Konfliktrohstoffe – hochaktuell und brisant
Stellungnahme des Verbandes Deutscher Metallhändler e.V. (VDM).
Gegenwärtig wird in den wirtschaftspolitischen Gremien in Deutschland und vor allem Europa intensiv und kontrovers über den Umgang mit sogenannten Konfliktmineralien debattiert. Von Konfliktrohstoffen ist die Rede, wenn Rohstoffe oder Bodenschätze in Konfliktregionen abgebaut werden und die Einnahmen genutzt werden, um bewaffnete Konflikte in der Region zu finanzieren. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen die Wirtschaftsbeteiligten in der EU ihre Beschaffungen von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold so überwachen und verwalten, dass sichergestellt ist, nicht zu Konflikten und deren negativen Auswirkungen beizutragen.
Bei der Debatte treffen naturgemäß unterschiedliche Ansichten und Überzeugungen aufeinander. Die Problematik ist zudem sehr vielschichtig. Kern der Diskussion ist die Frage, ob das sogenannte Unionssystem zur Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette durch verantwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten freiwillig für die betroffenen Unternehmen sein soll oder ob die notwendigen Maßnahmen verbindlich eingehalten werden müssen. Auf der einen Seite wird herausgestellt, dass sich viele Unternehmen der NE-Metallwirtschaft seit Jahren in einer der zahlreichen freiwilligen Initiativen zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette engagieren, wie etwa die iTSCi-Initiative der Zinnindustrie oder das conflict-free smelter program der Elektronikindustrie. Dagegen moniert die andere Seite eine zu geringfügige Anwendung. Auf der nächsten Diskussionsebene wartet die Frage, ob die Regelungen für alle Wirtschaftsbeteiligten der vor- und nachgelagerten Industrien gelten sollen oder ob es einen zweigeteilten Ansatz für unterschiedliche Stufen der Wertschöpfungskette geben soll.
Woran orientiert sich die EU?
In dem Gesetzgebungsverfahren sind die EU-Kommission, das Europäische Parlament sowie der EU-Rat beteiligt. Die Abgeordneten im Parlament haben sich für eine verbindliche Einhaltung der Sorgfaltspflichten in der gesamten Lieferkette ausgesprochen. Damit unterliegen nicht nur die Importeure sowie Schmelzen und Raffinerien, die diese Metalle einführen beziehungsweise verarbeiten, der Nachweis- und Informationspflicht über die Herkunft der eingesetzten Metalle. Auch die nachgelagerten Industriezweige sind verpflichtet, die in der Verordnung beschriebenen Anforderungen in ihr Managementsystem zu integrieren und alle notwendigen Informationen zu beschaffen und offenzulegen, um sicherzustellen, dass keine Konfliktmineralien im Produktionsprozess verarbeitet werden. Damit ist das Straßburger Plenum weit über den Vorschlag der EU-Kommission sowie das Votum des federführenden Handelsausschusses hinausgegangen, die auf eine freiwillige Selbstzertifizierung der Industrie setzen und nur Hütten und Schmelzen in die Pflicht nehmen.
Der EU-Rat hat wiederum eine auf Freiwilligkeit bestehende Position beschlossen. Derzeitig wird im informellen Trilog über den vom EU-Parlament verabschiedeten Verordnungsentwurf in Sachen Konfliktrohstoffe beraten. Orientieren wird sich die EU-Verordnung an den Due Diligence Richtlinien der OECD.
Positionen und Forderungen des VDM
■ Die politischen Institutionen sollten eine Liste der Hochrisiko- und Konfliktregionen erstellen: Die EU-Definition von „Konflikt- und Hochrisikogebieten“ ist unbestimmt und bietet Interpretationsspielraum. Die Identifizierung jener Regionen wird somit auf die Rohstoffimporteure verlagert. Es entsteht eine nicht tragbare Rechtsunsicherheit zulasten der Unternehmen. Hierbei muss die EU nachbessern und explizit definieren, nach welchen Kriterien eine Region tatsächlich ein Konflikt- und Hochrisikogebiet ist. Als Alternative schlägt der VDM vor, dass die EU bestehende Embargolisten nutzt.
■ Nachvollziehbare Nachweispflichten für den Import von Sekundärrohstoffen: Generell spricht sich der VDM für einen unbürokratischen Nachweis aus, wie es im Dodd-Frank Act erfolgreich praktiziert wird. Sollte die EU weitere Nachweispflichten benötigen, muss sichergestellt werden, dass diese handhabbar sind.
■ Freiwilligen Ansätzen ist der Vorzug vor verpflichtenden Herkunftszertifikaten zu geben:
Die Unternehmen der Nichteisen-Metallwirtschaft sind sich ihrer verantwortlichen Position innerhalb der Wertschöpfungskette bewusst und setzen bereits seit Jahren auf freiwillige Initiativen, welche sehr gut funktionieren und die auf Basis der OECD-Leitlinie für das verantwortungsvolle Management von Lieferketten formuliert wurden.
Verordnung muss auf bestehenden Systemen aufbauen: Dass bestehende Unternehmensinitiativen anerkannt werden, begrüßt der VDM sehr. Jedoch muss dezidiert beschrieben werden, wie die Anerkennung dieser Unternehmensinitiativen geregelt ist. Der VDM befürchtet in diesem Kontext, dass die gut funktionierenden Initiativen, die auch den Due Diligence Regelungen Rechnung tragen, durch die EU-Verordnung ausgehöhlt werden. Ein Qualitätsmanagement auf europäischer Ebene in Sachen Konfliktrohstoffe, das explizit definiert, nach welchen Kriterien geprüft wird, wäre ein wichtiger, nächster Schritt, um den Unternehmen Rechtssicherheit zu geben.
Wie sehen die Vorschläge aus?
Die Europäischen Institutionen sind sich hinsichtlich Anwendungsbereich einig darüber, dass sich die Verordnung auf die Rohstoffe Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze und Gold beschränken wird. Doch ist nicht klar, inwiefern die Verordnung verbindlich ist. Das EU-Parlament hat sich darauf verständigt, dass es eine verbindliche Einhaltung der Sorgfaltspflichten in der gesamten Lieferkette geben soll. Die Zertifizierung soll auf Basis der OECD Due Diligence Guidance für das verantwortungsvolle Management von Lieferketten durchgeführt werden. Somit werden alle Akteure in der Lieferkette verpflichtet, das Unionssystem zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette anzuwenden um sicherzustellen, dass keine „Konfliktmineralien“ im Produktionsprozess verarbeitet werden. Die EU-Kommission hat sich entgegen ihres Vorschlags aus dem Jahr 2014 nur für eine Verpflichtung für Importeure von Primär-und Sekundärmaterial ausgesprochen. Der EU-Rat hingegen befürwortet einen freiwilligen Ansatz. Die niederländische Ratspräsidentschaft hat unterschiedliche Schwellenwerte vorgeschlagen, die darüber entscheiden, ob es für Firmen obligatorisch oder nicht verbindlich ist. Details liegen dazu noch nicht vor.
Definition der Konflikt- und Hochrisikogebiete
Parlament, Kommission und Rat haben sich dafür ausgesprochen, keine abschließende Liste der „Konflikt- und Hochrisikogebiete“ zu erstellen. Eine Länderliste lehnt die EU kategorisch ab, da sie kein Land oder Region stigmatisieren will. Konflikt- und Hochrisikogebiete sind als Gebiete definiert, in denen bewaffnete Konflikte geführt werden, Gewalt weit verbreitet und die zivile Infrastruktur zusammengebrochen ist. Überdies gehören Gebiete dazu, die sich nach Konflikten in einer fragilen Situation befinden, sowie Gebiete, in denen Staatsführung und Sicherheit schwach oder nicht vorhanden sind und die durch weit verbreitete und systematische Verletzungen der im internationalen Recht verankerten Menschenrechte gekennzeichnet sind.
Diese Definition ist völlig vage und bietet erheblichen Interpretationsspielraum. Die Identifizierung der Gebiete wird auf die Wirtschaftsbeteiligten verlagert. Diese müssten dann selbst politisch beurteilen, welche Gebiete unter die gegebene Definition fallen. Damit entstehen nicht tragbare Rechtsunsicherheiten zulasten der Unternehmen. Zudem schmälern unterschiedliche Einschätzungen über die Klassifizierung von Regionen oder Gebieten als Konflikt- und Hochrisikogebiet spürbar die Schlagkraft eines solchen Vorhabens. Die fehlende Definition der betroffenen Gebiete reiht sich ein in die Liste der vielfältigen inhaltlichen sowie handwerklichen Ungenauigkeiten und Mängel der Verordnung, die der NE-Metallwirtschaft große Sorgen bereiten und die zu Schwierigkeiten beim Metallrecycling führen.
Vage und unbestimmte Anforderungen
Ein weiterer dieser Punkte ist der Umgang mit Sekundärrohstoffen: Zwar hat sich das Parlament dafür ausgesprochen, Sekundärrohstoffe aus dem Anwendungsbereich der Verordnung zu exkludieren. Allerdings steht dies unter einem Nachweisvorbehalt. Das Unternehmen muss in vernünftiger Weise nachvollziehbar nachweisen, dass die Ressourcen ausschließlich aus recycelten Materialien oder aus Schrott gewonnen wurden. Dazu muss das Unternehmen, unter gebührender Wahrung von Geschäfts- und Wettbewerbsinteressen, seine Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht beschreiben und darlegen, wie es zu dem Nachweis gelangt ist. Diese Anforderungen sind völlig unbestimmt und somit praktisch kaum umsetzbar. Eine solche Bedingung läuft dem Ziel für mehr Recycling und Nachhaltigkeit zuwider.
Grundsätzlich beteiligen sich Sekundärrohstoffhersteller nicht an der Finanzierung von Konflikten. Jedoch müssen alle Beteiligten sicherstellen, dass die Lieferkette sauber und sicher ist. Für die Nichteisen-Metallwirtschaft ist es essentiell, dass die Herkunft des Sekundärrohstoffes – wie in den OECD-Richtlinien skizziert – der direkte Lieferant ist. Das bedeutet, dass die Importeure nicht nachweisen können, woher der Sekundärrohstoff stammt, da es durch metallurgische Prozesse nicht mehr möglich ist, dieses nachzuvollziehen. Überdies sollten auch Produzenten und Verarbeiter von Sekundärrohstoffen auf einer „Whitelist“ geführt werden. Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit des sehr leistungsfähigen, deutschen Recyclingsektors sichergestellt werden. Letztlich muss die Politik dafür Sorge tragen, dass die Nachweispflichten angemessen und handhabbar für die Industrie sind.
Bereits bestehende Unternehmensinitiativen oder andere Systeme sollen anerkannt werden, wenn sie der OECD Due Diligence Guidance Rechnung tragen. Somit gelten diejenigen Unternehmen, die sich bereits in Initiativen wie EICC oder ITRI engagieren, als verantwortungsvolle Einführer und müssen sich keiner weiteren Zertifizierung unterziehen.
Quelle: Verband Deutscher Metallhändler e.V. (VDM)
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(EUR0716S6) – Meinung
Der Dodd-Frank Act
An der US-Börse gelistete Unternehmen sind seit 2010 gesetzlich dazu verpflichtet, die Verwendung von Konfliktmineralen in ihren Produkten offenzulegen und jährlich für das vorangegangene Jahr Bericht zu erstatten. Als Konfliktminerale gelten derzeit die 3TG-Minerale Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze und Gold, wenn sie aus der Demokratischen Republik Kongo oder deren Nachbarstaaten (Angola, Burundi, Republik Kongo, Ruanda, Sambia, Südsudan, Tansania, Uganda und Zentralafrikanische Republik) stammen. Ziel des US-Gesetzes ist, die Konfliktfinanzierung in der Region der Großen Seen in Zentralafrika durch verantwortungsvollen Rohstoffhandel zu unterbinden. Die Verwendung der Konfliktrohstoffe in den USA ist nicht verboten; die betreffenden Firmen sind jedoch verpflichtet, nach dem Prinzip „name and shame“ Informationen über unternommene Sorgfaltspflichtmaßnahmen im Internet zu veröffentlichen.
US-börsennotierte Unternehmen müssen zuerst prüfen, ob 3TG-Minerale für die Herstellung oder Funktionalität ihrer Produkte notwendig sind. Wenn dies der Fall ist, müssen sie klären, ob die in ihren Produkten verarbeiteten Minerale aus der Demokratischen Republik Kongo oder einem angrenzenden Land stammen. Wenn auch dies zutrifft oder aufgrund der eigenen Nachforschung Grund zu dieser Annahme besteht, sind die Unternehmen im nächsten Schritt dazu verpflichtet, der US-Börsenaufsicht SEC ausführlich Bericht zu erstatten über die Maßnahmen, die sie für die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Herkunft und die Lieferkette der Rohstoffe getroffen haben. Dieser durch ein unabhängiges Audit zu bestätigende „Conflict Minerals Report“ muss neben den Maßnahmen auch die Ergebnisse der Sorgfaltsprüfung beschreiben. Produkte, deren Minerale aus Minen stammen, die keine Konfliktparteien finanzieren, werden als „DRC conflict free“ gekennzeichnet. Bei Konfliktfreiheit der Produkte ist zusätzlich ein weiteres, unabhängiges Audit durchzuführen. Wird festgestellt, dass die Produkte nicht DRC-konfliktfrei sind, muss der „Conflict Minerals Report“ zusätzlich folgende Angaben enthalten: eine Liste aller nicht DRC-konfliktfreien Produkte, deren Verarbeitungsbetrieb (Schmelzhütte), das Herkunftsland sowie die Bemühungen einer möglichst genauen Bestimmung der Mine, aus der die Konfliktminerale stammen.
Quelle: Germany Trade & Invest
(EUR0716S8)