Edelmetallrecycling: Eine Zwischenbilanz
Edelmetalle sind ebenso wie Seltene Erden angesichts steigender Nachfrage und immer schwieriger erscheinender geopolitischer Verhältnisse tatsächlich zu „kritischen Rohstoffen“ geworden, vor denen vor einigen Jahren schon gewarnt wurde. Während die Rohstoffpreise steigen, wird der Markt für Sekundärmaterialien stetig attraktiver und Recycling tendenziell rentabler. Wie sich die momentane Marktlage für die Wiederverwertung von Edelmetallen darstellt, versucht der folgende Bericht zu skizzieren.
Jüngsten Meldungen zufolge hat sich das Recycling von Gold in den letzten Monaten erholt: Es erreichte im dritten Quartal 2016 eine Steigerung von 30 Prozent gegenüber dem gleichen Quartal im Vorjahr. Auch der Preis für Recycling-Gold zog im gleichen Zeitraum um 55 Prozent an. Angesichts eines 4-Jahres-Hochs sprach das World Gold Council von einem regelrechten Recyclinggold-Ansturm. Allerdings soll das Angebot an Altgold von 2009 bis 2015 um rund ein Drittel abgenommen haben. Und ein aktueller SRSrocco Report gibt zu bedenken, dass 2015 die weltweite Nachfrage nach Schmuckgold nur zu 41 Prozent und die Nachfrage nach Gold lediglich zu 26 Prozent durch Altgold abgedeckt wurde.
Nur 13 Prozent Silberrecycling-Angebote
Auch die Recyclingsilber-Mengen lagen in den letzten Jahren im Abwärtstrend: Während sich die Silber-Fabrikation von 2006 bis 2015 mehr als verdreifachte, ging das Recyclingsilber-Angebot um rund 30 Prozent zurück. Lediglich in Deutschland – vermuten Insider – wurde der verminderte Zulauf an Recyclingrohstoffen durch zunehmende Ströme aus dem Automobilsektor ausgeglichen. Mittlerweile ist Europa zum größten Recyclingsilber-Lieferanten aufgestiegen, gefolgt von Asien und Nordamerika. Doch auch hier macht der SRSrocco Report darauf aufmerksam, dass 2015 die globale Nachfrage nach Silberschmuck nur zu acht Prozent und die der Industrie nach dem Edelmetall nur mit 18 Prozent durch Recyclingsilber gedeckt werden konnte. Daraus schließt Steve St. Angelo, der Autor des Artikels, dass für insgesamt 87 Prozent des weltweiten Silberbedarfs keine Recyclingangebote vorliegen.
Für einen zukünftigen Anstieg der Silberrecycling-Volumina spricht die zunehmende Erfassung von Alt-Elektro- und Elektronik-Geräten, die allerdings technisch aufwändig ist. Industrielles Altsilber wird zurzeit lediglich aus Ethylenoxid rückgewonnen, das in der Produktion von Kunststoffen und Polyester verwendet wird. Hingegen lässt die Langlebigkeit der in Solaranlagen verbauten Zellen ein Silberrecycling noch nicht zu. Und die Digitalisierung in der Fotografie-Industrie lässt auch hier das Altsilber-Aufkommen schwinden.
Platinrecycling mit Chancen
In der Bilanzierung von Platinangebot und -nachfrage rechnet das World Platinum Investment Council mit einem Angebotsdefizit von durchschnittlich 250.000 Unzen pro Jahr bis 2021. Analysten sehen darin eine Chance für eine Intensivierung des Recyclings. Der Edelmetallhersteller Johnson Matthey berichtete für die letzten Jahre bereits von einem jährlichen Anstieg von etwa zehn Volumenprozent an recycelten Platinmetallen im Bereich von 1,83 bis 2,02 Millionen Unzen. Wird das Angebot aus dem primären und sekundären Markt zusammengenommen, legt dies für den unabhängigen Analysten David Jollie nahe, dass sich durch das Wachstum an Recycling das gesamte Platinangebot auf eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 1,1 und 1,2 Prozent zwischen 2015 und 2021 belaufen könnte – vorausgesetzt, die Metallpreise erholen sich hinreichend, um weitere Einschnitte in die Minenproduktion zu verhindern. Aktuell hat das World Platinum Investment Council für das erste Quartal 2016 eine auf zwei Prozent gesunkene Wachstumsrate im Recyclingbereich gemeldet.
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Recyclingquote vielfach unter einem Prozent
Aus industrieller Sicht sind auch Nachfrage und Wiedergewinnung von „Rohstoffen für Zukunftstechnologien“ von Interesse. Eine Studie, die 2016 im Auftrag der Deutschen Rohstoffagentur erstellt wurde, selektierte 16 Rohstoffe mit einer besonderen technischen Relevanz. Für fünf Metalle – Germanium, Kobalt, Scandium, Tantal und Neodym/Praseodym – wurde eine starke Nachfrage, für drei weitere Metalle – Lithium, Dysprosium/Terbium und Rhenium – eine gesteigerte Nachfrage festgestellt. Hinzu kamen Platin, Zinn, Palladium, Indium, Gallium, Silber, Kupfer und Titan.
Für Platin, Palladium, Silber, Kupfer, Zinn, Rhenium und Kobalt kann der Bedarf teilweise durch Recycling gedeckt werden: Diese Rohstoffe verfügen derzeit weltweit über eine Recyclingquote von mehr als 50 Prozent. Nicht so die anderen Elemente: Für Indium, Gallium, Lithium, Germanium, Kobalt und Tantal liegt ebenso wie für die Seltenen Erden Scandium, Dysprosium/Terbium und Neodym/Praseodym und der gesamten Gruppe der Lanthanoide die Recyclingquote unterhalb von einem Prozent. Insgesamt werden laut Martin Faulstich (CUTEC Institut) von den 60 momentan industriell eingesetzten Elementen allein 34 Rohstoffe lediglich bis zu einem Prozent recycelt. Ob ihre Wiederverwertung sinnvoll ist, hängt einerseits von Verfügbarkeit und damit Marktpreis der Primärmaterialien ab, aber auch von der technischen Machbarkeit und dem Stand der Forschung.
Forschungsboom zu kritischen Rohstoffen
Forscher und Entwickler blieben in den letzten Jahren nicht untätig, um das Wissen um Edelmetalle einschließlich Seltener Erden zu erweitern. Seitdem im Juni 2010 die EU-Kommission in einem Report 14 sogenannte kritische mineralische Rohstoffe auflistete, gab es einen regelrechten Forschungsboom. So entstand beispielsweise im Jahr 2012 im Rahmen des BMBF-Förderprogramms r3 ein Verbundforschungsprojekt, das sich auf die Sammlung und Gewinnung von Edelmetallen wie Gold, Silber und Platingruppenmetalle, auf Indium, Kobalt und Lithium sowie auf Seltene Erden wie Neodym, Praseodym und Dysprosium konzentrierte – neben Gold, Silber und Lithium sämtlich kritische Metalle aus der Liste der EU-Kommission. Auf einschlägigen Kongressen und Tagungen wurde nun über Galliumrecycling referiert, über die Rückgewinnung von Indium und Spurenmetallen aus Elektroaltgeräten, über Extraktion von Seltenen Erden aus wiederaufladbaren Batterien und Magnetschrott-Fraktionen oder auch über die Aufbereitung von Platingruppenmetallen aus Abgas-Katalysatoren. Inzwischen musste der Boom allerdings der Einsicht folgen, dass viele dieser Stoffe nur mit großem Aufwand und/oder unwirtschaftlich recycelt werden können. Oder dass – wie im Falle von Neodym – 66 bis 80 Prozent solcher Rohstoffe spurlos verarbeitet und nicht nachvollziehbar verbraucht wurden und für eine Wiedergewinnung nicht zur Verfügung stehen.
Auf der Suche nach Separationsverfahren
Die heutige Forschungslandschaft ist pragmatischer geworden und konzentriert sich – neben gezielter Suche nach Rückgewinnungsmethoden für einzelne Materialien wie Lithium oder Indium – zumeist auf die Aufbereitung von Abfall- und Rohstoffgemischen. Deren Komponenten dann möglichst alle sortenrein getrennt oder zugunsten eines gewinnversprechenden Materials weiterverarbeitet werden. Schon 2011 hatten Heraeus und PhosphonicsS das Scavenger-Verfahren entwickelt, um mithilfe spezieller Adsorptionsmittel Edelmetalle aus gelösten Produkten und Abfällen rückzugewinnen. Im März 2013 skizzierte beispielsweise Ralph Uepping (Tomra Sorting) die Möglichkeiten sensor-gestützter Sortierung von Edelmetallen durch XRF-Technologie. Im Dezember 2014 stellte die TU Bergakademie Freiberg ihr sogenanntes SepSelsa-Verfahren (Separation Seltener Erden aus entsorgungspflichtigen Abfällen in Sachsen) vor, durch das sich strategisch wichtige Metalle aus Leuchtstoffabfällen im Industriemaßstab zurückzugewinnen lassen; hoch sortenrein können auch Quecksilber aus Leuchtstoffen wiedergewonnen oder FeNdB-Magneten aus Elektromotoren aufbereitet werden.
Geschätzte 300 Tonnen Gold pro Jahr
Im Januar 2015 stellte Professor H. K. Ma von der National Taiwan University zwei Verfahren namens „Tin Stripping“ und „Gold Stripping“ vor, die Metalle wie Gold, Silber und Indium, aber auch Kupfer und Alt-Platinen von Zinn-Belägen und -Rückständen befreien. Im März 2015 präsentierte die Nobra GmbH ihre Erfahrungen über einen Vierfach-Ofen zur Gekrätzveraschung, der „das bestmögliche Recyclingergebnis für die edelmetallhaltigen Rückläufe nach dem jetzigen Stand der Technik“ liefern soll. Und bis zum September 2016 entwickelten Wissenschaftler der Universität Edinburgh eine umweltfreundliche Methode, um an das Gold in gebrauchten Handys beziehungsweise deren Elektronik zu gelangen: Die Platinen werden zunächst in ein mildes Säurebad getaucht, um alle metallischen Teile abzulösen. Hinzugefügt wird eine ölige Flüssigkeit, bestehend aus einer von den Forschern entwickelten chemischen Verbindung: Sie entzieht der Mischung oder anderen Metallen gezielt die Goldanteile. Die Ergebnisse – da sind sich die Forscher sicher – „könnten zur Entwicklung von Methoden zur Wiederverwertung von Gold und anderen Edelmetallen in großem Stil aus Elektroabfällen beitragen“. Und geschätzte 300 Tonnen Gold pro Jahr erbringen.
Foto: Mykhailo Shcherbyna | Dreamstime.com
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