Der diesjährige Internationale Kongress für Batterie Recycling ICBR Mitte September in Antwerpen beleuchtete die Schwierigkeiten im Umgang mit gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien.
Lithium-Ionen Batterien finden aufgrund ihrer hohen spezifischen Energiekapazität zunehmende Verbreitung. Der Markt für derartige Batterien und Zellen soll weltweit von rund drei Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 auf über 30 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 steigen – durch zunehmenden Einsatz in Mobiltelefonen, Notebooks und Elektro- sowie Hybrid-Fahrzeugen. Doch die Behandlung gebrauchter Module lässt zu wünschen übrig: 2010 wurden in der Europäischen Union lediglich fünf Prozent der verkauften Lithium-Ionen-Batterien recycelt; in den USA sollen zuletzt wenigstens 15 Prozent gebrauchter derartiger Batterien behandelt worden sein.
Der Umgang mit Lithium-Ionen Batterien kann gefährlich werden. Sie können auf Überladung und Wärmeeinwirkung mit Hitze- oder Gasentwicklung reagieren; Deformation, Schock, Vibrationen oder Einstiche führen zu einem internen Kurzschluss, der ebenso wie ein externer Kurzschluss eine Überhitzung nach sich ziehen kann. Die Folge: Batterie-Brände. Das Löschen solcher Feuer gestaltet sich schwierig. Das liegt zum einen an diversen chemischen Zusammensetzungen, Ladepegeln und Mischungen unterschiedlich konstruierter und verschieden großer Zellen und Batterien, die zur Entstehung und Ausbreitung von Bränden beitragen. Zum anderen dienen zum Löschen von Metallbränden Feuerlöscher der Klasse D, deren Graphit- und Natriumchlorid-Puder wenig dagegen ausrichten kann. Darüber hinaus werden keine bestehenden Sicherheitsstandards angewandt, bemängelte John Whitehurst (Dupré Minerals Ltd., United Kingdom).
Die Verpackungsanweisung P909
Auch die fehlende Standardisierung der Transportbehältnisse ist seit Jahren Diskussionsthema in der Branche. Das bereitete auch den Belgiern Kopfzerbrechen. In Flandern besteht seit Jahren ein feinmaschiges Sammelnetz für Altbatterien, die zusammen mit „anderen Haushaltsgeräten“ in Boxpaletten gesammelt werden. Für deren Transport schreibt das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, kurz: ADR, die Einstufung nach Sonderbestimmung SP 636 vor. Danach fallen Altgeräte, die Batterien unter 500 Gramm enthalten, nicht unter das ADR, wenn für sie erstens ein „Qualitätssicherungssystem“ eingerichtet wurde, das sichergestellt, dass das Gesamtgewicht der Lithium-Zellen oder -Batterien höchstens 333 Kilogramm beträgt, und zweitens die Lieferung mit einem Aufkleber „Lithium-Batterien fürs Recycling“ versehen ist.
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Drittens muss der Verpackungsanweisung P909 gefolgt werden, der gemäß die äußere Transportverpackung die inneren Behälter oder Verpackungen Batterien schützen muss. Da in den gegenwärtigen Boxpaletten Abstände zwischen Bodenbrettern und Paneelen existieren und die Kisten oben offen sind, gelten diese als nicht ADR-konform. Die Alternativen, berichtete Els Verberckmoes (Recupel vzw, Belgien), bestanden darin, Lithium-Batterien als separaten Stoffstrom zu sammeln, was das saubere Trennen durch die Bürger voraussetzt und höheres Risiko beim separaten Transport der Batterien bedeutet hätte. Oder eine andere Boxpalette zu finden. Die – schließlich genehmigte – Lösung bestand in einer hölzernen Palettenkiste mit geschlossenem Boden und geschlossenen Seitenwänden.
Sensoren zur Überwachung
Bislang bestehen in der Automobilindustrie unterschiedliche Ansätze, wie der Transport defekter Lithium-Ionen-Batterien abgewickelt werden kann. Eines ist ihnen gemeinsam: Es gibt keinerlei Kenntnis, wie sich solche Batterien bei Beförderung zum Recyclingfirmen – inklusive Brandgefahr – verhalten. In der Volkswagen-Entwicklungsabteilung wurde daher die Idee eines „Batterie-Management-Systems“ geboren, das Daten der gesammelten Einheiten erfasst. Zu diesem Zweck wurde der Prototyp einer Verpackungskiste entworfen, deren Sensoren verschiedene Variablen der defekten Batterien während Transport und Lagerung erfassen. Zu ihnen zählen Temperatur, Druck, Feuchtigkeit und Vibrationen; zusätzlich arbeiten Beschleunigungsmesser, Gyroscope, Lichtsensor und Magnetometer. Dadurch lassen sich die Auswirkungen einer falschen Verpackung und ihr Missbrauch über Vibrationsdaten feststellen, Szenarien über das Batterie-Verhalten während des Transports entwickeln und eine störungsfreie Fahrt ermöglichen, wodurch Kosten gespart und die Sicherheit erhöht wird. Noch kann dieses Frühwarnsystem, das bereits Feldversuchen unterzogen wurde, kein Ausbrechen eines Feuers verhindert. Doch es kann – betonte Stefanie Schönhofen (Volkswagen AG, Deutschland) – zumindest helfen, schneller zu reagieren.
Eine Ampel für Transport-Eignungen
Von einem andern großen deutschen Automobilhersteller stammt der Vorschlag, ein standardisiertes Bewertungsformular für die Zulassung von Lithium-Ionen-Batterien einzuführen. Dazu definiert der Batteriehersteller Kriterien und Messwerte, anhand derer die elektrische und die physikalische Beschaffenheit der zu transportierenden Stücke ermittelt werden kann. Wird die Batterie als transportgeeignet erachtet, kann als zusätzliches Kriterium der 38.3-Test herangezogen werden, der aus insgesamt acht Einzeltests besteht. Gemäß der jeweiligen Sonderbestimmung und der jeweiligen Verpackungsanweisungen sind die entsprechenden Batterien für den Transport auf Straße, per Schiff oder im Flugzeug geeignet oder bedingt geeignet. Dazu stellten Fabian-Alexander Polonius und Sebastian Spies (Daimler AG, Deutschland) ein Ampelsystem vor, das drei Kategorien klassifiziert und trennt.
■ Grün – in Ordnung: Die Batterie ist 38.3-getestet und transportsicher. Der Austritt von Gefahrstoffen ist unter normalen Transportbedingungen ausgeschlossen; ein Transport ist unter P903/ LP903/ PI965, A99 beziehungsweise SP310 oder SP377 (P909) / A88 möglich.
■ Gelb – nicht in Ordnung: Die Batterie ist beschädigt, ist nicht mehr 38.3-konform und kann transport-unsicher sein, doch ist der Austritt von Gefahrstoffen unter normalen Transportbedingungen sicher ausgeschlossen; ein Transport unter SP376 (P908/LP904) ist möglich.
■ Rot – nicht in Ordnung: Die Batterie ist beschädigt, sie ist nicht mehr 38.3-konform, sie kann transport-unsicher sein. Der Austritt von Gefahrstoffen unter normalen Transportbedingungen kann nicht ausgeschlossen werden. Ein Transport ist nur mit Genehmigung in Bezug auf SP376 (letzter Abschnitt) zulässig. Das Material darf nur zum Recycling, nach einem Unfall und zu diagnostischen Zwecken bewegt werden.
Recycling per Hydrometallurgie
Ist der Transport der gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien abgeschlossen, erfolgt das Recycling in der Hydrometallurgie mithilfe von wässrigen Lösungen. So wendet beispielsweise das französische Unternehmen Recupyl Spa ein patentiertes Verfahren an, das aus Leaching der Metalle, Reinigung von Schwermetallen durch Zementation oder Präzipation sowie schließlich der Separation verschiedener Metalle besteht. Nach Darstellung von Recupyl führt dieser hydrometallurgische Prozess nicht nur zu hoher Reinheit der Metalle, sondern soll auch energieeffizient sein, einen geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen und keine Emission von Dioxinen vornehmen.
Genauere Angaben über ein solches Verfahren lieferte auf dem Kongress in Antwerpen die JX Nippon Tsuruga Recycle Co., die das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien bis Juli 2015 in ihrer Anlage in Tsuruga testete und danach in die Produktion einstieg. Während der Testphase wurden dem Rohmaterial – ausgedienten Batteriekathoden – im Lösungsmittel zunächst Mangan, dann Cobalt und Nickel entzogen, bis schließlich Lithiumcarbonat verbleibt. In einer späteren Phase wurden während der Mangan-Auslaugung auch die Fremdstoffe Aluminium und Kupfer selektiv ausgefällt: Es hatte sich herausgestellt, dass deren Ausfällen nach dem Leaching zu Verlusten an Cobalt, Nickel und Mangan in Höhe von über 20 Prozent führte.
Wertstoffe aus Produktionsabfällen
Seit August 2015 besteht das Ausgangsmaterial aus zerkleinerten Kathoden von Lithium-Ionen-Batterien. Das Verfahren sieht zunächst die Entfernung hoher Konzentrationen von Fremdstoffen wie Eisen, Aluminium und Kupfer vor und dann stufenweise die Gewinnung der anderen Wertstoffe. Nach Leaching und neu eingeführter Neutralisation ergibt sich eine Konzentration (g/L) von 25 bis 30 für Kobalt, 3,5 bis 4,0 für Lithium, <0,01 für Kupfer, <0,4 für Aluminium und <0,001 für Eisen. Aus dem Prozess resultierten Mangancarbonat, Cobaltraffinade, Nickelraffinade (maximal 200 Tonnen pro Jahr) und Lithiumcarbonat. Yasufumi Haga (JX Nippon Mining & Metals Corporation, Japan) ist mit der selbst entwickelten Technologie zufrieden: „Wir holen erfolgreich Wertstoffe aus Produktionsabfällen heraus.“
Gute Dienste durch zweites Leben
Dass aber auch eine Wiederverwendung gebrauchter Lithium-Ionen-Batterien aus hybrid-betriebenen Fahrzeugen möglich ist, zeigt das Beispiel des niederländischen Autorecyclers ARN. Dem Vorhaben stand zunächst vor allem im Weg, dass sich die Batterie-Richtlinie nur auf Recyclingmaterialien, aber nicht auf ein zweites Leben von ausrangierten Batterien bezieht. Das Problem ließ sich schließlich administrativ dadurch lösen, dass die niederländische Regierung bestimmten Abfallströmen unter besonderen Voraussetzungen einen Abfall-Ende-Status verleihen kann. Zudem muss der Erstverwerter eine Umweltlizenz besitzen sowie einen jährlichen Report abgeben, und der Zweitverwerter ist zur Registrierung verpflichtet. Nachdem diese Voraussetzungen erfüllt waren, konnte ARN im Juli 2016 die ersten ausgemusterten Lithium-Ionen-Batterien zur Weiterverwendung anbieten. Hector Timmers (ARN Auto Recycling, Niederlande) ist sich sicher: „Nach rund zehn Jahren ist eine Lithium-Ionen-Batterie nicht mehr für ein Fahrzeug tauglich, kann aber weiterhin im häuslichen Bereich als Energiespeicher eingesetzt werden. In Kombination mit Solar- und Windenergie kann solche Speicherkapazität sehr nützlich sein.“ Dass Re-Use-Batterien in diesem Zusammenhang gute Dienste leisten können, hatte im Jahr 2015 bereits das 2BCycled-Projekt auf der Insel Pampus herausgefunden, an dem ARN, DNV GL, die Fachhochschulen von Arnheim und Nijmegen, die Technische Universität Eindhoven und der Netzbetreiber Alliander beteiligt waren: Auf der Insel Pampus – ein zu Verteidigungszwecken energie-autonom versorgtes Eiland – wird die dort erzeugte Solar- und Windenergie erfolgreich in einem Verbund ausgedienter Batterien gespeichert.
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