Biologisch abbaubare Kunststoffe: Ist das Abfall oder kann das weg?

Die Industrie sieht in BAW-Abfällen Potenzial; die UNEP befürchtet einen Anstieg der Wegwerf-Mentalität.

Sie werden aus nachwachsenden oder aus fossilen Rohstoffen gewonnen und veredelt: biologisch abbaubare Kunststoffe, die unter dem Namen biologisch abbaubare Werkstoffe (BAW) zusammengefasst werden. Als Spezialprodukte finden sie sinnvolle Verwendung als verrottende Landwirtschaftsfolien, als Golftees, als Graburnen, als chirurgisches Nahtmaterial und als Verbissschutz für junge Pflanzen; eine Entsorgung ist in diesen Fällen nicht erforderlich.

Anders sieht es mit BAW-Produkten aus, die im Verpackungsbereich oder als Geschirr und Trinkbecher bei Veranstaltungen eingesetzt werden. Als kurzlebige Einwegprodukte fördern sie nicht nur die Wegwerfmentalität und verdrängen andere Mehrwegsysteme: Sie widersprechen auch dem Grundsatz der Vermeidung von Abfällen, indem möglichst langlebige und mehrfach verwendbare Produkte hergestellt und verwendet werden sollen. Diese Produkte erfordern eine Entsorgung, also Erfassung, Sammlung, Transport, Sortierung sowie Verwertung oder Beseitigung.

Wenige Entsorgungswege

Aber wie? Gegen eine Eigenkompostierung spricht, dass BAW-Abfälle besondere Bedingungen wie hohe Temperaturen über einen längeren Zeitraum benötigen, sodass zwischen Herbst und Frühjahr auf dem eigenen Komposthaufen kaum ein Abbau stattfindet. Gegen eine Entsorgung über die Biotonne spricht, dass zwischen BAW-Abfällen und anderen Kunststoffarten unterschieden werden muss und mit Fehlwürfen zu rechnen ist. Die Entsorgung über die Restabfalltonne ist denkbar, doch aufgrund der letztendlichen Verbrennung die schlechteste Lösung. Der sinnvollste Weg führt daher über gelbe Tonne oder gelben Sack.

Sollen BAW-Abfälle gezielt verwertet werden, müssen sie vorher von anderen Abfällen getrennt werden, um

■    möglichst sortenrein werkstofflich oder rohstofflich verwertet zu werden;
■    sortenrein kompostiert oder vergoren zu werden;
■    sortenrein oder vermischt energetisch verwertet zu werden.

Im Bioabfallstrom kann BAW-Abfall jedoch nur bleiben, wenn er – beispielsweise über Label – eindeutig oder gegenüber anderen Kunststoffarten identifiziert werden kann. Dies kann bei nassem Bioabfall oder defekten Kennzeichnungen zum Problem werden. In jedem Fall werden höherer Aufwand und höhere Kosten erforderlich.

Als Kompost-Rohstoff nutzlos

Die Kompostierung von BAW-Produkten stößt an weitere Grenzen. Nach Paragraf 3 Absatz 23 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist Verwertung definiert als Verfahren, um Abfälle einem sinnvollen Zweck zuzuführen, „indem sie entweder andere Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären“. Da biologisch abbaubare Kunststoffe wie Polyhydroxybuttersäure oder Polymilchsäure lediglich aus Kohlendioxid und Wasser bestehen, sind sie als Kompost-Rohstoff nutzlos. Sie ersetzen keine Primärrohstoffe und erfüllen damit nicht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verwertung.

Da keine Verwertung stattfindet, würde die Kompostierung von BAW-Abfällen rechtlich als Abfallbeseitigung gelten: Kompostwerke und Vergärungsanlagen sind jedoch nur für die Verwertung von Abfällen zugelassen. Hinzu kommt, dass Kompostwerke eine Umlaufzeit von etwa zwei Wochen haben, BAW-Abfälle aber eine Abbauzeit von rund zehn Wochen benötigen. Die Kompostierung dieser Stoffe ist daher ein Irrweg. Selbst eine Vergärung würde nur einen Teil der in den BAW-Materialien enthaltenen Energie fördern: Sie werden nicht vollständig abgebaut.

Am besten: thermische Behandlung

Rechtlich steht der Verbrennung dieser Materialien nichts im Wege, da andere Entsorgungsoptionen entfallen und da – laut Kreislaufwirtschaftsgesetz – die energetische Nutzung deren Beseitigung den Schutz von Mensch und Umwelt am besten gewährleistet. Im Vergleich zur Kompostierung von BAW-Abfällen schneidet deren energetische Verwertung oder thermische Behandlung mit Energienutzung hinsichtlich zu erwartender Emissionen, der Schonung natürlicher Ressourcen und dem Energieeinsatz besser ab.

Die Industrie ist der Auffassung, dass für die Behandlung von BAW-Abfällen alle Möglichkeiten offengehalten, ebenso Pilotprojekte nicht gefährdet und Investitionen nicht behindert werden sollen. Hingegen ist nach Ansicht zweier Ausschüsse der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall dieses Material nicht für die Biotonne geeignet, sondern sollte am besten thermisch behandelt werden. Und das UN-Umweltschutzprogramm UNEP befürchtet, dass das Image biologisch abbaubarer Kunststoffe zu weiterer Wegwerf-Mentalität führen könnte.

Der Artikel basiert auf einen Vortrag von Heinz-Ulrich Bertram, „Entsorgung von biologisch abbaubaren Kunststoffen – Kompostieren oder verbrennen?“, in: Recycling und Rohstoffe, Bd. 9, hrsg. Karl J. Thomé-Kozmiensky und Daniel Goldmann, Neuruppin 2016, ISBN 978-3-944310-27-5

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