Gemischte Gewerbeabfälle: Was bringt die neue Verordnung?
Gemischte Gewerbeabfälle, deren Sortierreste als Ersatzbrennstoffe eingesetzt werden, enthalten noch immer fast 50 Prozent wertstoffhaltige Abfälle. Diese könnten aussortiert und stofflich nutzbar gemacht werden. Die novellierte Gewerbeabfallordnung sei in der Lage, das Recycling dieser Materialien voranbringen. Davon war BMUB-Ministerialdirektor Helge Wendenburg auf dem Kasseler Abfall- und Bioenergieforum im April überzeugt. Die Branche war davon weniger angetan.
Zurzeit entsorgen deutsche Anlagen rund sechs Millionen Tonnen gemischter Gewerbeabfälle pro Jahr. 50 Prozent behandeln Sortieranlagen und mechanisch-biologische Anlagen – deren Output wird überwiegend thermisch verwertet. 45 Prozent geht in Müllverbrennungs- und Feuerungsanlagen. In der Summe werden somit heute über 90 Prozent der gemischten Gewerbeabfälle direkt oder indirekt verbrannt.
Laut Referentenentwurf des BMUB zur Gewerbeabfallverordnung soll eine Pflicht zur Getrenntsammlung von gewerblichen Siedlungsabfällen eingeführt werden. Gemischte Gewerbeabfälle müssen – ohne Bioabfälle, Glas und medizinische Abfälle – vorbehandelt werden. Entsprechende Anlagen sind gehalten, zunächst 85 Masseprozent als recyclingfähig auszusortieren. Davon müssen zwei Jahre nach Inkrafttreten der Vorordnung wenigstens 30 Masseprozent und zwei Jahre später mindestens 50 Prozent recycelt werden. Offen und unbeantwortet bleibt dabei, ob diese – ausschließlich quantifizierten – Sortier- und Recyclingquoten erreichbar sind und die erzeugten Sekundärrohstoffe einen Markt finden. Stofflich betrachtet, tragen Papier, Pappe und Karton ebenso wie Kunststoffe rund ein Viertel zum gemischten Gewerbeabfallaufkommen bei, zusätzlich Textilien, Holz und Feinfraktion zu knapp zehn bis acht Prozent. Dennoch sind diese Wertstoffe nach praktischen Erfahrungen keineswegs zur Gänze verwertbar.
So führt beispielsweise die PVC-Fraktion aufgrund hoher Chlorwerte zur Korrosion bei der Mitverbrennung. Und die PPK-Fraktion erweist sich bei starken Verunreinigungen als nicht sortierwürdig. Daraus ergeben sich starke Abweichungen zwischen „Soll“ und „Ist“. Derart soll das „statistische“ Wertstoffpotenzial aller Gewerbeabfallsorten unter anderem für Papier bei 23 Prozent, für Holz bei neun und für Metalle bei fünf Prozent Anteil liegen; die praktische Wertstofferfassung der Kölner AVG Ressourcen GmbH weist jedoch für Papier nur fünf Prozent und für Holz sowie Metalle nur drei Prozent aus. Insgesamt beträgt nach Angaben der AVG der Wertstoffgehalt der Materialien nicht 61, sondern 31 Prozent, die den Ansprüchen auf Weiterverarbeitung entsprechen, korrigierte Andreas Freund von der AVG Abfall- und Verwertungsgesellschaft Köln mbH.
Nur unter Umständen lohnend
Abgesehen von der teilweise schlechten Materialquantität ist die Sortierung von Gewerbeabfällen auch aus anderen Gründen riskant: Die Qualität der Wertstoffe konkurriert mit rein stofflich gefertigten Produkten, und ihr Preis hängt vom Preisniveau für Gewerbeabfälle in der Müllverbrennung ab. Daher bestehen für vorhandene Anlagenbetreiber kaum Anreize, in zusätzliche Sortiertechnik zu investieren. Hinzu kommt eine geringe Investitionssicherheit, zumal die neue Verordnung keine Steuerungswirkung für die Märkte hat. Unter Umständen kann sich bei Anlagen wie der der AVG die Sortierung lohnen: Das Kölner Unternehmen produziert pro Jahr 12.000 Tonnen qualitätsgesicherten Fluff, der in einer weitestgehend abgeschriebenen Aufbereitungsanlage hergestellt wird. Für Holz und Metalle werden entsprechende Deckungsbeiträge erwirtschaftet. Und das Verfahren gewährleistet die für die nachfolgende Verbrennung der Sortierreste erforderliche Vorzerkleinerung samt Schadstoffentfrachtung.
63 Euro pro Tonne Behandlungskosten
Demgegenüber zogen Thomas Pretz und Alexander Feil vom Institut für Aufbereitung und Recycling der RWTH Aachen bei ihrer Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von Gewerbeabfallaufbereitung eine insgesamt negative Bilanz. Ihrer Meinung nach sind für die Bereitstellung und den Betrieb einer Aufbereitungsanlage Kosten in Höhe von 30 bis 40 Euro pro Tonne, für Beseitigung zwölf Euro pro Tonne und für Brennstoffkosten 23 Euro pro Tonne zu veranschlagen. Gewinne von etwa zwei Euro pro Tonne aus Metallen und rund zehn Euro pro Tonne aus werkstofflich verwertbaren Produkten können das nicht ausgleichen, sodass sich die Behandlungskosten auf 63 Euro pro Tonne summieren. Selbst bei einer Sortierquote von 85 Prozent sind die negativen Erlöse ausschlaggebend. Liegen die Behandlungskosten etwa in der Größenordnung von Preisen der energetischen Verwertung, würden Anreize wie auch Perspektiven für die Aufbereitung von Gewerbeabfällen fehlen. Anders ausgedrückt: Nur bei langfristig positiven Erlösen rentieren sich Sortentrennung und Investitionen in innovative Sortiertechniken. Die neue Gewerbeabfallverordnung vertritt – nicht nur, was gemischte Abfälle betrifft – einen quantitativen Ansatz: Je höher die Recyclingquote, desto besser. Doch am Markt sind nicht die Mengen, sondern die Qualitäten von Sekundärrohstoffen gefragt. Die Orientierung an Marktfähigkeiten und Vermarktungsmöglichkeiten könnte sogar überlegenswert machen, hierbei von einer stofflichen Verwertung abzurücken (was aber exakt der Zielsetzung der neuen Verordnung widersprechen würde).
Zweifel an Wirksamkeit und Notwendigkeit
Zweifel an der Wirksamkeit der neuen Vorgaben äußerte auch Eric Rehbock. Der bvse-Hauptgeschäftsführer bezweifelte, ob die 30 Prozent-Quote bei strikter Getrennthaltungspflicht realisierbar ist; er kritisierte die starre Festlegung der technischen Mindestanforderungen für Vorbehandlungsanlagen; und er verwies darauf, dass der bisherige Entwurf keine Unterschiede zwischen den Stoffströmen macht. Dadurch würde keine Trennung der Kunststoffarten vorgenommen, obwohl gerade Mischkunststoffe in nachgeschalteten spezialisierten Anlagen optimal sortiert werden könnten. Rehbocks Credo: Das Recycling von Gewerbeabfällen könne vor allem dann gelingen, wenn die Getrennthaltung an den Anfallstellen konsequent durchgeführt wird. BDE-Präsident Peter Kurth hielt es für generell fraglich, ob für die sechs Millionen Tonnen an gemischten Gewerbeabfällen überhaupt ein Gesetz nötig ist. Auch er sprach sich für einen stärkeren Ausbau der Getrenntsammlung aus; Gemische nachträglich aufzuarbeiten erfordere Mehraufwand, Mehrkosten und zusätzliche Technik. Ressourceneffizienz sei am ehesten an der Anfallstelle zu steigern: „Wenn der Abfall erst einmal in der Anlage sei, ist es zu spät.“
Wenig Wirkung?
Unter dem Strich bringen die Vorschriften für Sortiertechniken und Anlagenkonfigurationen der neuen Verordnung – zumindest für gemischte Gewerbeabfälle – keinen zusätzlichen wirtschaftlichen Nutzen. Wie erwähnt, besitzen sie auch keine Steuerungswirkung auf die Sekundärrohstoffmärkte, bieten insofern auch wenig Anreize für Investitionen und bremsen damit mögliche technische Entwicklungen. Ohne weiteres Engagement wie beispielsweise zwingende Vorgabe von Sekundärrohstoffen in der Produktion dürfte die Verordnung – von reiner Ressourcensicherung abgesehen – wenig Wirkung erzielen.
Foto: Petra Hoeß, FABION Markt + Medien / abfallbild.de
(EUR0616S12)