Neue Lösungsansätze bei Currenta

Vor zwei Jahren leitete der Entsorgungs- und Recyclingspezialist für Sonderabfälle einen „Perspektivwechsel“ ein: Anlagenkapazitäten werden den Markterfordernissen angepasst, Forschungen und diesbezügliche Kooperationen mit Hochschulen ausgeweitet und vertieft.

Über die Unternehmensaktivitäten informierte das Geschäftsfeld Umwelt der Currenta GmbH & Co. OHG – ein Joint Venture der Bayer AG und der Lanxess AG – auf der IFAT 2016 in München. Dr. Ulrich Bornewasser, Leiter Kommunikation, und Michael Mross, Leiter Marketing/Vertrieb Entsorgung, luden die Fachpresse zu einem Gespräch ein. Vorgestellt wurden dabei neue Lösungsansätze im Bereich der industriellen Abwasserreinigung. Currenta ist Betreibergesellschaft des Chemparks mit den Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen.

Zusammen mit Forschern der Universität Duisburg-Essen untersuchte Currenta in der Kläranlage Dormagen und im Gemeinschaftsklärwerk Leverkusen (Wupperverband), in das auch die Kommune mechanisch gereinigtes Wasser einleitet, unter welchen Bedingungen sich Bläh- und Schwimmschlamm bildet und wie das Wachstum dafür ursächlicher Bakterien dauerhaft gehemmt werden kann. Bläh- und Schwimmschlamm blockiert die Sedimentation in den Nachklärbecken. Der Kohlenstoffgehalt lässt sich nicht runterfahren, so Bornewasser. „Und laufen die Becken über und flutet der Schlamm das Gelände, fällt schnell die ganze Anlage aus. Der Schlammabtrieb verstopft die Messgeräte.“

Per DNA-Sequenzierung

In beiden Kläranlagen konnte mittels Gensonden ein vermehrtes Wachstum fadenförmiger Bakterien nachgewiesen werden. Die Bakterien wurden per DNA-Sequenzierung nach dem Illumina-Verfahren Stämmen zugeordnet. Die Proben aus Leverkusen enthielten vor allem das Bakterium Microthrix parvicella und die Proben aus Dormagen das Bakterium Thiotrix spp. Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler „verbrücken“ sich die Fäden der Bakterien zu voluminösen Schlammflockengebilden mit geringen Absetzgeschwindigkeiten.

Die Sequenzierung erlaubt den Angaben zufolge auch quantitative Aussagen zum Wachstum von Bakterienpopulationen: Einzelne Betriebsparameter lassen sich als wachstumsfördernd oder hemmend identifizieren. Für das Bakterium Microthrix parvicella sind die Fracht an langkettigen, ungesättigten Fettsäuren aus dem kommunalen Abwasser, der Volumenstrom sowie das Schlammalter von entscheidender Bedeutung, wobei die Fettsäuren laut Bornewasser eine dominante Rolle spielen.

Welche Lösung bietet sich an?

Und wie kann die Bildung von Bläh- und Schwimmschlamm gehemmt werden?  Indem Fettsäuren aus dem kommunalen Abwasser durch Fällung und Flockung entfernt und gemeinsam mit dem kommunalen Primärschlamm abgetrennt werden. Dazu wurden im Labor getestete Eisensalze und polymere Flockungshilfsmittel eingesetzt. Neben Phosphaten konnten langkettige Fettsäuren und kommunaler Primärschlamm, wie es heißt,  gut abgetrennt werden. Versuche in einer Technikums-Anlage, die im Maßstab 1:45.000 die Klärprozesse der Anlage in Leverkusen abbildet – wesentliche Parameter wie pH, Sauerstoffsättigung, TOC-Gehalt oder Schlammalter können eingestellt werden – bestätigten die Laborergebnisse. Die bis zu zwei Meter hohen Becken der Technikums-Anlage bestehen aus Plexiglas und sind über eine Rohrleitung mit dem Gemeinschaftsklärwerk Leverkusen verbunden. Das Abwasser aus den Kommunen und den Betrieben des Chemparks Leverkusen wird im Verhältnis 1:45.000 abgezweigt und in die Technikums-Anlage geleitet. In diesem Teilstrom können Parameter wie Temperatur oder Zugabe von Fällungsmitteln geändert werden. Eine zweite, baugleiche Einheit wird bereits parallel als Referenzanlage betrieben.

Das Forschungsprojekt Twist++

Um den Zuwachs an fadenförmigen Bakterien frühzeitig erkennen und ihm gegensteuern zu können, wird ein zuverlässiges Analysegerät benötigt. In Kooperation mit der Fachhochschule Mannheim wurde ein in-situ Mikroskop erprobt, dass – ausgestattet mit einem effizienten Algorithmus – jede Sekunde ein Bild auf Anzahl und Länge der Fäden auswerten kann. Derzeit entwickeln die Forscher eine Software zur automatischen Verarbeitung und Überprüfung der Bildinformationen. Die in-situ-Mikroskopie wird in der Pilotkläranlage des Technikums eingesetzt. Dr. Ulrich Bornewasser und Michael Mross stellten auch das europäische Forschungsprojekt Twist++ vor, an dem Currenta und 17 weitere Unternehmen als Partner beteiligt sind. Ziel ist es, Rahmenbedingungen für eine den Herausforderungen unserer Zeit (Klimawandel, extreme Wetterphänomene, Zunahme der Weltbevölkerung etc.) angepasste Wasserinfrastruktur zu entwickeln. Ein Aspekt sind hier Sanitärsysteme zur Behandlung unterschiedlicher Teilströme – zum Beispiel Grauwasser, das beim Duschen oder in der Küche anfällt und innerhalb des Hauses wieder aufbereitet wird. Energiereiches Schwarzwasser aus dem Toilettenbereich lässt sich getrennt einer Kläranlage zuführen und in einem anaeroben Verfahren (Faulturm) zur Biogaserzeugung nutzen.

Änderung der Entsorgungsstrategie

Die Entwicklung der Abfallmengen und -qualitäten im Chempark sowie eine technische und wirtschaftliche Bewertung der Currenta-Sonderabfallverbrennungsanlagen erforderten eine Änderung der Entsorgungsstrategie. Von einem „Perspektivwechsel“ ist im Unternehmen die Rede. So wurden im Dezember 2015 die Verbrennungsanlage in Krefeld-Uerdingen geschlossen und die verbleibenden fünf Verbrennungsanlagen durch Investitionen in die Anlagentechnik spezialisiert. Damit verbunden sind neue Konzepte zur Abfalllogistik und zum Stoffstrommanagement. Currenta will seinen Kunden auch weiterhin Entsorgungssicherheit zu marktkonformen Preisen bieten. Das Unternehmen betreibt drei Wertstoffsammelzen­tren für IT-, Elektro- und Kabelschrott sowie Recyclinganlagen zur Wiedergewinnung von Kupfer aus Kabelschrott. Ferner werden Lösemittel, Schwefelsäure und jodhaltige Abfälle stofflich aufbereitet. Seit zwei Jahren steht außerdem in Krefeld-Uerdingen eine Recyclinganlage für spezifische Kunststoffabfälle zur Verfügung. Im Jahre 2015 hat Currenta rund 35.000 Tonnen an Chemikalien und Metallen einer Wiederverwendung zugeführt. Das Recycling von im Chempark anfallenden Papier- und Pappeabfälle sowie Kartonagen wird ebenfalls durch das Unternehmen organisiert.

Ralf Thiesen, Michael Mross (Currenta), Dr. Ing. Reiner Weyhe (Accurec) und Dr. Hans Richter (Currenta) bei der Unterzeichnung des Vertrages zur thermischen Behandlung von Lithiumionenbatterien auf der IFAT (Foto: Currenta)

Ralf Thiesen, Michael Mross (Currenta), Dr. Ing. Reiner Weyhe (Accurec) und Dr. Hans Richter (Currenta) bei der Unterzeichnung des Vertrages zur thermischen Behandlung von Lithiumionenbatterien auf der IFAT (Foto: Currenta)

Neuer Vertrag mit Accurec

Auf der IFAT unterzeichneten Dr. Hans Richter, Leiter Currenta Umwelt, und Dr. Ing. Reiner Weyhe, Geschäftsführer Accurec Recycling GmbH, einen neuen Kooperationsvertrag: In den nächsten fünf Jahren sollen rund 10.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien in den Drehrohröfen von Currenta thermisch vorbehandelt und die gewonnenen Metalle anschließend recycelt werden. In der Hitze des Drehrohres platzen die Batterien auf; die organischen Batteriebestandteile (Elektrolyt und Kabelummantelung) verbrennen nahezu vollständig.

Die thermische Vorbehandlung ermöglicht eine sichere Zerstörung der giftigen Batterie-Inhaltsstoffe. Leckgeschlagene Batterien können sich bei Anwesenheit von Feuchtigkeit und Luftsauerstoff selbst entzünden und sogar explodieren. Die enthaltenen Fluorverbindungen können bei einer händischen Demontage austreten und ohne sachgerechte Ausrüstung zu Verätzungen führen. Die freiwerdende Verbrennungswärme nutzt Currenta zur Dampferzeugung. Die Rauchgase werden gereinigt.

www.currenta.de

(EUR0716S22)