GFK: neocomp bietet „Zero-Waste“-Konzept zur kompletten Wiederverwertung
Eine Motorsäge frisst sich kreischend ins Material, es spritzt Wasser zum Kühlen des Sägeblattes, Holz- und Kunststoff-Staub wirbelt auf: Das Zerteilen des einstmals so erhaben in den blauen Himmel reichenden Rotorblatts einer Windkraftanlage ist laut und spektakulär. Der Rest seiner Verwertung auf dem neocomp-Gelände in Bremen fällt weniger ins Auge, ist aber ähnlich spektakulär.
Doch von Anfang an. Laut Wikipedia liegt die maximale Länge aktueller Rotorblätter bei rund 65 Metern im Onshore- und 85 Metern im Offshore-Bereich; ihr Gewicht beträgt etwa 25 Tonnen. Der Transport solch kompletter Bauteile zum Standort erfordert ausgeklügelte Sondertransporte. Um den Abtransport ausgedienter Blätter zu erleichtern, werden sie vor dem Verladen in sechs bis acht Meter kurze Teile zersägt und dann als Blattbrüche nach Bremen verbracht. Hier zerteilt sie die Kreissäge zunächst in „handlichere“ Stücke.
Bislang schlechte Wiederverwendbarkeit
Rotorblätter bestehen aus kohlefaser- beziehungsweise carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) oder glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK). Glasfaserverstärkte Kunststoffe finden außer in Energiewirtschaft und Elektrotechnik breite Verwendung in Luftfahrt, Schiffs- wie Automobilbau. Ihre guten Eigenschaften sind jedoch mit einer begrenzten Wiederverwendbarkeit kombiniert. neocomp-Geschäftsführer Frank J. Kroll zählt die Nachteile auf: GFK darf seit 2005 nicht mehr deponiert werden, ist schlecht brennbar, enthält einen hohen Ascheanteil und kann aufgrund ausgehärteter Harze nicht wieder eingeschmolzen werden. Doch das „Zero-Waste“-Konzept der neocomp – einem Unternehmen der Nehlsen Gruppe und der neowa GmbH – hat zur Entwicklung eines sowohl umweltschonenden wie wirtschaftlichen Aufbereitungs- und Verwertungsverfahren für GFK geführt.
Die Aufbereitungsanlage behandelt nicht nur Rotorblätter, sondern auch andere glasfaserverstärkte Kunststoffe. Beispielsweise Produktionsrückstände wie Rohre, Tanks und Verschnittreste und End-of-Life-Abfälle wie Surfbretter oder Skier. Verarbeitet werden außerdem Spuckstoffe aus der Papierindustrie. Carbonfaserverstärkte Kunststoffe sind für das Verfahren nicht geeignet: Sie sind elektrisch geladen und darüber hinaus karzinogen. Werden solche Komponenten beispielsweise bei Rotorblättern gefunden, werden sie herausgetrennt und separat verwertet.
Vollständig thermisch und stofflich behandelt
Der Ablauf der weiteren GFK-Behandlung ist schnell erklärt. Nach entsprechender Vorzerkleinerung werden Kunst- und Spuckstoffe gemischt, mehrstufig trockenmechanisch verarbeitet und anschließend separiert. Mika Lange, Vertriebsverantwortlicher der neocomp GmbH, zählt die Komponenten am Beispiel der Rotorblätter auf: „Die meisten Rotorblätter bestehen zu 50 Prozent aus Glasfasern, zu 48 Prozent aus Harzen, Klebern, Holz und Schäumen und zu zwei Prozent aus Eisen-und Nichteisenmetallen. Die Metalle werden vorher und während der Verarbeitung abgeschieden und einer entsprechenden Verwertung in Schmelzwerken zugeführt. Von den übrigen 98 Prozent an Materialverbunden werden 48 Prozent Harz, Kleber, Holz und Schäume im Zementwerk thermisch und 50 Prozent Glasfasern stofflich verwertet.“ Die brennbaren Elemente dienen als Ersatz für Primärenergie, während das Siliziumdioxid der Glasfasern in der Klinker-Produktion von Zementwerken Verwendung findet. Somit lässt sich laut Mika Lange „eine vollständige thermische und stoffliche Verwertung“ erzielen.
Kapazitätsverdoppelung geplant
Mit einer Produktion von täglich 100 Tonnen Ersatzbrennstoff-Fasern erzielt die Anlage in der Bremer Hüttenstraße im Jahr 20.000 Tonnen; ab dem vierten Quartal 2016 soll der Output auf 30.000 Tonnen gesteigert werden. Die Kapazität für 40.000 Tonnen wäre vorhanden.
Allerdings plant neocomp einen Ausbau der Kapazitäten auf 80.000 Tonnen. Zurzeit stellen die Rotorblätter nur einen Anteil von etwa 25 bis 30 Prozent an den GFK-Materialien; die überwiegende Input-Menge liefern andere Altstoffe und Produktionsabfälle. Dennoch – stellt Geschäftsführer Frank J. Kroll fest – zeigt sich eine Marktentwicklung hin zu stärkerem Aufkommen von gebrauchten Rotorblättern: Neben dem Export kompletter Windkraftanlagen liegt deren Rückbau im Trend. Und die Ökobilanz eines Unternehmens würde angesichts einer thermischen wie stofflichen Verwertung von Anlagenteilen wesentlich positiver, da nachhaltiger ausfallen. Zudem sind glasfaserverstärkte Kunststoffe bei den Betreibern von Müllverbrennungsanlagen nur ungerne gesehen, da sie die Filter verstopfen, einen etwa 50prozentigen Aschegehalt aufweisen und bei den gegebenen Verbrennungstemperaturen nur zum Teil durchglühen. MVA lehnen daher die Annahme dieser Materialien zumeist ab.
Wenn also keine alternative Verwertung möglich ist, dürfte für manchen Windkraftanlage-Besitzer die neocomp-Aufbereitung in Bremen – auch bei einem Transportweg von mehreren hundert Kilometern – eine attraktive Entsorgungsmöglichkeit darstellen. Frank J. Kroll: „Als zertifiziertes Entsorgungsunternehmen bieten wir unsere Leistungen in Deutschland und den europäischen Nachbarländern an.“
Foto: Dr. Jürgen Kroll
(EUR1016S14)