Wachstumsmarkt Metallrecycling?
Metallrecycling hat in Deutschland Tradition. Seit langem unterstützt dieser Industriezweig durch Sekundärrohstoffe die wirtschaftliche Entwicklung. Über den aktuellen Stand der Metallrecyclingbranche in Deutschland informierte am 9. März ein Workshop des WFZruhr in Lünen.
Ist Stahlrecycling ein Wachstumsmarkt? Das sei – urteilte Dr. Rainer Cosson, Hauptgeschäftsführer des BDSV – „eine Frage der Perspektive“. Historisch gesehen war Stahlschrottrecycling ohne Zweifel eine Wachstumsbranche. Seit 1950 stieg die globale Rohstahlproduktion von 189 auf 1.665 Millionen Tonnen und soll 2025 auf 2,23 Milliarden Tonnen anwachsen.
Die Ursache dafür liefern die wachsende Weltbevölkerung, der Trend zur Urbanisierung, die Zunahme von Megacities, die Verknappung natürlicher Ressourcen und die bessere Verfügbarkeit des Sekundärrohstoffs Schrott. Rund die Hälfte des Stahlbedarfs entfällt auf Wohngebäude und Infrastruktur. Stahl bleibt eine permanente Rohstoffquelle, da rund 75 Prozent des jemals produzierten Stahls noch in Gebrauch sind und ohne Qualitätsverlust recycelt werden könnten. Folglich wird zukünftig Stahlschrottrecycling – in steigendem Maße – einen bedeutenden Beitrag zur Rohstofflieferung leisten. Wenn auch die weltweite Produktion von Rohstahl im Jahr 2015 um 2,8 Prozent sank, bleibt dieser Industriesektor von China beherrscht. Mit rund 800 Millionen Tonnen erwirtschaftete China rund die Hälfte des globalen Rohstahls und überschwemmte mit Stahlprodukten zu Dumpingpreisen den Weltmarkt.
Export mit rückläufigen Absatzchancen
Im Gegensatz dazu ist Deutschland hochgradig von Importen abhängig. Im Jahr 2014 wurden zur Stahlerzeugung 100 Prozent der 43 Millionen Tonnen Eisenerz und 95 Prozent der elf Millionen Tonnen Kokskohle eingeführt; lediglich beim Stahlschrott entstand ein Export-Überschuss von vier Millionen Tonnen. Doch unterliegen diese Überschüsse für den Export kontinuierlich rückläufigen Absatzchancen: Die deutschen Stahlschrott-Ausfuhren gingen 2015 um insgesamt 16,4 Prozent zurück; die Exporte in die Türkei halbierten sich.
Hinzu kommt, dass sich der Anteil von Elektrostahl gegenüber Oxygenstahl in den letzten Jahren verringerte. Der Hintergrund: Während für die Elektrostahl-Herstellung im Elektrolichtbogen-Ofen zu 100 Prozent Stahlschrotte eingesetzt werden, werden sogenannte Kühlschrotte für die Oxygenstahl-Produktion im Hochofen nur zu zwölf bis 18 Prozent verwendet. Der Anteil der Elektrostahl-Erzeugung fiel zwischen 2009 und 2015 von knapp 35 Prozent auf unter 30 Prozent – ein Indiz dafür, dass Primärrohstoffe preiswerter geworden sind. Dadurch bedingt litt der Absatz von Stahlschrott. Entsprechend sank der Umsatz der deutschen Stahlrecyclingbetriebe von 21,5 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf 16,0 Milliarden Euro im Jahr 2014. Nach Expertenmeinung soll die Marge für 2015 bei 14,7 Milliarden Euro liegen.
Ungesunde Schrottpreise
Ein weiterer Faktor: Im vergangenen Jahr verfielen die Stahlschrottpreise sowohl national wie international. Nach Angaben der BDSV sank der Preis für Stahlschrotte der Sorte 2/8 binnen eines Jahres von rund 200 auf 120 Euro pro Tonne. Das führte zu eingeschränkter Sammeltätigkeit insbesondere bei Altschrotten und infolgedessen zu schlechterer Kapazitätsauslastung der Anlagen und zu erhöhtem Kostendruck. Dadurch hat sich, wie MBI errechnet, etwa seit Jahresbeginn 2014 die Relation Schrottpreis zu Eisenerzpreis um den Faktor 5,5 gesteigert; ein gesundes Verhältnis bestünde, wenn der Schrottpreis etwa das Dreifache des Eisenerzpreises betragen würde. Diese relative Verteuerung ist ein Indiz dafür, dass es zu einer Preiskorrektur kommen muss.
Ist also Stahlrecycling ein Wachstumsmarkt? Cossons Beurteilung der jüngsten Entwicklung klang wenig positiv: Die Recyclingbranche werde zunehmend Opfer der Stahlkrise, da der europäische Markt als Ventil für Chinas Überkapazitäten im Stahlbereich herhalten und gegen Dumpingpreise ankämpfen müsse, weshalb der chinesischen Wirtschaft die Anerkennung als Marktwirtschaftsstatus weiterhin vorenthalten werden sollte. Zudem beeinträchtige die europäische Klimapolitik die Wettbewerbsfähigkeit ihres eigenen Standortes und insbesondere Deutschlands. Und die zunehmende Kommunalisierung der deutschen Recyclingwirtschaft, so Rainer Cosson, stelle eine zusätzliche Bedrohung dar.
Vermehrter Einsatz von Sekundärrohstoffen
Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Deike (Universität Essen) brach eine Lanze für die Bedeutung des Recyclings durch energieintensive metallurgische Betriebe. Die Steigerung der Ressourceneffizienz in der metallurgischen Industrie erklärte der Wissenschaftler aus vermindertem Einsatz von Eisenerzen sowie Kohle und einer vermehrten Verwendung von Schrott. Zudem hätten sich, verglichen mit 1990, der für die Rohstahlproduktion spezifische Energieverbrauch auf etwa 88 Prozent und die spezifischen CO2-Emissionen auf rund 86 Prozent reduziert.
Für das Jahr 2008 liegen Zahlen für die prozentuale Verwendung von Sekundärrohstoffen bei der Herstellung von Metallprodukten vor. Danach betrug in Deutschland der Kupferanteil knapp 60 Prozent (global: zwölf Prozent), der Bleianteil über 70 Prozent (global: 60 Prozent), der Aluminiumanteil rund 65 Prozent (global: 32 Prozent) und der Stahlanteil 48 Prozent (global: 38 Prozent); Gusseisenprodukte wurden fast ausschließlich aus Recyclingmaterial hergestellt. Der Energieverbrauch pro Tonne Aluminium reduziert sich durch die Verwendung von Sekundär- statt Primarmaterial von fast 180 auf unter 20 Gigajoule, pro Tonne Kupfer von rund 60 auf 20 Gigajoule und pro Tonne Stahl von 20 auf circa sieben Gigajoule.
Urbane Minen statt volatilen Märkten
Unausgewogene Marktstrukturen bergen hingegen Risiken hinsichtlich Versorgungssicherheit, Preissteigerungen oder Abhängigkeit. Wie solche Voraussetzungen zu volatilen Märkten und zur Produktionsdrosselung führen können, zeigen beispielhaft die explosionsartige Preisentwicklung für Hochofen-Koks an der Jahreswende 2008/2009 und für die Seltenen Erden Lanthan und Cer im Jahr 2011.
Im Gegensatz dazu dienen Müllverbrennungsschlacken und Flugaschen bei der Rückgewinnung von Metallen wie Gold, Silber, Kupfer und Zink schon heute als urbane Minen, deren Potenzial durch weiterentwickelte Analytik sowie Qualität und Sicherheit noch verbessert werden kann. Dazu verfügt Deutschland und besonders die Region Rhein-Ruhr über eine Ansammlung hochmoderner und ressourceneffizienter, wenngleich energieintensiver Anlagen. Durch ihren Einsatz könne „aus etwas Altem etwas Neues mit besseren Eigenschaften gemacht werden“, urteilte Rüdiger Deike.
Aurubis: Mehr als ein Kupferrecycler
Für Kontinuität im Metallrecycling steht Aurubis. Gegründet 1866 als Norddeutsche Affinerie AG, ist Aurubis heute zweitgrößter Kupferkathodenproduzent der Welt mit einer jährlichen Produktion von 1,1 Millionen Tonnen, gilt als die Nummer 1 weltweit im Kupferrecycling und zählt sich zu den größten globalen Unternehmen, die neben Edelmetallen auch Zinn, Blei, Zink und Nickel aus Anodenschlamm gewinnen.
Wie Dr. Hendrik Roth (Leiter Umweltschutz bei Aurubis) erläuterte, werden aus Kupferkonzentrat und/oder Altkupfer zunächst Anodenplatten hergestellt und im anschließenden Elektrolyseverfahren zu 99,99 Prozent hochreines Kupfer gewonnen. Zu den Produktionsanlagen des Werks in Lünen gehören ein Kayer Recycling System, erweitert durch einen Top Blow Rotary Converter, eine Anodenofen-Anlage sowie eine Raffinationselektrolyse. In der modernen Kupfermetallurgie werden jährlich 2,2 Millionen Tonnen Kupferkonzentrate und 660.000 Tonnen vorbehandelte Recyclingmaterialien eingesetzt, aus denen Flachwalzprodukte, Formate, Gießwalzdraht und andere Halbzeuge entstehen und in die Weiter- und Endverarbeitung gehen.
Im Gegensatz zum sogenannten „Hinterhofrecycling“ ermöglicht die nachhaltige Rohstoffstrategie von Aurubis neben hohen Gewinnungsgraden an Metallen einen effektiven Energieeinsatz sowie das Recycling mehrerer Metalle. Dazu hält das Unternehmen, wie es heißt, hohe Umweltstandards ein: Seit dem Jahr 2000 wurden den Angaben nach über 500 Millionen Euro in Umweltschutzmaßnahmen investiert; diese Maßnahmen schlagen mit 30 Prozent des Stromverbrauchs zu Buche. Durch neue Technologien und die Erhöhung des Durchsatzes konnte laut Aurubis der Bedarf an Primärenergie von 2005 bis 2013 um 40 Prozent je Tonne Sekundärrohstoff-Eintrag gesenkt werden.
Foto: O. Kürth
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