Stolz auf das Erreichte

Wie entsorgt man eine Kleinstadt von einem Tag auf den anderen? Das oder Ähnliches dürften sich die Mitarbeiter der Stadtreinigung Hamburg angesichts der rund 22.000 schutzsuchenden Flüchtlinge gefragt haben, die 2015 in die Stadt kamen. Inzwischen ist ihre Zahl auf rund 39.000 angewachsen, die in bislang 150 Unterkünften – 54 weitere sind in Planung – wohnen.

So wurde beispielsweise ein ehemaliger Baumarkt geräumt und dessen Flächen und Halle gereinigt. Insgesamt 800 Flüchtlinge zogen ein, das Gelände wurde von Altlasten wie Reifen, Bauschutt und Baumschnitt befreit sowie 32 Umleer- und ein Wechselbehälter für fünf Leerungen pro Woche gestellt. Wenige Tage später – die Bewohnerzahl stieg auf tausend an – kamen weitere 16 Behälter mit 1.100 Litern Fassungsvermögen hinzu; die Leerungsfrequenz erhöhte sich auf sechsmal wöchentlich, die Leerungszeiten erfuhren eine Feinabstimmung, und es wurde über die Aufstellung einer Restmüllpresse nachgedacht. Allerdings bestehen Unterschiede zwischen Erstaufnahme-Einrichtungen wie dieser und langfristigen Wohnunterkünften.

Jahresabfallmenge von etwa 16.000 Tonnen

Inzwischen sind in Hamburg 1.350 Restmüllbehälter á 1.100 Liter und elf á 770 Liter allein zur Entsorgung der Flüchtlingsunterkünfte im Einsatz, zudem eine Reihe von Umleerbehältern mit Fassungsvermögen von 2.500, 4.500 und 6,500 Litern und ein Unterflursystem für 5.000 Liter. Jede Woche kommen so knapp 4,4 Millionen Liter zusammen, was sich auf eine Jahresabfallmenge von etwa 16.000 Tonnen summiert und zu jährlichen Gebühreneinnahmen von rund 4,7 Millionen Euro führt. Während ab August 2015 das Volumen der wöchentlich zu leerenden Restmüllbehälter noch bei 200.000 Litern lag, stieg es kontinuierlich; seit Jahresbeginn 2016 hat es bei rund 450.000 Litern ein konstantes Niveau erreicht, das zu einem Drittel durch Container und zu zwei Dritteln durch Umleerbehälter erfasst werden kann.

Großes Potenzial für (bessere) Abfalltrennung

Mittlerweile werden in 65 von 150 Unterkünften die Abfälle – vor allem Papier, Pappe und Karton – getrennt, wobei die Trennung meist nur für die Verwaltung der Unterkünfte zur Verfügung steht und zusätzliche Bestellungen durch die Betreiber nur zögerlich erfolgen. Die Getrenntsammlung hat  zurzeit ein Volumen von 110.000 Litern erreicht, das sich aus circa 100.000 Litern PPK, 10.000 Litern Wertstoffe und einer kleinen Menge an Bioabfällen zusammensetzt.

Das Potenzial für eine (bessere) Abfalltrennung ist groß, wie die Analyse in der Zentralen Erstaufnahme in der Schnackenburgallee ergab. So ist mit 40 Masse-Prozent ein großer Anteil an organischen Abfällen vorhanden, der sich aus 31 Prozent kompostierbarem und zu neun Prozent aus nicht kompostierbarem Material zusammensetzt. Neben Pappe und Papier (zehn Prozent), geringen Mengen an Glas (ein Prozent), Kunststoffen (fünf Prozent) und Metallen (0,5 Prozent) fallen lediglich Textilien mit 14 Prozent und Einweggeschirr mit neun Prozent auf. Hinzu kommt allerdings Verbundmaterial einschließlich Elektro(nik)-schrott, das mit 18 Prozent zu Buche schlägt. Um den Anteil von Einwegverpackungen zu verringern, hat die Stadtreinigung Hamburg Gespräche mit den Cateringfirmen geführt und im Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge den Einsatz spezieller Drankbehälter für Kantinen und Catering geplant.

Weitere Schulungen geplant

Das öffentliche Entsorgungsunternehmen wurde aber auch anderweitig aktiv. So bot es den Flüchtlingen Schulungen zur Abfalltrennung an, in denen auf einfache Weise das Hamburger 4-Tonnen-System erklärt, beispielhaft Abfälle sortiert und Bio-„Müllis“ an die Bewohner verteilt wurden. Zunächst besuchten nur Wenige die Einführungen, doch kamen dann auch Gruppen von 40 bis 50 Leuten, die neugierig und interessiert waren und zum Schluss teilweise besser Bescheid wussten als mancher Hamburger. Die Kurse wurden und werden auf Deutsch gehalten.

Dabei will es die  Stadtreinigung Hamburg aber nicht belassen. Sie beabsichtigt, die Abfalltrennung auch in weiteren Unterkünften einzuführen, um mehrere Abfallfraktionen an Ort und Stelle zu erfassen. Bei Neubezügen ist ohnehin die Trennung in vier Abfallfraktionen beabsichtigt. Weitere Schulungen sollen organisiert und die Betreiber der Unterkünfte mit Flyern, Aufklebern und Informationen versorgt werden. Und um reaktionsfähig und flexibel zu bleiben, steht ein zentraler Ansprechpartner zur Verfügung, der als Experte eine besondere Betreuung gewährleistet. Abfalltrennung gilt der Stadtreinigung Hamburg zwar nicht als den „Nabel der Integration“, aber doch als „Baustein der Integration und Vorbereitung auf ein Leben in Hamburger Mietwohnungen“.

„Unsere Probleme relativieren sich“

Man sei, bilanzierte Prokurist Sven Winterberg, in Hamburg stolz auf das Erreichte und auf einem guten Weg – hin zur Normalisierung und zu dauerhaften Strukturen. Doch er zog auch den Vergleich mit Kollegen in einer kleinen jordanischen Grenzstadt mit 100.000 Einwohnern und 100.000 syrischen Flüchtlingen, die das Abfallvolumen innerhalb von zwei Jahren von 100 auf 200 Tonnen pro Tag steigerten; hinzu komme ein Flüchtlingslager mit 80.000 Personen vor der Stadt, das sich selbst organisiert. Was in Deutschland an Herausforderungen gestellt werde, sei „eine Kleinigkeit“ gegenüber dem, was die syrischen Nachbarländer zu bewältigen hätten. „Dadurch relativieren sich unsere Probleme.“

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Foto: Stadtreinigung Hamburg

(EUR0716S14)