Altauto-Recycling: Eine Frage der Definition

Der diesjährige Internationale Automobil-Recycling Kongress IARC, der vom 16. bis 18. März dieses Jahres in Berlin stattfand, kreiste um die Frage, wie das Altauto-Recycling verbessert werden kann.

Regelmäßige Besucher dieser Veranstaltung dürften nicht damit gerechnet haben, dass seit dem vorhergehenden Branchentreffen im Jahr 2015 ein Kernproblem des europäischen Automobilrecycling gelöst werden konnte. Und es sieht auch nicht so aus, als könnte dies in absehbarer Zeit gelingen. Nach wie vor stellt die Abgrenzung von Altfahrzeug und Gebrauchtwagen eine enorme Hürde dar.

Wenn jährlich in Europa geschätzte vier bis acht Millionen Altfahrzeuge nicht in den Wertstoffkreislauf gelangen, weil sie exportiert werden, und der europäischen Wirtschaft auf diese Weise mehrere Millionen Tonnen Rohstoffe verloren gehen, ist dies keine Kleinigkeit. Allerdings ist auch nicht sicher, dass alle ausrangierten Autos ihr absolutes Lebensende erreicht haben. Der Transfer ins Ausland von demontierten Autos oder Gebrauchtfahrzeugen könne legal sein, wenn sie keine Flüssigkeiten oder gefährliche Substanzen enthalten, konstatierte Arie de Jong (ARN Holding B.V., Niederlande) in seiner Eigenschaft als Moderator der Diskussionsrunde über die illegalen Aspekte des legalen Exports.

Laut Tilmann Baehr, in der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt zuständig für die grenzüberschreitende Abfallverbringung, ist es legal, ein Auto zu kaufen, um es zu reparieren; das stehe in der Hierarchie höher als die Demontage. Jedoch sei es schwierig festzustellen, ob das beispielsweise im Hamburger Hafen zu verschiffende – und als Gebrauchtwagen deklarierte – Fahrzeug tatsächlich kein zu verschrottendes Altfahrzeug ist. In Ländern außerhalb Europas könnten aber Fahrzeuge, die hierzulande als Schrottauto betrachtet würden, mit geringerem finanziellem Aufwand als in Europa repariert werden. Diese Ansicht wurde auch von Dr. Tobias Bahr (European Automobile Manufacturers‘ Association – ACEA) geteilt, der in diesem Zusammenhang betonte, der Export von Gebrauchtwagen sei nicht illegal. Bei dieser Gelegenheit erfuhren die Anwesenden auch, dass ein Teil dieser Diskussion auf einem statistischen Problem beruht. Es gebe eine statistische Lücke. Nicht alle Fahrzeuge, deren Verbleib unbekannt sei, seien illegal exportiert worden. Laut Regina Kohlmeyer vom deutschen Umweltbundesamt wird versucht, diese Kluft zu schließen; der Informationsfluss zwischen den EU-Mitgliedsstaaten habe sich verbessert.

Künftig mehr Kreislaufwirtschaft

Das Kreislaufwirtschaftspaket der Europäischen Kommission soll sich auf die Autoverwertung ebenfalls positiv auswirken. „Die geplanten Maßnahmen der Europäischen Kommission hinsichtlich Design und Innovationen für die Kreislaufwirtschaft werden dazu beitragen, das Recycling von Materialien wie Stahl, Edelmetallen oder Kunststoffen zu steigern“, so Artemis Hatzi-Hull, in der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission zuständig für den Bereich Abfallentsorgung, bei der Pressekonferenz zum Internationalen Automobil-Recycling Kongress IARC 2016 in Berlin. Die Vertreterin der Europäischen Kommission verwies unter anderem auf die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Öko-Designs, die darauf abzielen, die Haltbarkeit, Reparaturfähigkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten zu günstiger zu gestalten. Darüber hinaus erwartet sie, dass sich neue fortschrittliche Technologien positiv auf die Beschäftigung in der Recyclingwirtschaft auswirken werden. Konkret nannte sie Zerlegung- und Aufbereitungsbetriebe inklusive Shredder- sowie Post-Shredder-Betriebe. Dort gebe es Potenzial, die bestehenden Einrichtungen zu optimieren und neue Einrichtungen mit fortschrittlicher Technologie für die Separation und Behandlung von Altautomaterialien und E-Schrott zu errichten.

Automobilindustrie fordert ganzheitlichen Ansatz

Zustimmung für das neue Kreislaufwirtschaftspaket kommt auch von der Industrie. Dr. Tobias Bahr, Environmental Policy Director bei der European Automobile Manufacturers‘ Association (ACEA), machte bei der Pressekonferenz deutlich, dass die Automobilindustrie das Konzept der Kreislaufwirtschaft bereits in der Produktentwicklung, der Herstellung und in einer Reihe von neu angebotenen Serviceleistungen verankert habe. Ein internationaler Wettbewerb führt seiner Ansicht nach automatisch dazu, dass Ressourcen in der effizientesten Form verwendet werden. Bahr sprach sich bei dieser Gelegenheit für einen ganzheitlichen, den kompletten Lebenszyklus umfassenden Ansatz aus, der gegenüber einer isolierten Betrachtung von ressourceneffizienten Aspekten am Ende der Produktlebensdauer vorzuziehen sei. Bei den meisten Automobilen sei die Gebrauchsphase des Fahrzeugs vorherrschend; sie mache rund 80 Prozent der Umweltbilanz aus und habe die stärkste Auswirkung auf die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs sowie den Verbrauch fossiler Ressourcen. Die Umwelteffekte am Ende des Produktlebenszyklus‘ hingegen hätten nur einen Anteil von rund einem Prozent.

Wie Bahr betonte, zeige die Automobilindustrie „ein hohes Engagement, um ihren Beitrag schon im Entwicklungs- und Herstellungsprozess zu leisten“. Vor diesem Hintergrund sollten Zielvorgaben für die Recyclingfähigkeit mit Zielsetzungen zur Verringerung des „ökologischen Fußabdrucks“ während der Nutzungsphase von Automobilen aufeinander abgestimmt werden. Das Ende der Nutzungsphase sei sorgfältig reguliert, und die Automobilindustrie arbeite daran, die gesetzlich vorgeschriebene Recyclingfähigkeit von 85 Prozent und die Verwertbarkeit von 95 Prozent in der Typprüfung neuer Fahrzeuge sicherzustellen.

Defizite in der Umsetzung

Der ACEA-Vertreter bestätigte, dass die Behörden mit der EU-Altauto-Richtlinie einen wichtigen Schritt unternommen haben, ein konsistentes regulatorisches Rahmenwerk zu schaffen. Allerdings weise die Umsetzung bislang noch Defizite aus. ACEA setze sich dafür ein, einheitliche Wettbewerbsbedingungen in der Automobil-Recyclingindus­trie zu schaffen, unterstrich Bahr. Dazu zähle eine EU-weite Pflicht für ein Abmeldesystem verbunden mit einer Nachweispflicht für eine ordnungsgemäße Entsorgung von Altfahrzeugen mit entsprechendem Monitoring. Handlungsbedarf gibt es auch nach Auffassung von Dr. Kay Oppat, Chief Operation Officer (COO) des deutschen Metallrecyclingkonzerns Scholz. Noch immer sei die Zahl der Exporte von Altfahrzeugen mit unbekanntem Verbleib zu hoch; deshalb hält er neue Ansätze für notwendig, um die Erfassung von Altfahrzeugen in Europa zu verbessern.

Die EU-Altauto-Richtlinie ist aus Sicht des Vertreters der Scholz-Gruppe ebenfalls nicht optimal, zumal er unter anderem neue und klare Definitionen für den Begriff „Altfahrzeug“ vermisst. Ferner müssten finanzielle Anreize für ein Rücknahmesystem gesetzt und die Beweispflicht für den Exporteur eingeführt werden, dass es sich bei der Ausfuhr tatsächlich um ein Gebrauchtfahrzeug handelt. Und auch der Austausch zwischen Hersteller, Letztbesitzer der Altautos und Recycler müsse transparenter gestaltet werden. Zudem fordert Oppat auch eine praxisnahe Plattform – einen „ELV-Think Tank“ – aus relevanten Vertretern, die aktuell bestehende Probleme gemeinsam lösen und damit auch wichtige Impulse für die Gesetzgebung erzeugen könnten. Mögliche Themen sind seiner Meinung nach beispielsweise die Erfüllung von Recyclingquoten für Elek­troautos und das Recycling von Altfahrzeugen mit einem hohen Anteil von Carbonfasern.

Brigitte Weber

Foto: Marc Weigert

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