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Nanomaterialien: Weitere Forschungen sind nötig

Die wachsende Vielzahl an Nanoprodukten im Markt stellen die Behandlung und Entsorgung von Nanomaterialien als Abfälle vor große Herausforderungen.

Im Jahr 2012 wurde der globale Markt für Nanomaterialien auf elf Millionen Tonnen mit einem Marktwert von 20 Milliarden Euro geschätzt. Zwischen 2006 und 2011 verfünffachte sich weltweit die Zahl der Produkte, die Nanomaterialien enthalten, während für 2015 der Umsatz mit Nanomaterial enthaltenden Produkten auf rund zwei Billionen Euro veranschlagt wurde. Die zehn mit den höchsten Produktionsmengen hergestellten Nanomaterialien sollen sich bereits 2010 auf insgesamt 260.000 bis 309.000 Tonnen belaufen haben.

So erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass Nanomaterial enthaltende – und dadurch möglicherweise belastete – Abfälle zusammen mit konventionellen Abfällen ohne Vorsichtsmaßnahmen oder Behandlung entsorgt werden. Noch ist nicht schlüssig erforscht, welche Nanomaterialien gesundheitsgefährdend sind oder umweltschädlich. Und falls sie unter das Abfallregime geraten: Wie sicher und effektiv sind die Entsorgungskanäle, um diese Stoffe zu erkennen und unschädlich zu machen? Zwei jüngst erschienene Studien versuchen, Antworten auf diese Fragen zu geben.

Wenig Auswirkung auf die Kompostierung

Es gibt zahlreiche Ansätze, die zukünftig einen verstärkten Eintrag von Nanomaterialien in den Biomasse-Stoffstrom und damit auch in die Bioabfallverwertung erwarten lassen. Eine Untersuchung des bifa testete daher mit verschiedenen biologischen Verfahren die Wirkung ausgewählter Nanomaterialien (Silber, verschiedene Metalloxide und mehrwandige Kohlenstoff-Nanoröhrchen) auf aerobe und anaerobe Abbauvorgänge beim Kompostieren. Dabei konnten unter anderem Einflüsse von Nanomaterialien auf die basis- und die substrat-induzierte Atmung von Bioabfallkompost festgestellt werden. Fast alle untersuchten Nanomaterialien bewirkten – von der jeweiligen Dosis abhängige – Hemmungen der biologischen Aktivität von Bioabfallkomposten. Klärungsbedürftig ist, inwieweit diese Hemmwirkung langfristig anhält.

Auswirkungen auf die Biogasbildung wurden nicht verifiziert: Weder wurden die Gärung der Hefe Saccharomyces cerevisiae noch die Erträge durch Faulschlammbildung beeinträchtigt. Phytotoxische Folgen zeitigten Nanomaterialien nur ganz vereinzelt und abhängig von den Prüfbedingungen. Auswirkungen auf die Prozessstabilität von Vergärungsanlagen und mikrobielle Modifizierungen bei der Umsetzung im Boden ließen sich nicht ausschließen. Die hier verwendeten Testverfahren lassen insgesamt den Schluss zu, dass erst hohe Dosierungen von Nanomaterialien kurzfristig Effekte erkennen lassen; längerfristige Test wurden im Rahmen der Untersuchung nicht vorgenommen.

Erhöhtes Gefährdungspotenzial durch Recycling

Eine neue Studie der OECD geht davon aus, dass moderne Abfallbehandlungsanlagen Beispiele für die Rückhaltung oder Eliminierung von Nanomaterialien geliefert haben. Dennoch gibt es eine große Anzahl unterschiedlicher Typen von Nano­stoffen, unterschiedliche Entsorgungsanlagen und Unsicherheiten über die jeweils aktuelle Zusammensetzung des Abfalls.

Beim Recycling bergen die spezifischen Behandlungsprozesse mögliche Risiken einer Materialemission. Shreddern, Mahlen oder thermische Behandlung können ein erhöhtes Gefährdungspotenzial entfachen, wenn sie nicht in geschlossenen Prozessen erfolgen. Filter, die nicht für Nano­partikel ausgelegt sind, steigern die Gefahr von Austritten. Manuelle Demontage kann das Entweichen von Nanopartikeln verursachen oder den direkten Kontakt mit den Arbeitern  bewirken. Auch ist die ungewollte oder sogar schädliche Übertragung der Partikel auf die Recyclingmaterialien möglich, die zur Qualitätsminderung des Recyclingguts führen kann.

Die Gefährdung besteht hauptsächlich durch Abfälle in Verbindung mit freien Objekten im Nanobereich (kleiner als 100 nm) in Form von Nanopartikeln, Nanofasern oder Nanostäbchen. Zur Risikominimierung werden technische Maßnahmen wie Staub- und Aerosol-Filterung, organisatorische Maßnahmen wie Verringerung der Gefährdungsdauer und der Zahl der gefährdete Personen und persönliche Schutzmaßnahmen wie Schutzanzug und -maske, -handschuhe sowie -brille vorgeschlagen.

Austrittsmöglichkeiten bei Verbrennung

Was die Verbrennung von Nanoabfälle anlangt, so sind bislang weder die in Frage kommenden Mengen bekannt noch bestehen Kenntnisse über Einfluss oder Verhalten dieser Stoffe während des Prozesses. Die Angaben sind widersprüchlich. Immerhin kommt eine Studie aus dem Jahr 2012 über den globalen Ausstoß auf 3.000 Tonnen Titandioxid-, 5.500 Tonnen Siliziumdioxid-, 550 Tonnen Zinkoxid-, jeweils 55 Tonnen Eisenoxid-, Aluminiumoxid- und Ceroxid-Nanopartikel, 300 Tonnen Kohlenstoff-Nanoröhrchen und 55 Tonnen Silber pro Jahr, die produziert und benutzt wurden. Welche dieser Mengen in die thermische Behandlung gerieten, ist nicht quantifiziert. Eine Studie aus dem Jahr  2012 kalkulierte: Siedlungsabfall verfügt über einen vermuteten Kunststoffgehalt von durchschnittlich zwölf Prozent; davon sind sieben Prozent Nano-Gemische. Schätzungen sprechen davon, dass der Anteil von Nano-Teilchen in solchen Gemischen zwischen einem und zehn Gewichtsprozenten beträgt – abhängig von Infrastruktur und Stoffströmen.

Auch die Nano-Emissionen von Verbrennungsanlagen haben nur wenige Studien untersucht. Sie kommen zu der Aussage, dass hochwertige Rauchgasreinigungsanlagen in der Lage sind, Nanopartikel zu separieren. Allerdings wurde das nur modellhaft und für ausgesuchte Materialien kalkuliert. Als gesichert gilt lediglich die Erkenntnis über das Verhalten von Nanomaterialien während der Verbrennung: Sie werden durch die Verbrennung zerstört. Sie werden durch die Rauchgasreinigung aufgefangen und finden sich in der Flugasche oder anderen Rückständen. Bestimmte Substanzen reagieren mit anderen und formen neue Partikel. Größere Partikel zerfallen zu kleineren. Oder größere Partikel agglomerieren und verlieren ihren Nano-Status. Die OECD bilanziert: „Das Wissen über Verhalten von Nanomaterial während der Siedlungsabfall-Verbrennung und darüber, wie das Material in die Umwelt gelangt, ist in einem sehr frühen Stadium.“

Bei Deponierung Gefahr durch Freisetzung

Auch bei der Endlagerung von Nanomaterialien sind grundlegende Aussagen kaum möglich, da sich Standard und Praktiken von hochspezialisierten, geregelten Deponien von wilden Kippen wesentlich unterscheiden. Allerdings herrscht über ihr Potenzial zu Umweltbeeinflussung durch entweichende Schadstoffe Einigkeit. Und auch darüber, dass hier Probleme mit einem nicht bekannten Maß an Umfang und Unsicherheit auf die Abfallwirtschaftssysteme zukommen könnten. Die Britische Standard Institution unterscheidet vier feste und flüssige Nano-spezifische Abfallströme: reines Nanomaterial, durch Nanomaterial kontaminierte Objekte, Nanomaterial enthaltende flüssige Suspensionen sowie feste Oberflächen mit Nanomaterialien, die brüchig oder lose auf der Fläche angebracht sind.

Dass Kohlenstoff-Nanoröhrchen in Gemischen, die sich – wenn auch extrem langsam – zersetzen, auf Deponien zu einer Gefahr im Sickerwasser werden können, gilt als wahrscheinlich. Ebenso, dass frei oder lose gebundene Materialien in flüssigen Suspensionen einen hohen bis sehr hohen Wahrscheinlichkeitsgrad der Freisetzung besitzt. Dennoch bleiben die Studien, die sich mit der Deponierung von Nanomaterialien im Siedlungsabfall befassen, weitestgehend Schätzungen. So vermutet eine Analyse, dass über 50 Gewichtsprozent der drei meistbenutzten Nanomaterialien – Nanosilber, Nano-Titandioxid und Kohlenstoff-Nanoröhrchen – auf Deponien landen. Eine andere Untersuchung aus dem Jahr 2010 nimmt an, dass von den 260.000 bis 309.000 Tonnen weltweit produzierter Nanomaterialien vermutlich die Mehrheit – 63 bis 91 Prozent – deponiert wird. Dabei darf deren Menge aus industriellen Quellen, die auf regulierte Sondermülldeponien und potenziell kommunale Lagerstätten endet, nicht übersehen werden. Und ebensowenig die nano-haltigen Aschen, Schlacken oder Klärschlämme, die aus Verbrennungs- oder Kläranlagen stammen.

Erschwerte wissenschaftliche Erforschung

Auf Grundlage dieser Angaben kommt die OECD-Studie zu dem Schluss, dass mit gewisser Wahrscheinlichkeit Produkte, die Nanomaterialien enthalten, auf Deponien gelangt sind und folglich dort gelagert werden. Und dies zukünftig in zunehmend größeren Mengen. Die Studie empfiehlt daher den Einsatz der besten verfügbaren Technik und der besten Methoden zur Gefährdungs-Klassifikation, -Kennzeichnung und -Trennung, um eine geeignete Endlagerung für als belastet eingeschätzte Nanomaterialien zu erzielen.

Nanomaterialien wurden in den letzten Jahren für verschiedenste Produkte verwendet und damit in die (Abfall-)Stoffströme eingeleitet. Verschiedene Nanomaterialien, eine Vielzahl von Nanoprodukten und unterschiedliche Entsorgungswege machen das Thema zunehmend komplexer. Und erschweren die wissenschaftliche Erforschung dieser Materialströme immer mehr. Der meistgelesene Satz in den erwähnten Untersuchungen lautet daher: „Weitere Forschungen sind nötig.“ Je früher, desto besser.

Foto: EU-R Archiv

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