Slowakei: Auf dem langen Weg zur Kreislaufwirtschaft
Die slowakische Abfallwirtschaft steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Und ein neuer Entwicklungsplan zwingt zum Handeln: Die enorm hohe Deponierungsquote soll bis 2020 deutlich sinken. Zugleich müssen die Trenn- und Verwertungsquoten bei Verpackungen und Bioabfällen erhöht werden. Dafür sind seit diesem Jahr auch die Hersteller verantwortlich.
Investitionen in der Slowakei stehen vor allem beim Aufbau von Sammelpunkten, aber auch bei der Modernisierung von Recyclinganlagen an. Hier sind zukunftsfähige Technologien gefragt. Zwar wurde in den vergangenen Jahren bereits massiv in die Abfallwirtschaft investiert, doch erfüllt das Land seine selbstgesteckten Ziele bei Weitem nicht. So enden laut Eurostat drei Viertel der Siedlungsabfälle immer noch auf Deponien. Und nach Berichten der Wirtschaftszeitschrift Trend sind die Deponiegebühren mit die niedrigsten in Europa. Auf den Halden landen in großen Mengen auch Abfälle aus dem Ausland.
Mit nur sechs Prozent Recyclinganteil gehörte die Slowakei 2014 zu den drei Schlusslichtern in der Europäischen Union. Das nationale Statistikamt beziffert die Deponierungsquote auf 66 Prozent. Eine effiziente Abfalltrennung kommt bislang nicht zustande, weil das Umweltbewusstsein gering ist, eine Aufklärung der Haushalte fehlt und die Infrastruktur zur getrennten Erfassung von Hausabfällen schlecht ausgebaut ist. Im Jahr 2014 – letztverfügbare Angabe – fielen landesweit neun Millionen Tonnen Abfälle an, darunter 1,8 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle. Dennoch liegt die Slowakei mit 321 Kilogramm deutlich unter dem Durchschnitt der EU-Staaten von 475 Kilogramm Siedlungsabfall pro Kopf. Das slowakische Entwicklungsprogramm für die Abfallwirtschaft prognostiziert bis 2020 einen Anstieg der Siedlungsabfälle auf zwei Millionen Tonnen.
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Als Meilenstein gesehen
In den kommenden fünf Jahren soll die Trennquote bei Siedlungsabfällen 60 Prozent erreichen. Mindestens die Hälfte der Hausabfälle müsste dann in irgendeiner Form wiederverwertet werden. Bislang liegt der Anteil erst bei 30 Prozent. Das im Oktober 2015 veröffentlichte Entwicklungsprogramm für die Branche zielt auf effizientere Abfalltrennung, bessere Verwertung von Bauschutt und stärkeren Einsatz von Recyclingmaterialien. Als Meilenstein in der Abfallwirtschaft wird die erweiterte Herstellerverantwortung gesehen: Hersteller und Inverkehrbringer von Verpackungen, Elektrogeräten, Batterien, Autos und Reifen sind dazu verpflichtet, die Sammlung und Verwertung dieser Waren nach Gebrauch nachzuweisen und für alle Kosten aufzukommen. Sie können das selbst organisieren oder die Verpflichtung an eine „Organisation der Herstellerverantwortung“ (slowakische Abkürzung: OZV) übertragen. Die Deutsch-Slowakische Industrie- und Handelskammer hat dazu im Internet ein Merkblatt veröffentlicht www.dsihk.sk/fileadmin/ahk_slowakei/Dokumente/Dienstleistungen/Merkblatt_DSIHK_DHP_Abfallgesetz_2016.pub.pdf
Das am 1. Januar 2016 in Kraft getretene neue Abfallgesetz enthält ein allgemeines Deponierungsverbot für bereits getrennte Abfallfraktionen sowie für getrennte Bioabfälle. Bis 2020 dürfen gemäß EU-Vorgaben maximal 330.400 Tonnen biologisch abbaubare Siedlungsabfälle deponiert werden – 35 Prozent der Menge von 1995. Eurostat zufolge wurden 2014 erst sechs Prozent des Siedlungsabfalls kompostiert, obwohl mit EU-Fördermitteln viele Kompostieranlagen entstanden sind. Die Regierung will nun den Bau kleinerer Kompostieranlagen in den Ortschaften finanziell unterstützen. Bestehende Anlagen sollen Fördermittel bekommen, um künftig auch Küchenabfälle verwerten zu können. Außerdem wird der Bau von Biogasstationen gefördert, die Bioabfälle einsetzen. Bei Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) lautet das Ziel, bis 2020 eine Recyclingquote von 70 Prozent zu erreichen. Bislang fallen pro Jahr etwa 270.000 Tonnen PPK an, wovon weniger als die Hälfte wiederverwertet wird. Bei Glas liegt das Aufkommen bei rund 90.000 Tonnen jährlich. Die Recyclingquote beträgt hier weniger als 50 Prozent. Bis 2020 sollen es 80 Prozent sein. Doch hält das slowakische Umweltministerium die Verarbeitungskapazitäten für ausreichend. Allerdings müssten die Recyclingbetriebe technologisch aufgerüstet werden.
Tausende wilder Müllkippen
Noch schlechter ist die Situation bei Kunststoffen: Jährlich fallen etwa 140.000 Tonnen Plastikabfälle an, von denen nur rund ein Drittel wiederverwertet wird. Das Problem ist die Erfassung von Kunststoffen. Dafür wären mehr Sammelcontainer und nicht zuletzt mehr öffentliches Bewusstsein nötig. Geschäftschancen bieten sich außerdem bei der Verwertung von Bauschutt, Altreifen und Batterien. Auch hier will die Slowakei in den kommenden Jahren die Deponierungsquote senken. Und jedes Jahr werden bis zu 40.000 Altfahrzeuge verschrottet. Dafür sind Technologien für problematische Pkw-Teile wie Polsterungen, Verbundwerkstoffe und aufgeschäumte Teile gefragt. In der Slowakei gibt es 95 Deponien für ungefährliche Abfälle. Hinzu kommen elf Standorte für Gefahrestoffe und 18 für mineralische Abfälle wie Bauschutt oder Keramik. Der nationale Abfallwirtschaftsplan sieht bis 2020 genügend Deponierungskapazitäten gegeben, doch fehlen in manchen Regionen Sonderdeponien, etwa für Gefahrenstoffe. Auch existieren immer noch Tausende wilder Müllkippen, für deren Beseitigung das slowakische Umweltministerium mehrere Millionen Euro bereitstellt.
Modernisierungsbedarf bei MVA
Die Hausmüllverbrennung erfolgt in zwei größeren Anlagen in Bratislava und Kosice, die teilweise in kommunaler Hand sind. Betreiber OLO will den Standort Bratislava demnächst modernisieren und dabei auch die Kapazitäten erhöhen. Weitere Einrichtungen sind in Planung, um die Deponierungsquote zu senken. Außer den beiden Müllverbrennungsanlagen gibt es fünf Anlagen zur thermischen Verwertung gefährlicher Industrieabfälle und fünf für Krankenhausabfälle. Nach Einschätzung des Umweltministeriums muss die Müllverbrennung im Land technologisch modernisiert und vor allem der Emissionsschutz verbessert werden.
Für die Verarbeitung von Sonderabfällen hat das Ministerium knapp 100 Unternehmen lizenziert – darunter 44 Firmen, die Altfahrzeuge zerlegen, und 27 Firmen für die Verwertung von Elektro- und Elektronikaltgeräten. Unter den umsatzstärksten Unternehmen der Abfallwirtschaft sind viele mit ausländischen Wurzeln. Sie kommen meist aus Österreich, Deutschland oder Tschechien.
Die Abfallwirtschaft in der Slowakei ist weitgehend aufgeteilt, bietet durch die verstärkten Anstrengungen für mehr Recycling aber noch Markteintrittschancen. Einige deutsche Unternehmen wollen als Dienstleister für die verpflichtende Herstellerverantwortung ins Geschäft kommen und Rücknahmesysteme aufbauen. Hier sind gute Kontakte zu lokalen Entscheidungsträgern nötig. Bei öffentlichen Ausschreibungen ist zu beachten, dass die Vergabekriterien nicht immer transparent sind. Größere Projekte werden über das Operationelle Programm „Umweltqualität“ der Europäischen Union finanziert. Aktuelle Aufrufe finden sich auf der Webseite www.op-kzp.sk.
Verfasser: Gerit Schulze
Quelle: Germany Trade & Invest
Foto: pixabay
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