerung, dass sie einen Bevollmächtigten benennen müssen, der in Schweden niedergelassen ist und der für sie die Registrierung vornimmt. 2009 wurde außerdem das auf den EU-Richtlinien (2006/66/EG und 91/157/EEG) basierende Gesetz zur Produzentenverantwortung für Batterien eingeführt: Hersteller und Importeure von Batterien sind verpflichtet worden, beim Naturvårdsverket eine Registrierung zu beantragen. Seit 2007 gilt des Weiteren das auf der EU-Richtlinie 2000/53/EG basierende Gesetz zur Produzentenverantwortung für Kraftfahrzeuge.

Trend zur Rekommunalisierung

In Schweden sind die Kommunen für die Abfallentsorgung zuständig. Müllabfuhrdienste werden von privaten oder kommunalen Firmen durchgeführt. Den Abtransport getrennt gesammelter Verpackungs- und Produktabfälle, bei denen eine Produzentenverantwortung für die ordnungsgemäße Entsorgung besteht, übernehmen bislang meist Privatunternehmen. Doch nimmt der Wettbewerb zwischen der privatwirtschaftlichen Entsorgungsindus­trie und den Kommunalbetrieben diesbezüglich zu, denn beide Seiten wollen ihre Geschäfte mit Abfall und Recycling ausbauen. Auch in Schweden gibt es einen Trend zur Rekommunalisierung. So haben in der südschwedischen Provinz Skåne mehrere Kommunen in den letzten Jahren Entsorgungsleistungen ohne Ausschreibung vergeben. Die EU-Kommission, die hierin einen Verstoß gegen das gemeinschaftliche Vergaberecht sieht, prüft bereits die zweite Stellungnahme der schwedischen Regierung dazu.

Für die Aufbereitung der Abfallströme für die stoffliche Wiederverwertung an den kommunalen Recyclingzentren werden oft private Anlagenbetreiber beauftragt. Die Branche ist hier sehr heterogen strukturiert und besteht aus vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen. Zu den größeren Dienstleistern zählen Stena (www.stenametall.se), IL Recycling (www.ilrecycling.se) und Kuusakoski (www.kuusakoski.se). Ein führender Hersteller von Kanalballenpressen ist Presona AB (www.presona.se) mit Sitz in Tomelilla.

Die meisten Deponieanlagen unterhalten kommunale Firmen wie SRV in Stockholm (www.srv-atervinning.se) und Renova (www.renova.se) in Göteborg. Die Mehrheit der schwedischen Gemeinden hat Aufträge für das Einsammeln und den Transport von Abfällen an private Unternehmen vergeben. Bekannte Anbieter sind Ragn-Sells (www.ragnsells.se), Sita (www.sita.se), Renova und LL Bolagen (www.llbolagen.se). Bei der Beseitigung von Kommunalabfällen nimmt Sita eine führende Markstellung ein.

Offen für versierte Konzepte

Anders als in weniger entwickelten Märkten sind die Potenziale für deutsche und europäische Ausrüstungsfirmen in Schwedens Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft eingeschränkt. Anbieter von innovativen Lösungen, insbesondere Technikanbieter und spezialisierte Anlagenbauer, können aufgrund der Offenheit der Kunden und Auftraggeber für moderne und technologisch versierte Konzepte jedoch mit guten Marktchancen rechnen. Aufgrund der geringeren Einwohnerdichte werden in Schweden aber kleinere Anlagen benötigt.

Alle öffentlichen Ausschreibungen werden in Schweden grundsätzlich im Internet publiziert. Die führende Plattform ist die zum Visma Opic-Konzern gehörende Allego (www.allego.se). Die Provinzregierungen und andere Einkaufsorganisationen publizieren ihre Tender aber auch auf eigenen Internetseiten. Zusätzlich betreiben die Provinzregierungen den zentralen Dienst „Regionales Beschaffungs-Netzwerk“ (www.lfu.se). Die Deutsch-Schwedische Handelskammer unterhält in Malmö eine Abteilung Recycling & Verpackungen und berät zu den schwedischen Vorschriften zur Entsorgung von Verpackungen, Batterien, Elektroschrott und anderen Umweltfragen. Das Büro bietet unter anderem Hilfestellung bei Verträgen und den Meldeverfahren der Entsorgungswirtschaft an.

Autor: Heiko Steinacher
Quelle: Germany Trade & Invest

Foto: J. Szasz

(EUR0316S34)