EAC-Staaten planen Importverbot für Gebrauchtkleidung
Die Staaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) wollen binnen drei Jahren die Importe von gebrauchter Bekleidung und gebrauchten Schuhen unterbinden. Längst nicht mehr existente Textilindustrien sollen so zu neuem Leben erweckt werden. Beobachter zweifeln jedoch den Erfolg der vorgesehenen Maßnahmen an.
Gebrauchtkleidung ist in den Staaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft, der Uganda, Kenia, Tansania, Ruanda und Burundi angehören, sehr beliebt, weil billiger und dabei von guter Qualität. Hunderttausend Arbeitsplätze sollen geschaffen werden, doch Experten wie der Ökonom Scolastica Odhiambo von der kenianischen Maseno-Universität stellen die Kapazitäten der vorhandenen regionalen Textilindustrie in Frage. Innerhalb von drei Jahren seien die Pläne nicht umsetzbar. Die Nachfrage könnte quantitativ wie qualitativ nicht bedient werden. Auch sei die Zeit zu kurz, um alternative Beschäftigungsmöglichkeiten für die unzähligen Second-Hand-Kleiderhändler zu finden, die mit ihren Familien von dem „Mitumba-“(Ballen-)Geschäft leben. Der EAC hingegen dient die Protektionismus-Politik anderer Länder zum Vorbild. So soll ein Importverbot für Gebrauchtkleidung zum Aufbau wirtschaftlicher Textilindustrien in Ghana, Ägypten, Äthiopien, Indien und Vietnam geführt haben.
Sollten die ostafrikanischen Staaten tatsächlich eine leistungsfähige Textilindustrie aufbauen wollen, müssten sie fast von Grund auf neu beginnen. Bis Mitte der 1980er Jahre war die ostafrikanische Baumwollproduktion noch auf der Höhe. Wie die Wochenzeitung „The East African“ berichtet, produzierte Tansania damals jährlich 700.000 Ballen (à 185 Kilogramm) Baumwolle, Uganda 400.000 und Kenia 100.000. Danach ging es stetig bergab. 2014 und 2015 erzeugte Kenia nur noch 25.000 Ballen, Uganda 150.000 Ballen und Tansania 30.000 Ballen. Ostafrikanische Textilfabriken und Entkörnungswerke für Baumwolle (Ginneries) machten zum großen Teil dicht oder wirtschafteten einfach ab. Als Hauptgründe nennen Branchenkenner die mangelhafte Organisation des Agrarsektors, hohe Produktionskosten, den unzureichenden Einsatz von Qualitäts-Inputs und das blinde Vertrauen auf eine Regenbewässerung. Im Jahr 1991 kam dann die Liberalisierung des Sektors hinzu. Billige Gebrauchtkleidung eroberte fortan den Markt.
Wie schwierig die Lage ist, zeigt sich am Beispiel der einzigen ruandischen Textilfabrik L‘Usine Textile du Rwanda (Utexrwa). 1984 hatte die 75-Millionen-US-Dollar-Investition ihren Betrieb aufgenommen. Für einen durchschnittlichen Ruander aber waren und sind die Produkte schlichtweg viel zu teuer. Zuletzt lag die Auslastung nur noch bei 20 Prozent, der Umsatz fiel auf schätzungsweise zwei bis drei Millionen US-Dollar. Nahezu alle Stoffe werden längst importiert: Baumwollstoffe aus den ostafrikanischen Nachbarländern, Polyesterstoffe aus Südafrika, Taiwan, Südkorea und Indonesien. Um den gänzlichen Zusammenbruch des Unternehmens zu verhindern, will die ruandische Regierung demnächst die Importzölle für Bekleidung stufenweise von 35 auf 100 Prozent anheben.
Ruandische Bekleidungsverkäufer sehen das höchst kritisch: Utexrwa könne weder Quantität noch Qualität und schon gar nicht modischen Chic liefern – nicht heute und nicht in zehn Jahren. Mehr als Militär- und Schuluniformen seien nicht drin, heißt es.
Ausländische Beobachter sprechen von einem für die ostafrikanische Politik typischen Schnellschuss. Weil die Regierungen die tickende Zeitbombe der rasant steigenden Arbeitslosigkeit entschärfen wollen, setzen sie auf Aktionismus, ohne die Konsequenzen ausreichend zu bedenken. Wenn Ostafrika seine Industrie stärken will, muss es aber die Rahmenbedingungen verbessern. Bürokratie, Korruption, Vetternwirtschaft und Monopole sind es, die seit Jahrzehnten den Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien verhindern.
Der Gewinner der neuen Politik dürfte – wieder einmal – die Volksrepublik China sein, die zusammen mit anderen Billigproduzenten schon das Angebotsvakuum füllt. In Addis Abeba zeigen Bekleidungsgeschäfte bereits, wohin die Reise geht: Billigste chinesische Massenware, soweit das Auge blickt. Die neue äthiopische Textil- und Schuhindustrie besteht vornehmlich aus chinesischen Firmen, die ausschließlich für den Export produzieren. Dieses Model auch für andere ostafrikanische Staaten zu kopieren, wird jedoch misslingen, sind sich Experten sicher: Kenia und Tansania seien viel zu teuer, von den Binnenländern Uganda, Burundi und Ruanda ganz zu schweigen.
Quelle: Germany Trade & Invest/Martin Böll
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