Ein heikles Material

Wie können carbonfaserverstärkte Kunststoffe qualitativ und wirtschaftlich recycelt werden? Auf der Europäischen Ressourcenkonferenz im Rahmenprogramm der IFAT stellte Dr. Siegfried Kreibe vom bifa Umweltinstitut das kürzlich abgeschlossene Projekt „MAI Recycling“ vor. Die Erkenntnis: Es gibt noch einige Barrieren zu überwinden.  

Carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) finden im Flug- und Fahrzeugbau sowie für Windenergieanlagen oder zur Herstellung von Sport- und Freizeitartikeln zunehmend Verwendung; die weltweite CFK-Jahresproduktion liegt bei rund 120.000 Tonnen. CFK stellt die Entsorgung als Abfall vor ein großes Problem. In Deutschland ist die Deponierung unzulässig, Müllverbrennungsanlagen nehmen CFK nicht an – Carbonfasern können aufgrund ihrer elektrischen Leitfähigkeit die MVA-Filter kurzschließen – und mit den Worten von Dr. Siegfried Kreibe ist schon das Recycling von Glasfasern gescheitert. Auch erweise sich die energetische Verwertung als unwirtschaftlich und diesbezügliche Kapazitäten seien praktisch nicht vorhanden. „Die CFK-Herstellung ist ein extrem energieaufwändiger Prozess. Und die Energie geht verloren, wenn man das Material energetisch verwertet. Bei einer thermischen Verwertung wird nur ein geringer Teil des energetischen Rucksacks genutzt“, gab der Geschäftsführer des bifa Umweltinstituts in Augsburg zu bedenken.

Es bleibt dann eigentlich nur die stoffliche Aufbereitung: zerkleinern, mahlen, einschmelzen, granulieren. Doch lässt die Qualität dieses Eins-zu-Eins-Recyclings für neue CFK-Produkte zu wünschen übrig. Mehr Potenziale bietet eine Methode, die Fasern von der Kunststoffmatrix trennt und wieder als Fasern einzusetzen. Ein geeignetes Verfahren ist hier die Pyrolyse: CFK wird unter Luftabschluss erhitzt, die Kunststoffmatrix dampft von den Carbonfasern ab und wird der Gasphase zugeführt. Carbonfaser sind sehr temperaturbeständig, so Kreibe.

Schwieriger als erwartet

Das bifa Umweltinstitut hat gemeinsam mit Industrie- und Forschungspartnern im Verbundprojekt MAI Recycling die Prozesskette beim Recycling von carbonfaserverstärkten Kunststoffe im industriellen Maßstab durchlaufen. Dazu wurden in einer Pyrolyseanlage in Großbritannien drei Tonnen CFK-Produktionsabfälle zerkleinert und die Feinanteile und Stäube in verschiedenen Siebstufen abgetrennt. In mehreren Verfahren wurden daraufhin Halbzeuge aus den Materialien hergestellt. So hat die Firma Fiber Engineering GmbH das „Fiber Injection Modeling“ entwickelt: Die Fasern werden in eine Form mit verfahrbaren Deckel kontrolliert eingeblasen, dann gepresst und mit Harz infiltriert. Wie Kreibe berichtete, lief die Versuchsreihe schwieriger ab als erwartet: „CFK ist ein heikles Material im Recycling. Die Fasern sind mit einem Durchmesser von fünf bis sieben μ sehr dünn und dabei oft stark verunreinigt. Hinzu kommen Glasfaseranteile im Input. Die Verunreinigungen lassen sich nicht vollständig entfernen. Der Frequenzumwandler von Zerkleinerungsanlagen kann durch hineinfliegende Carbonfasern, die elektrisch leitfähig sind, beschädigt werden. Der Umgang mit den Fasern erfordert außerdem spezielle Schutzkleidung; die Fasern sollten nicht eingeatmet werden.“

Von schwankender Qualität

Im Ergebnis wurden nach dem Pyrolyseprozess schwankende Output-Qualitäten festgestellt. Vielen Fasern hafteten Koksrückstände an. Sie kommen aus dem Pyrolyseprozess als Gewölle kurzer Fasern heraus. „Recyclingfasern sind keine Endlosfasern von der Rolle, die heruntergezogen und zum Beispiel zu Textilien versponnen werden“, erklärte der Experte. „Es sind immer Verschnitte. Folglich haben diese Fasern keine einheitlichen Faserlängen; das sind Faserlängen-Verteilungen – ein völlig neues Material, das sich nicht mit Neuware vergleichen lässt und andere Eigenschaften aufweist.“

Dr. Siegfried Kreibe (Foto: Marc Szombathy)

Dr. Siegfried Kreibe (Foto: Marc Szombathy)

Die Zugfestigkeit der Carbonfasern beträgt gut 90 Prozent. Die Leitfähigkeit und Dichte entspricht der von Neuware. Die Qualitätsschwankungen hängen im Wesentlichen von der Uneinheitlichkeit des Pyrolyse-Inputs ab: Unterschiedliche Schwankungen im Input = unterschiedliche Schwankungen im Output. „Diffuse Mischungen“ gilt es deshalb zu vermeiden. Kreibe: „Wir hatten bei dem Projekt Schwankungen in der Faserlängen-Verteilung und in den weiteren Verarbeitungsstufen prozessbedingte Schwankungen, die noch technisch gelöst werden müssen.“

Der Referent informierte des Weiteren über einen Großversuch in einer Papierfabrik. Dort wurden Carbon-Papierrollen von 1,4 Meter Breite mit einem Carbon-Kurzfaseranteil von bis zu 70 Prozent erzeugt. Probleme bereitete die Staubentwicklung: „Das lag daran, dass wir die Sieberei vor der Pyrolyse nicht so recht hingekriegt haben. Der Maschinen-Bereitsteller hatte den Faserflug unterschätzt, und wir mussten abbrechen.“ In einem anderen Verfahren, dem Carbon Compounding, wurden drei Tonnen Kurzfaser einem Thermoplast-Produkt zugegeben und zu Granulaten verarbeitet. Die Granulate eignen sich für Spritzguss-Anwendungen.

Erfolgskritische Faktoren

Zu nennen ist der wachsende Anteil von Hybridkonstruktionen mit immer komplexer werdenden Verbundstoffen. Deren Fasern kaum wirtschaftlich gewonnen werden können. Die Anwender von Carbonfasern stellen maximale Anforderungen an Materialqualitäten und benötigen angepasste Verfahren zur Verarbeitung. „Da macht man ungern Kompromisse“, kommentierte Kreibe. Die Absatzmärkte seien schwer zugänglich für ein Material, das in der Qualität optimierungsbedürftig ist. Als ein wesentlicher, erfolgskritischer Faktor erwies sich im Projekt MAI Recycling die Abstimmung der gesamten Prozesskette auf die Verarbeitung der Recyclingfasern. Erfolgskritisch sind zudem die gezielte Steuerung von Zerkleinerung und Klassierung zur Einstellung der Faserlängenverteilung und die Reduzierung von Faserverlusten im Recyclingprozess. Durch praxisnahe Erprobung verschiedener Verfahren zur Herstellung von Halbzeugen aus freigelegten Carbonfasern wurden Handlungsoptionen abgeleitet, die Störungen vermeiden und die Verarbeitung verbessern.

In der gesamten Prozesskette besteht weiterhin Entwicklungsbedarf, aber die Kernprozesse für das CFK-Recycling sind den Erkenntnissen nach verfügbar. Die wichtigste Aufgabe sei es nun, Märkte für Produkte aus recycelten Carbonfasern zu entwickeln. Dr. Siegfried Kreibes Fazit: „Wenn wir Recycling-Kreisläufe aufbauen wollen, brauchen wir das Zusammenwirken von Anwendern von Carbonfasern und Recyclingunternehmen.“

Der Abschlussbericht zu den CFK-Projektarbeiten steht kostenlos unter www.bifa.de zur Verfügung.

Foto: wikimedia/ITALIAN automotive engineering

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