Schrottmarktbericht: Steigende Verunsicherung
Mit einem nochmaligen Preisabschlag von durchschnittlich 10 bis 15 Euro pro Tonne gegenüber dem Vormonat konnten die deutschen Werke ihren Bedarf für Juli und zum Teil darüber hinaus eindecken. Versuche einzelner Verbraucher, mit höheren Preisreduzierungen Mengen zu beschaffen, verliefen erfolglos. Bei Abschlägen im unteren Bereich der vorgenannten Preisspanne fand die Belieferung ratierlich statt.
Im Laufe des Berichtsmonats stabilisierte sich der Markt, obwohl es neben den ferien- auch betriebsbedingte Ausfälle gab. Die Ferienzeit führt automatisch auf der einen Seite zu einem verminderten Bedarf und auf der anderen Seite zu einem reduzierten Aufkommen. Im Juli scheint das Verhältnis ausgeglichen gewesen zu sein. Wie es im August sein wird, wenn sechs große Bundesländer in den ersten drei Wochen gleichzeitig Ferien haben, muss sich zeigen. Der Bedarf der Werke wird geringer sein als im Juli, aber auch der Zulauf vor allem an Altschrotten zu den Lagern des Handels wird noch geringer sein als schon im Berichtsmonat. Durch die in diesem Jahr heftigen Preisbewegungen konnte ein großer Teil des Handels – unter anderem wegen der angespannten Wettbewerbssituation – seine Einkaufspreise noch nicht auf ein betriebswirtschaftlich gesundes Verhältnis zu den zu erzielenden Verkaufspreisen bringen. Angesichts vorhandener Liquiditätsengpässe wäre eine entsprechende Anpassung mehr als wünschenswert.
Nachbarländer
Italienische Verbraucher haben im Vormonat die Einkaufspreise je nach Ausgangsbasis bis zu zehn Euro pro Tonne gesenkt. Der Bedarf war höher als erwartet. Möglicherweise wollten die Werke mit ihrem Einkaufsverhalten unter anderem steigenden Preisen im August entgegenwirken. Sie signalisierten bereits, im kommenden Ferienmonat weniger und, wenn überhaupt, dann nur zu unveränderten Preisen kaufen zu wollen. Insgesamt agierten die italienischen Stahlwerke vorsichtig, da unklar ist, wann der algerische Staat die Importlizenzen für Betonstahl erneuert. Algerien ist für die italienischen, spanischen und portugiesischen Betonstahlhersteller der wichtigste Absatzmarkt. Theoretisch müssten die Lizenzen im kommenden Monat verlängert werden, doch bereits bei der Einführung des Systems am Jahresanfang ist es zu wochenlangen Verzögerungen gekommen. Ohne die entsprechende Lizenzierung ist ein Import ausgeschlossen. Unklar ist zudem, welchen mengenmäßigen Umfang die Lizenzierung haben wird. Für das erste Halbjahr war die Einfuhrmenge auf maximal zwei Millionen Tonnen begrenzt. In den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich sind die Preise bei zum Teil bereits ferienbedingt vermindertem Bedarf um rund 10 Euro pro Tonne gesunken. Die Werke, die produziert haben, hatten einen hohen Bedarf. In Polen haben die inländischen Werke den Schrott über eine entsprechende Preisgestaltung im Inland gehalten. Je nach Sorte wurden 2,50 Euro pro Tonne mehr beziehungsweise bis zu zehn Euro pro Tonne weniger gegenüber dem Vormonat gezahlt. Da insbesondere für bessere Qualitäten vergleichsweise gute Konditionen geboten wurden, konnten sich die Werke die Mengen sichern. Mit Preisreduzierungen gegenüber deutschen Lieferanten von 15 Euro pro Tonne und bei einem reduzierten Bedarf aufgrund von Ferien und technischen Stillständen hielten sich die Absatzmöglichkeiten in die Schweiz in Grenzen.
Gießereien
Den Gießereimarkt beschrieben einige Händler als ruhig. Die Gießereien, die im Markt waren, senkten die Einkaufspreise je nach Sorte und Region um fünf bis zehn Euro pro Tonne. Obwohl nach wie vor die Beschäftigungslage sehr unterschiedlich ist, hat sich die Auftragslage für einige Gießereien vor allem im Süden und Südwesten Deutschlands verbessert, was erfreulicherweise einen höheren Bedarf zur Folge hatte. Obwohl die Roheisenpreise seit Mitte Juni um rund 30 Euro pro Tonne gefallen sind, ist das Preisniveau für die Verbraucher immer noch nicht attraktiv genug. Sie hoffen auf weitere Reduzierungen und zögern die Zukäufe hinaus. Der schwächer werdende Euro belastet die Gießereien zusätzlich.
Quo vadis Türkei?
Die türkischen Verbraucher konnten ihren relativ hohen Schrottbedarf im Juli weitgehend geräuschlos im Tiefseemarkt eindecken. Die Anzahl der gekauften Ladungen in Europa könnte bei knapp 15 gelegen haben. Dennoch ist es den türkischen Werken gelungen, die Verkaufspreise relativ konstant zu halten beziehungsweise zwischendurch sogar noch günstigere Konditionen auszuhandeln. Da die Zukäufe zum Teil verspätet oder auch gar nicht öffentlich geworden sind, hat der Tiefseemarkt das inländische Marktgeschehen kaum tangiert.
Exporteure sehen den Tiefpunkt bei den Preisen erreicht, und ein weiterhin hoher Importbedarf der türkischen Verbraucher könnte den Preisdruck steigern. Angesichts der politischen Ereignisse in der Türkei und der damit verbundenen undurchsichtigen Lage ist die weitere wirtschaftliche Entwicklung unklar. Möglicherweise bleibt die türkische Stahlindustrie vorerst unbeeinflusst von den vollzogenen Veränderungen, und hat zumindest für August einen hohen Zukaufbedarf. Für die Werke verteuern sich durch die starke Abschwächung der türkischen Lira gegenüber dem US-Dollar die Zukäufe der notwendigen Rohstoffe. Da die Türkei ein rohstoffarmes Land ist, müssen die Rohstoffe überwiegend im Ausland beschafft werden. Es ist zudem nicht vorhersagbar, welches Vertrauen insbesondere das internationale Kapital in die Wirtschaftsstabilität des Landes hat, denn die Türkei ist in hohem Maße von ausländischem Kapital abhängig.
Schlussbemerkungen
Der deutsche Schrottmarkt war nach Angaben aus Handelskreisen im Juli recht ruhig. Übereinstimmend gehen die befragten Marktteilnehmer davon aus, dass der Tiefpunkt bei den Preisen erreicht ist. Durch den zumindest in den ersten drei Augustwochen zu erwartenden, verringerten Bedarf der Werke – gepaart mit einem verminderten Schrottaufkommen – erwarten große Teile des Handels für den kommenden Monat unveränderte bis leicht steigende Preise. Ob die bereits von einigen Marktteilnehmern geäußerten euphorischen Preisphantasien für September – wie in den vergangenen beiden Jahren – hinter den Erwartungen zurückbleiben, wird von den Entwicklungen in der Türkei und anderen reichlich vorhandenen Krisenherden bestimmt werden.
Redaktionsschluss 21.07.2016, BG-J/bvse
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