Internationaler bvse-Altkunststofftag: „Positive Aussichten“
Beim 19. Internationalen Altkunststofftag in Bad Neuenahr konnte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock eine gute Nachricht mitteilen.
Obwohl während der Hauptveranstaltung nicht alle der rund 450 angemeldeten Tagungsteilnehmer anwesend waren, dürfte es sich schnell herumgesprochen haben, dass es in Deutschland wahrscheinlich noch in dieser Legislaturperiode ein Verpackungsgesetz geben könnte. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) will kurzfristig einen Gesetzesentwurf vorlegen; die Beratungen sollen nach der Sommerpause beginnen. Die Hoffnung des bvse-Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung auf ein Wertstoffgesetz mit erweiterter Produktverantwortung hat sich damit zwar zerschlagen, zumal keine Verständigung zwischen verschiedenen Interessengruppen erzielt werden konnte, aber der Verband schien mit dieser Aussicht dennoch zufrieden zu sein.
Die Information über das Vorhaben der Bundesregierung war zuvor den Teilnehmern eines Workshops im Rahmen der Veranstaltung zum Thema Wertstoffgesetz gegeben worden. Bei dieser Gelegenheit hatte Thomas Schmid-Unterseh vom BMUB erläutert, dass es Unterschiede zum von etlichen Branchengruppen angestrebten Wertstoffgesetz geben wird. Für das neue Verpackungsgesetz ist eine Produktverantwortung im Hinblick auf „stoffgleiche Nichtverpackungen“ nicht vorgesehen; für die Sammlung, Sortierung und Verwertung dieser Abfälle bleiben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuständig. Eine Wertstofftonne wird in Deutschland nicht eingeführt. Allerdings soll der Rahmen für die freiwillige gemeinsame Erfassung der verschiedenen Abfälle verbessert werden.
Darüber hinaus soll in dem geplanten Verpackungsgesetz die Einrichtung einer Zentralen Stelle festgeschrieben werden, wodurch sich ein weiterer Wunsch des bvse erfüllen würde. Noch in dem Pressegespräch, das vor dem Hauptteil der Veranstaltung stattfand, hatte bvse-Vizepräsident Herbert Snell eine solche neutrale Instanz zur Überwachung gefordert. Daneben möchte der Branchenverband dazu beitragen, die Recyclingquoten in einem privatwirtschaftlichen und an Wettbewerb ausgerichteten System anzuheben.

Yavuz Eroglu betonte in seinem Grußwort, dass das Kunststoffrecycling in der Türkei in den letzten zehn Jahren stark gewachsen ist; 80 Prozent des im Land verarbeiteten Materials seien importiert (Foto: bvse)
Qualität ist ein Dauerbrenner
Ein wichtiges Thema für die Kunststoffrecyclingfirmen ist nach wie vor die Qualität. Laut Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling, haben sich viele der angebotenen Sortierqualitäten in den zurückliegenden Monaten weiter verschlechtert. Allerdings gelte das nicht für alle Sortierbetriebe. „Während einige Sortierer von Leichtverpackungen inzwischen durchaus darauf achten, die vereinbarten Qualitäten einzuhalten, gibt es immer noch zu viele Sortierer, die nach der Devise arbeiten ‚Masse statt Klasse‘.“
Überprüfungen der Sortierqualitäten durch unabhängige Sortiertrupps bestätigten diese Einschätzung. Ein Großteil der Mischkunststofffraktionen sei nicht spezifikationsgerecht. Bei einem Vergleich der deutschen Sortierergebnisse mit denen aus anderen Herkunftsländern falle auf, dass im europäischen Ausland hinreichend gute Qualitäten erzeugt würden, während sich viele deutsche Kunststoffsortierer einer notwendigen Qualitätsdiskussion verweigerten. Wie Textor betonte, gibt es noch Spielraum, um Sammlung und Sortierung von Kunststoffabfällen quantitativ und qualitativ deutlich auszubauen. „Hier sehen die Kunststoffrecycler vor allem auch die Dualen Systeme in der Pflicht, die Kunststoffsortierung klar zu verbessern.“ In diesem Zusammenhang verwies der Vorsitzende des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling auf die Ergebnisse der GBP Quality GmbH, die eine eigene, unabhängige Überprüfung der Sortierqualitäten anbietet. Unabhängige Sortieranalysen zeigten für 2016, dass der Anteil an nicht spezifikationsgerechten Mischkunststoffanlieferungen zwischen 75 und 100 Prozent betrage.
Gastland Türkei
Diesjähriges Gastland der Tagung war die Türkei. Dem Kunststoffrecycling in diesem Land war ein Workshop gewidmet, bei dem die Teilnehmer von Yavuz Eroglu, Präsident des türkischen Kunststoffrecyclingverbandes PAGEV, einen Überblick über die entsprechende Industrie sowie die Abfallwirtschaft in der Türkei erhielten. Daneben informierte Yamur Cengiz (PAGEV) über die gesetzlichen Rahmenbedingungen, während Zeki Sahin (EkoPET), Mehmet Taha Mahsereci (MTM Plastik) und Mustafa Tanrikulu (Tanrikulu Plastic) die praktische Seite des Kunststoffrecycling in der Türkei schilderten. PET-Recycling zu Fasern in der Türkei war das Thema von Dr. Heinz Meierkord (Advansa Group).
Der Markt für Altkunststoffe
Seit Mitte Oktober vergangenen Jahres habe sich die Versorgung mit Kunststoffabfällen stark verbessert, berichtete Dr. Thomas Probst, Referent im Fachverband Kunststoffrecycling. Den Angaben zufolge lag das zum einen an dem geringeren Export nach Fernost, zum anderen an den höheren Verbrennungspreisen (dadurch wurden Altkunststoffe vermehrt dem Recycling zugeführt) und zum dritten an den größeren Mengen an Verpackungsabfällen aus den Dualen Systemen (infolge der Veränderungen in den gesetzlichen Bestimmungen).
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres war das mengenmäßige Angebot laut Probst ebenfalls befriedigend. Während die Recyclingfirmen in den Vorjahren über mangelnde Inputmengen geklagt hätten, seien die Zeiten der eingeschränkten Verfügbarkeit von Kunststoffabfällen wohl vorläufig vorbei. Unter anderem führten die Verwerfungen im Fernostgeschäft dazu, dass die Kunststoffverbringungen in das außereuropäische Ausland unsicher blieben. „Die Preise, die im Exportgeschäft erzielt werden, sind rückläufig“, so der Marktkenner mit Blick auf das große Altkunststoffangebot in Europa. Kunststoffrecycler seien mittlerweile nicht mehr bereit, Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Sie zögen sich lieber aus bestimmten Marktsegmenten zurück als weiterhin schlechte Sortierware zu akzeptieren. Jetzt zählten nur noch beste Qualitäten, „die dann, und nur dann“, ihre Abnehmer fänden. Rezyklate verminderten beim Verarbeiter die Abhängigkeit von den Volatilitäten der Neuware und ergänzten – auch bei einem guten Angebot an Neuware – die Kunststoffmärkte „sehr vorteilhaft“. Wie sich die Preise für Neuware sowie die entsprechenden Angebotsmengen entwickeln werden, lässt sich laut Dr. Thomas Probst nicht sicher einschätzen. Es könnten immer wieder Verknappungen bei der Versorgung von Primärware auftreten.

In der Ausstellung wurden nicht nur Produkte des Kunststoffrecyclings gezeigt, sondern auch Techniken, Maschinen und Dienstleistungen vorgestellt (Foto: bvse)
Herausforderungen
Im Plenum zeigte der Vortrag von Dr. Heinz-Jürgen Büchner, IKB Deutsche Industriebank AG, dass die Beziehungen zwischen Rohölpreis und Kunststoffrecycling vielfältig sind. Nachdem der Preisverfall bei Rohöl seit Februar aufgehört habe, hätten auch die Naphtha-Preise angezogen. Die europäischen Notierungen hätten seit Ende März um etwa 20 Prozent zugelegt. Der Preis für das Folgeprodukt Ethylen sei ebenfalls gestiegen; gleiches gelte für Propylen und Styrol.
Laut Büchner ist die Kunststoffindustrie in Deutschland und Europa international aufgestellt und verflochten, wie die Consultic-Studie zeige. Während 60 Prozent der erzeugten Kunststoffe in den Export gingen, werde etwa die Hälfte der Tonnage importiert. Die deutschen Kunststoffverarbeiter seien ebenfalls exportorientiert und verkauften große Teile ihrer Produkte im europäischen und außereuropäischen Ausland. Was die Altkunststoffe angehe, so landeten in der EU nach der Statistik von PlasticsEurope die meisten Kunststoffe (39,5 Prozent) in der energetischen Verwertung, 30,8 Prozent auf der Deponie und 29,7 Prozent im Recycling. Die zukünftigen Vorgaben der EU in Bezug auf das Recycling dürften jedoch weitere Impulse für das Kunststoffrecycling bieten, zeigte sich der Redner überzeugt.
Als Fazit seiner Ausführungen listete der IKB-Vertreter folgende strategische Herausforderungen für das Kunststoffrecycling auf:
■ In Folge der gesunkenen Rohöl- und Erdgaspreise verbilligen sich die Kunststoff-Vormaterialkosten. Allerdings erwarteten vielfach auch die Abnehmerindustrien, an den gesunkenen Rohstoffkosten partizipieren zu können, wodurch die niedrigeren Vormaterialkosten nicht immer voll auf die Erträge durchschlügen.
■ Ein weiteres Anziehen der Exporte von Altkunststoffen kann seiner Ansicht nach den deutschen Recyclingunternehmen Inputmengen entziehen, wodurch die Kosten steigen und die Margen kleiner werden.
■ Ein Risiko sind – im Vergleich zu Wettbewerbern in anderen Ländern – die Stromnebenkosten.
■ Ähnliches gilt für die Qualität des Inputmaterials.
Internationale Fachkonferenz
Der internationale Charakter der Tagung wurde durch die Anwesenheit von rund 450 Teilnehmern aus zehn Ländern unterstrichen, wodurch der 19. Internationale Altkunststofftag seinen Ruf als größte Konferenz zum Kunststoffrecycling in Europa erneut bestätigt hat. Das zweitägige Branchentreffen bot ein umfangreiches Programm mit 40 Vorträgen in zwei Arbeitsgruppen, vier Workshops, einer zentralen Vortragsveranstaltung und einer moderierten Podiumsdiskussion. Dazu gab es begleitende Zusammenkünfte und Sitzungen. Zudem konnten 23 Firmen für die traditionelle Ausstellung gewonnen werden, die wie in der Vergangenheit von Dr. Stefan Bosewitz organisiert worden war.
Die Bedeutung der Tagung würdigte auch Surendra Borad Patawari, Vorsitzender des Kunststoffkomitees im Bureau of International Recycling (BIR) und Chef der belgischen Gemini Corporation. In seinem Grußwort ging er auf den im Januar dieses Jahres veröffentlichten Bericht des Weltwirtschaftsforums über die Zukunft der Kunststoffe ein. Danach werden weltweit lediglich 14 Prozent aller Kunststoffverpackungen für das Recycling gesammelt. Nach Abzug der Materialverluste durch Sortierung und Aufbereitung ständen lediglich fünf Prozent der Kunststoffe für die nachfolgende Verwendung zur Verfügung. Der Materialverlust im Umfang von 95 Prozent entspricht laut Surendra Borad Patawari einem wirtschaftlichen Verlust von jährlich 80 bis 120 Milliarden US-Dollar. Kein Wunder also, dass er sich vehement für eine Kreislaufwirtschaft einsetzt. Wie der Redner weiter hervorhob, handelt seine Firma jährlich mehr als 300.000 Tonnen Altkunststoffe und ist weltweit tätig. Die damit erzielten Gewinne werden auch für soziale Projekte verwendet, denn die Gemini Corporation hat in Indien acht Dörfer „adoptiert“ und unterstützt sie mit ärztlicher Versorgung, zwei Schulen gebaut, die unterhalten werden, sowie über 100.000 Bäume gepflanzt und gehegt.
Brigitte Weber
Foto: bvse
(EUR0816S13)