Anziehende Rohstoffpreise führen zu Turbulenzen

Schon im März zeichnete sich eine Marktbelebung ab, die sich im Berichtsmonat April unerwartet deutlich fortsetzte. Mit dem sowohl national als auch international immer stärker werdenden Schrottbedarf konnte das Aufkommen allerdings nicht Schritt halten. Noch im letzten Monatsdrittel versuchten Verbraucher, Mengen zu beschaffen, und offensichtlich konnten im April nicht alle Werke ausreichend versorgt werden. Die Preispolitik der Werke war recht unterschiedlich. Diejenigen, die am Monatsanfang bei hohem Bedarf mit einem Aufschlag von 20 Euro pro Tonne versucht hatten, Schrott einzukaufen, mussten zur Bedarfssicherung im Monatsverlauf ihre Angebotspreise schrittweise erhöhen.

Andere Werke boten direkt höhere Preise an, wodurch der eine oder andere Verbraucher durch das begrenzte Schrottangebot ins Hintertreffen geriet. An dem Marktgesetz, dass in einem Verkäufermarkt die Höhe des Preises zwar den Schrottstrom beeinflusst, weniger jedoch das Mengenaufkommen, hat sich nichts geändert. Je nach Werk und Sorte stiegen die Preise im Schnitt um 25 bis 35 Euro pro Tonne; dabei lagen die Preiserhöhungen der Altschrotte über denen der Neuschrotte. Das Schrottangebot war begrenzt, obwohl durch den Frühling und die höheren Preise das Altschrott­aufkommen ansteigt. Der Handel meldete jedoch einen gegenüber dem Vormonat zehn bis 20 Prozent rückläufigen Produktionsschrottentfall, denn trotz der sich aufhellenden Marktlage läuft die Konjunktur nicht rund.

Deutschland, Basisjahr 2010 = 100, Quelle: Statistisches Bundesamt/Destatis

Deutschland, Basisjahr 2010 = 100, Quelle: Statistisches Bundesamt/Destatis

Die sprunghaft angestiegene Schrottnachfrage ist nicht eindeutig erklärbar. Die Zukäufe der türkischen Verbraucher hatten zwar im März bereits auf eine gute Auftragslage der dortigen Werke hingedeutet. Zudem exportierten die Chinesen seit dem Ende des Neujahrsfestes wegen einer hohen Nachfrage im Inland immer weniger günstige Knüppel. Die dadurch im Inland steigenden Preise machten die Ausfuhr preislich zunehmend uninteressant. Dadurch mussten die türkischen Hersteller bei einer ebenfalls steigenden inländischen und ausländischen Nachfrage nach ihren Fertigprodukten verstärkt auf Importschrott als Produktionsbasis zurückgreifen. Gleichzeitig stieg der Schrottbedarf in den westlichen Industrieländern durch die Belebung der Nachfrage nach Lang- und Flachstählen an, weil einerseits die übliche Frühjahrsbelebung Formen annahm und andererseits die Abschottung der Märkte gegenüber chinesischen Stählen Früchte zu tragen begann. Möglicherweise haben die europäischen Schrottverbraucher nicht schnell genug auf diese Entwicklung reagiert, zumal türkische Werke zur Optimierung ihrer Ausbringung verstärkt Qualitätsschrotte gekauft und damit dem hiesigen Markt entzogen haben. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die angespannte Finanzlage der gesamten Angebotskette die Lagerhaltung auf jeder Stufe eine immer geringere Bedeutung spielt. Ziehen die Märkte an, kann es schnell zu Ungleichgewichten kommen.

Nachbarländer

Die steigende Nachfrage nach italienischem Stahl sowohl im Inland als auch vor allem in Algerien hat bei den italienischen Schrottverbrauchern ebenfalls zu einem steigenden Bedarf geführt, den sie mit Preiserhöhungen von 25 bis 33 Euro pro Tonne zu befriedigen versuchten. Nicht alle Werke konnten die vorgesehenen Mengen beschaffen. Die schweizerischen Stahlwerke konnten mit Preiserhöhungen je nach Sorte von 25 bis 32 Euro pro Tonne die gewünschten Mengen beschaffen. Die Abschlüsse in den Niederlanden lagen im Rahmen von 25 bis 32 Euro pro Tonne mit Beschaffungsproblemen einzelner Verbraucher, verstärkt durch den zunehmenden Druck, den die Drittlandexporte verursachten. Auch hier konnten später bestellte Mengen nur gegen Aufpreis zugekauft werden. Entsprechend war die Situation in Luxemburg, Frankreich und Belgien. Das polnische Preisniveau lag bei guter Auslastung der dortigen Verbraucher über dem in Deutschland, sodass von dort weniger Mengen importiert werden konnten. Aus Tschechien lief der Zukauf bei Preiserhöhungen um 30 Euro pro Tonne normal.

Gießereien

Der Bedarf der Gießereien ist durch die Frühjahrsbelebung teilweise erfreulich gestiegen. An keinen Index gebundene Gießereien erhöhten ihre Einkaufspreise je nach Sorte und Werk um 15 bis 35 Euro pro Tonne. Gießereien mit Angeboten am unteren Rand der Spanne konnten sich nicht ausreichend versorgen. Bei nichtgedeckten Aufbereitungskosten macht es für den Handel keinen Sinn, bestimmte Gießereischrotte anzubieten. Deutlich zulegen konnten die Roheisenpreise. Der Preis für brasilianisches Material hat sich seit Ende März um 35 US-Dollar pro Tonne erhöht, und manganarmes russisches Roheisen ist über 60 US-Dollar pro Tonne teurer geworden. Ob die Rohstoffpreiserhöhungen 1:1 auf die Fertigprodukte umgesetzt werden können, ist unklar.

Türkische Stahlschrottimportpreisentwicklung Jan. 2014 bis April 2016 (Grafik: bvse)

Türkische Stahlschrottimportpreisentwicklung Jan. 2014 bis April 2016 (Grafik: bvse)

Drittlandmarkt

Die Preisentwicklung im türkischen Schrottimportmarkt (siehe Grafik) ist eindeutig. Steigender Bedarf, verbesserte Absatzmöglichkeiten und höhere Stahlverkaufspreise haben die Schrottpreise sprunghaft ansteigen lassen. Da die türkischen Werke strikt am Bedarf orientiert kaufen, konnten sie durch die ständig steigenden Erzielungspreise ihre Margen verbessern. Ende April bewegen sich die türkischen Betonstahlexportpreise in Richtung 500 US-Dollar pro Tonne, wodurch die Verbraucher in der Lage sind, weitere Preiserhöhungen bei den Schrottpreisen zu verkraften. Nach wie vor ist Europa der bevorzugte Beschaffungsmarkt für türkische Schrottverbraucher. Insbesondere die auf dem Kontinent gekauften Mengen haben zudem, wie oben bereits erwähnt, einen immer höheren Anteil an Qualitätsschrotten. Während die Verkaufspreise Richtung Türkei mit jeder eingekauften Ladung steigen, scheinen die Preise Richtung Indien etwas abgekoppelt zu sein. Händler meldeten sowohl aus Indien als auch aus Pakistan eine geringere Nachfrage gegenüber den Vormonaten.

Preiserhöhungen unumgänglich

Da einige Stahlwerke und Gießereien im April unterversorgt geblieben sind und der Versand hoher Bestellmengen türkischer Verbraucher ansteht, ist im Mai mit steigenden Preisen zu rechnen. Den Umfang beurteilen die Marktteilnehmer unterschiedlich. Je nach Ausgangpreisniveau im April könnte die Anpassung bei zehn bis 20 Euro pro Tonne liegen. Für die meisten Stahlhersteller dürfte dies verkraftbar sein, da es ihnen wegen der hohen Nachfrage und mangels chinesischer Angebote gelungen ist, höhere Verkaufspreise im Markt durchzusetzen. Dass eine strategische Lagerhaltung und Kundenpflege durchaus Sinn machen kann, haben Verbraucher erfahren müssen, die auf direkte Handelskontakte durch die Nutzung von Online-Plattformen verzichten. In Zeiten ausreichender Angebotsmengen lassen sich so die Einkaufskosten zulasten der Lieferanten extrem senken; in Zeiten mangelnder Schrottverfügbarkeit gehen diese Verbraucher leer aus. Der Schrotthandel sieht die schnell gestiegenen Preise jedoch nicht nur positiv, weil die Lage auf dem Beschaffungsmarkt keineswegs entspannt ist. Fehleinschätzungen können teuer werden, denn wer im Einkauf mehr zahlt, als er im Verkauf erlöst, geht ein hohes Risiko ein, zumal niemand weiß, wie lange die Boomphase anhält. Die Markteuphorie verdrängt zudem bei so manch einem Teilnehmer die schmerzlich gewonnene Erkenntnis, dass eine solide kaufmännische Kalkulation die Voraussetzung für erfolgreiches wirtschaftliches Handeln ist.

Der kommende Monat ist gespickt mit Feier- und damit Brückentagen, wodurch der Entfallstellenschrott bei unverändert hohem Bedarf der Werke rückläufig sein dürfte. Die deutlich gestiegenen Preise im Altschrottbereich werden den Zufluss an Mengen zu den Lagern erhöhen. Es wird zudem erwartet, dass die Abbruchtätigkeit zunimmt.

Redaktionsschluss 22.04.2016, BG-J/bvse

(Alle Angaben/Zahlen ohne Gewähr)

Foto: O. Kürth

(EUR0516S50)