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1. Europäische Ressourcenkonferenz: Auf der Suche nach Strategien und Wegen

Verfügbarkeitsengpässe und schwankende Rohstoffpreise lassen den schonenden Umgang mit Ressourcen immer wichtiger erscheinen. Technische Innovationen sind gefragt, um die Ressourceneffizienz beim Einsatz von Metallen, Mineralien, Kunststoffen und Phosphaten zu erhöhen. Die 1. Europäische Ressourcenkonferenz auf der diesjährigen IFAT versuchte erstmals, einen Ein- und Überblick in und über den Forschungsstand zu gewinnen.

Otto Bischlager (Foto: Dr. Jürgen Kroll) [1]

Otto Bischlager (Foto: Dr. Jürgen Kroll)

Für Otto Bischlager (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz) ist die Ressourcenfrage nach wie vor eine Zukunftsfrage in ökologischer und ökonomischer Hinsicht. Zwar sei der Primärstoffverbrauch in der Rohstoffproduktion noch dominant, doch dessen  Ressourceneffizienz in mehrfacher Hinsicht deutlich verbesserungsfähig. Würde man die Umweltfolgekosten der Rohstoffgewinnung – wie Bergbau, Straßenbau oder Transportkosten – in die Rohstoffpreise einrechnen, dann wäre Recycling in Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig.  Helmut Maurer (GD Umwelt der EU-Kommission) plädiert daher eher für den Begriff „Recycling Economy“, denn es gelte, Kreisläufe in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Wissenschaft zu schließen.

Automotiver Ressourceneffzienz

Martin Faulstich (Foto: Dr. Jürgen Kroll) [2]

Martin Faulstich
(Foto: Dr. Jürgen Kroll)

Im Bereich „Automotiver Ressourceneffzienz“ erwartet Martin Faulstich (Cutec) angesichts von Klimawandel, Urbanisierung, Digitalisierung, Carsharing und autonomem Fahren eine neue Mobilitätskultur mit neuen Geschäftsmodellen. Vor allem aber ein anderes Ressourcenportfolio und eine andere Altauto-Verwertung als bisher, da bereits heute 80 Elemente des Periodensystems in Automobilen verbaut sind. Wie Reinhard Büchl (Umweltcluster Bayern) darlegte, kommen heutzutage Autoteile aus aller Welt und werden an einem Ort zusammengebaut. Der logische Schluss: Wenn weltweite Wertschöpfungsketten bestehen, sollte es auch weltweite Recyclingstrategien geben; an nationalen Grenzen zu enden, mache keinen Sinn. Daher werden zunehmend weltweite Systemlösungen gefragt.

Anna Schneller (Universität Augsburg) stellte neue Werkstoffe wie Carbonfaserstrukturen vor, die die Frage nach neuen Lösungen zwischen kostengünstigem Recycling und der besten stofflichen Rückgewinnung von Fasern aufwerfen. Und sie machte klar, dass von Entstehung solcher Fragen bis zu ihrer praktischen Lösung zwei Jahrzehnte vergehen können. Weshalb man sich heute schon Gedanken zu Recyclingverfahren machen sollte für Probleme, die erst in 20 Jahren akut werden. Für Peter Bartel (Robert Bosch GmbH) rangieren vor dem Recycling andere Anwendungen mit Vorsilbe Re: Re-Use, Repair und Remanufacturing. Aufgearbeitete Automobilteile sind dem Original gleichwertig, sparen Ressourcen und verlängern die Lebensdauer der Teile. Thomas von Wittern vermittelte, dass moderne Reifen zu komplex sind, um sie im Zementwerk zu verfeuern. Und stellte ein ambitioniertes Pyrolyseverfahren vor, das hochwertige Gase und hochwertige, marktgängige Ruße produziert und die Rückgewinnung von Metallen ermöglicht.

Umgang mit Metallen

Wolfgang Rommel (Foto: Dr. Jürgen Kroll) [3]

Wolfgang Rommel
(Foto: Dr. Jürgen Kroll)

Moderator in der Sektion „Ressourceneffizienz beim Umgang mit Metallen“ war Wolfgang Rommel (bifa Umweltinstitut GmbH). Er berichtete über den Vortrag von Hans-Bernd Pillkahn (Proassort GmbH), der Metalle für theoretisch unendlich recycelbar einstuft, aber eine Tendenz zur Vielzahl unterschiedlicher Rezepturen für Metalle sieht, die den Kreislauf erschweren. Hochleistungslegierungen und hybride Bauteile bereiten zunehmend größere Probleme bei Rückführung. Immer mehr Legierungen lassen sich beim Schmelzen im Elektrolichtbogenofen nicht mehr trennen, sondern nur noch runterverdünnen. Außerdem geht der Trend in der Sekundärmetallurgie hin zu induktiven Öfen geht, in den denen solches Verdünnen technisch kaum mehr möglich ist. Quellenseparationen und Gattierungen für Sekundärmetall-Qualitäten werden nötig.

Jan Seelig (Cutec) stellte bei seinem Vortrag über „Demontagefabrik für Elektro-Altgeräte im urbanen Raum“ die Frage: Wenn komplexe Produkte aus Technologiemetallen automatisiert werden können, warum können umgekehrt Demontageprozesse nicht automatisiert werden, um Wertstoffe rückzugewinnen? Für Siegfried Kreibe (bifa Umweltinstitut GmbH) bestehen für die Metall-Rückgewinnung aus IT-Geräten Potenziale, die jedoch unter ökonomischen Bedingungen nicht darstellbar sind. Angesichts von volatilen Primär- und Sekundärrohstoffmärkten sei es schwierig, Recyclingprozesse längerfristig wirtschaftlich sauber zu betreiben. Korrigiert sich der Markt selbst oder muss ordnungspolitisch eingegriffen werden? Karsten Wambach (bifa Umweltinstitut GmbH) schließlich verdeutlichte die Problematik der Metallrückführung aus MVA-Schlacken: Ist dabei der Metallgewinnung der Vorrang zu geben oder eher der größten Fraktion, der Mineralik?

Bioökonomie

Den ersten Vortrag in der Sektion „Bioökonomie – Verwertung biogener Ressourcen“ lieferte  Daniela Thrän (UFZ / DBFZ). Sie gab einen Überblick darüber, welchen Verbreitungsgrad Bioökonomie in der Wirtschaft erreicht hat, und schlug für den zukünftigen Einsatz eine bis zu zehnfache Kaskadennutzung vor, bevor das Material energetisch genutzt wird. Rainer Buchholz (Universität Erlangen) skizzierte, wie sich durch mikroalgen-basierte Bioadsorption aus hochverdünnten Lösungen Seltene Erden gewinnen lassen – ein Verfahren, das im Elektroschrott-Recycling stellenweise schon wirtschaftlich betrieben wird. Und Hao Jiang (China University of Petroleum, Peking) schilderte die Verwertung biogener Abfälle und Reststoffe in der Volksrepublik China und zog Parallelen zu Deutschland. Moderator Michael Nelles (Universität Rostock) empfahl, sich jetzt mit Entsorgungsfragen zum Beispiel zu Biokunststoffen auseinanderzusetzen, da sie in Zukunft riesige Probleme bereiten könnten.

Kunststoffeinsatz

In der Sektion „Kunststoffeinsatz für Ressourceneffizienz“ berichtete Timothy Glaz (Werner & Mertz GmbH) aus eigener Erfahrung über die Schwierigkeiten, an geeignete Qualitäten für Verpackungen aus Rezyklat zu gelangen. Dennoch will die Rezyklat-Initiative seines Unternehmens in Zukunft bis zu 40 Prozent der Kunststoffe vom DSD beziehen. Die schwankende Qualität der Rohstoffe aus Kunststoffabfällen und die in den letzten Jahren drastisch gesunkene Güte von Granulaten aus Abfällen beklagte auch Dirk Textor (GPB Quality GmbH/bvse). Die spezifiziert ausreichende Qualität, die der Primärware entsprechen muss, sei eine unbedingte Voraussetzung für die Verwendung dieses Materials.

Siegfried Kreibe (bifa Umweltinstitut GmbH) stellte carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) vor. Sie seien immer stärker gefragt, lassen sich aber weder verbrennen noch deponieren. Großversuche mit einem Pyrolyseverfahren führten zur Energiegewinnung, aber ergaben ein Endprodukt, für das es keine Verwendung gibt. Als letzter Referent der Sektion berichtete Christian Laforsch (Universität Bayreuth) über die Auswirkungen von Kunststoffen auf die Biosphäre: 30 bis 40 Prozent aller Kunststoffprodukte verbleiben in der Umwelt, zerfallen zu Mikroplastik, gelangen in die Nahrungskette und reichern sich in den Lebewesen an. Hans Helmut Itzel (DGAW), der diese Sektion  moderierte, zog als Fazit: Die Anwendung von Kunststoffen stellt uns noch vor viele Herausforderungen, die nur in Absprache mit den Produzenten gelöst werden können. Die erweiterte Produzentenverantwortung liefert hierfür die besten Voraussetzungen.

Phosphor

Michael Spitznagel (Foto: Dr. Jürgen Kroll) [4]

Michael Spitznagel
(Foto: Dr. Jürgen Kroll)

Michael Spitznagel (Deutsche Phosphor Plattform) wies einleitend darauf hin, dass Phosphor das einzige nicht substituierbare Element des Periodensystems darstellt. Es zählt hinsichtlich Versorgungssicherheit zu den kritischen Elementen; als kritisch ist auch sein Abbau aufgrund von hohem Energie- und Wassereinsatz zu bewerten. Darüber hinaus gelangen über Phosphatdünger nicht unerhebliche Mengen Uran auf die Böden. Rudolf Bogner (CNP-Technologie Water and Biosolids GmbH) gab einen Einblick in das AirPrex-Verfahren, das 20 bis 25 Prozent des Phosphors aus Schlämmen holt und Deutschland- sowie Europa-weit vielfach eingesetzt wird. Das israelische Unternehmen von Kees Langefeld (ICL) betreibt Phosphatminen, hat aber mit der niederländischen Regierung einen Vertrag geschlossen: ICL gewinnt zurzeit aus Klärschlamm 15 Prozent Knochenasche als Substitut für P-RoC und will den Anteil bis 2025 auf 100 Prozent Substitut erhöhen. Mittelfristig plant das Unternehmen, die Produktion von Phosphat-Rezyklaten weg vom landwirtschaftlichen hin zum industriellen Bereich zu verlagern.

Oliver Gantner (Universität Augsburg) referierte über das technische Nutzungspotenzial von Phosphaten und lieferte einen Überblick über Märkte, Akteure, technische Anwendungen und Reinheitsgrade. Ersatzweise für den verhinderten Arnoud Passenier (ESPP) berichtete Ludwig Herrmann von der Verbreitung des Phosphat-Recyclings über Netzwerke in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Belgien und Deutschland und schilderte erfolgreiche Beispiele der Implementierung, wie seit längerem schon in Japan und zunehmend auch in China.

Mineralische Ressourcen

Den interessantesten Beitrag aus der Sektion „Mineralische Ressourcen – Einsatz Sekundärrohstoffe“ lieferte Volker Thome (Fraunhofer IBP). Seiner Meinung nach muss inzwischen Sand als kritischer Rohstoff eingestuft werden. Die von ihm vorgestellte elektrodynamische Fragmentierung von Beton trennt Kies von Zementmatrix und verleiht ihm eine Festigkeit, die dem Primärmaterial vergleichbar ist. Allerdings beträgt der momentane Durchsatz eine Tonne pro Stunde; großtechnisch würde eine Leistung von 20 Tonnen pro Stunde benötigt. Dem wirtschaftlichen Vergleich mit mechanischen Trennungsverfahren hält die elektrodynamische Methode noch nicht stand.

Foto: peshkov / fotolia.com

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